BlogIn alten Lehrbüchern stöbern

In alten Lehrbüchern stöbern

-

Vor zwei Wochen besuchte ich unter anderem das 思い出の潟分校 — die “Zweigschule der Erinnerungen ‘Kata'” — ein altes Schulgebäude mitten im Wald, ein paar Kilometer vom Tazawa-See (Präfektur Akita) entfernt. Die Schule ist über 100 Jahre alt, aber mangels Schüler seit 1974 geschlossen. Vor gut 20 Jahren hat man sich entschieden, den wunderschönen Holzbau zu restaurieren und als Ausstellung und Veranstaltungsort zu nutzen. Es ist nicht nur das das alte Inventar, das die Ausstellung so interessant macht – es sind auch die zahlreichen Lehrbücher aus verschiedenen Epochen, die dort frei ausliegen. Man kann einfach so in den Büchern schmökern. So zum Beispiel in einem Geschichtsbuch für die Mittelschulklasse aus dem Jahr 1938. Dort findet man dann so schöne Sätze wie:

我が國は夙に東洋平和の確保を以て國是とし、支那に對し常に善隣のお誠意をもつてその善導誘掖に盡力してきた。

— in etwa: “Unser Land hat seit langem eine nationale Politik zur Sicherung des Friedens im Osten verfolgt und immer sein Bestes getan, um China als guter Nachbar aufrichtig zu führen”. Ein einziger Satz, der als solcher bereits ausreicht, um zu sehen, wie die damalige Generation indoktriniert wurde. Das erinnert mich an ein altes (1920er) Knaur-Konversationslexikon, dass ich rund um 1990 auf einem Flohmarkt erstand. In dem Lexikon befanden sich diverse Zeitungsausschnitte, die der Vorbesitzer dort hinterließ. Darunter ein Zeitungsartikel aus dem Völkischen Beobachter, in dem beschrieben wurde, wie russische Auswanderer 1940 mitten in Berlin gegen die bolschewistische Diktatur in ihrer Heimat demonstrierten. So recht konnte ich mir das nicht vorstellen, aber natürlich passen Artikel wie diese und Schulbücher wie das obige bestens in jene Zeit.

Alte Schule in der Stadt Semboku, Präfektur Akita
Alte Schule in der Stadt Semboku, Präfektur Akita

Falls sich jemand für das alte japanische Lehrbuch interessiert (und des Japanischen mächtig ist) — ein paar Seiten aus dem Lehrbuch habe ich hier zum Download bereitgestellt.

tabibito
tabibitohttps://japan-almanach.de
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei der Tabibitos Blog empfohlen.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Soziale Medien

0FollowerFolgen
0FollowerFolgen
0AbonnentenAbonnieren

Neueste Beiträge

“Shogun”-Neuverfilmung: In Japan weitgehend unbekannte Schauspieler gewinnen Emmy

Am vergangenen Wochenende wurden in Los Angeles die Creative Arts Emmys vergeben, und bereits im Vorfeld war klar, dass...

Ramen Sugimoto (らぁ麺 すぎ本) in Aoba-ku, Yokohama

Ramen auf Salz- und Soyasaucenbasis — mit selbstgemachten, dünnen Nudeln und viel Beilage. Besser viel Appetit mitbringen!

Nerven aus Stahl

Manche Menschen haben wirklich Nerven aus Stahl. Das muss man auf jedem Fall dem Hyogo-Präfekturgouverneur Saitō lassen. Gegen den...

Postmortale Scheidung

Genauso wenig wie es postnatale Abtreibungen gibt, sollte es eigentlich auch keine postmortalen Scheidungen geben, möchte man jedenfalls meinen,...

Matsumae – der wohl japanischste Ort auf Hokkaido

Matsumae war aufgrund der Nähe zur Insel Honshu einer der ersten japanischen Stützpunkte auf Hokkaido – japanischer geht auf Hokkaido nicht

Wo und wie essen Japaner werktags eigentlich zu Mittag?

Diese Frage beschäftigte jüngst die Moderaten des Programms News NNN von 日テレ (Nittele), die sich dabei unter anderem auf...

Must read

Die 10 beliebtesten Reiseziele in Japan

Im Mai 2017 erfolgte auf dem Japan-Blog dieser Webseite...

Auch lesenswertRELATED
Recommended to you