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Big Motor in Big Trouble: Schwere Vorwürfe gegen Japans größten Gebrauchtwarenhändler

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Jedes Kind kennt die Fernsehwerbung des größten Gebrauchtwarenhändlers in Japan:

Kurumao売るuruならnaraビッグbigguモーターmōtaa

„Auto verkaufen? Dann ab zu Big Motor!“ — diese Werbung ist kurz, einprägsam und läuft mehrfach an jedem Tag auf allen Kanälen. Big Motor kauft und verkauft, zumindest eigenen Angaben zufolge, seit 6 Jahren in Folge die meisten Gebrauchtwagen in Japan und hat rund 6’000 Angestellte. Und einige von denen haben nun begonnen, auszupacken. Den (Ex)angestellten zufolge galten für die Mitarbeiter strenge Normen — so wurde gefordert, dass Reparaturen im Schnitt mindestens 140’000 yen (knapp 1,000 Euro) kosten müssen. Wer die Norm nicht erfüllte, wurde aufs Derbste beschimpft, auf unbeliebte Posten abgeschoben und nahezu täglich in Rundbriefen an alle Mitarbeiter bloßgestellt. Dies führte dazu, dass die Manager erfinderisch wurden. War die Reparatur zum Beispiel unfallbedingt und eher klein, so fügte man den Autos mutwillig zusätzliche Schäden zu, zum Beispiel, indem man Golfbälle in Socken steckte und auf das Auto einschlug. Damit wurden dann den Versicherungsgesellschaften weit höhere Beträge in Rechnung gestellt als notwendig – das nennt sich im Japanischen 水増しMizumashi請求seikyū, also das künstliche In-die-Höhe-treiben von Rechnungen. Normalerweise werden die KFZ-Versicherungen in diesen Fällen skeptisch und schicken jemanden vorbei, der den Schaden begutachtet, doch da Big Motor so ein riesiges Unternehmen mit hunderten bis tausenden Reparaturaufträgen am Tag ist, gaben die Versicherungen Big Motor bald freie Hand.

Damit nicht genug — Big Motor verbaute offensichtlich auch gern Ersatzteile aus zweiter Hand – egal, ob der Kunde einwilligte oder nicht. Falls der Kunde nicht einwilligte, wurden natürlich Neupreise in Rechnung gestellt. Das ganze führte zu einem großen Haifischbecken innerhalb der Firma: Besonders dreiste Manager, die mit diversen illegalen Mitteln besonders hohe Reparaturaufträge generierten, wurden mit Jahresgehältern im höheren, sechsstelligen Eurobereich fürstlich entlohnt, während weniger erfolgreiche Mitarbeiter nahezu täglich gemobbt wurden.

Auf die markante Werbung müssen nun Fernsehzuschauer und Radiohörer wohl eine Weile verzichten: Das Unternehmen gab heute bekannt, jegliche Fernseh- und Radiowerbung vorerst auszusetzen. Etwas anderes bleibt Big Motor auch nicht übrig, denn das Gesicht und die Stimme der Werbekampagne, der beliebte Schauspieler Satō Ryūta, hat bereits angekündigt, die Zusammenarbeit aufzukündigen.

Vorfälle wie diese kann es natürlich in jedem Land geben — leider ist das künstliche Aufblähen von Rechnungen in Japan gängige Praxis. Dass es jedoch so lange in so großem Stil und bei so einer großen Firma vonstatten gehen konnte ist ein handfester Skandal. Der Firmenchef hat die meisten Vorwürfe zwar mittlerweile eingeräumt und angekündigt, auf ein komplettes Jahresgehalt zu verzichten. Doch das wird es nicht gewesen sein, denn der Imageschaden ist enorm und wird weitreichende Folgen für das Unternehmen haben.

tabibito
tabibitohttps://japan-almanach.de
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei der Tabibitos Blog empfohlen.

5 Kommentare

  1. Da kann ich ein Lied von singen… Anfang der Nullerjahre fuhr mir ein Handwerker an einer Ampel von hinten in die rechte Seite. Der Schaden war kaum sichtbar, aber der Handwerker hat die Schuld zugegeben (im Gegenzug habe ich auch nicht gesagt, dass er am Handy war, was ich im Rueckspiegel noch gesehen hatte). Winter, Glatteis, und rote Ampel zu spaet gesehen… Die Schramme auszubeulen und neu zu lackieren hat satte 15 Man gekostet, und der Mitarbeiter des Autohauses, bei dem ich den Wagen gekauft und auch in Pflege hatte, hat sich artig verbeugt und bedankt… Ich murmelte grinsend was von 水増し, aber der Autohausmitarbeiter grinste zurueck und meinte, dass das doch eh die Versicherung des Unfallverursachers zahlt…

  2. Genau… habe neulich für einen winzigen Kratzer an einer kleinen Mauer an einem Parkplatz rund 7man bezahlen dürfen. Wahnsinn. Hätte das natürlich über die Versicherung abrechnen lassen können, aber die hätten mich dann hochgestuft, und 5 man hätte ich sowieso selbst zuschiessen müssen. Von der Beule an der Autotür mal ganz zu schweigen – der Kostenvoranschlag lag bei 35 man. Eigentlich wollte ich keine Goldlegierung…

  3. Nur eine Frage. Wenn ich durch mutwillig Taten den Schaden in die Höhe treiben ist das doch ein Gesetzesverstoß? Was sagt die Japanische Staatsanwaltschaft dazu, werden Ermittlungen gegen die Firma eingeleitet?

    • Das ist ganz klarer Versicherungsbetrug, ja. Und da kommt bei Big Motor noch viel, viel mehr zusammen – Urkundenfälschung (die Angestellten haben einfach anstelle der Autofahrer Versicherungspapiere unterzeichnet), Gefährdung der Verkehrssicherheit usw.

    • Versicherungsbetrug ist kein Offizialdelikt, sondern der Geschaedigte muss Anzeige erstatten, bevor Ermittlungen eingeleitet werden. Das sind in diesem Fall die Versicherungsunternehmen, und da ist wohl auch schon was in der Mache… Aber auch wenn alle wissen, was gelaufen ist bzw was da immer noch ablaeuft – eine gerichtsfeste Beweiskette zu erstellen, wird, wie bei vielen Betrugsfaellen, sicher sehr schwierig werden… Sowas wird ja eher selten schriftlich fixiert und geハンコt… ;-)

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