Name:
Die Stadt (vorher ein Landkreis) heisst 郡上 Gujō, wobei das “gu” sonst meistens “gun” gelesen wird und als “Landkreis” übersetzt werden kann. “jō” bedeutet über. Wahrscheinlich wurde der Name im Bezug auf das Gebiet im Süden gegeben – als “Gebiet über dem (alten Landkreis) Mugi-gun”. Oft sieht man auch den Namen “Gujō-Hachiman”, aber das ist lediglich der Name der Burg.
Lage:
Gujō liegt fast genau 65 km nördlich des Stadtzentrums von Nagoya. Die Stadt selbst befindet sich in einem sehr engen Flusstal – im Stadtgebiet fliesst der Kodara-Fluss in den Yoshida-Fluss, und dann nur hunderte Meter weiter in den Nagara-Fluss, der von hier weiter nach Gifu und von dort in die Ise-Bucht fliesst.
Ansehen:
Die Burg Gujō-Hachiman – und zwar nicht nur die Burg selbst, sondern auch die Burg von den nahegelegenen, den Burgberg überragenden Bergen. Das Stadtzentrum mit seinen alten Gassen und dem Kanalsystem.
Die Stadt Gujō ist offiziell eine Verwaltungseinheit mit Stadtrecht im Zentrum der grossen Präfektur Gifu. Gujō ist über 1’000 Quadratkilometer gross, hat aber nur rund 39,000 Einwohner. Mit 39 Einwohnern pro Quadratkilometer ist die Region sehr dünn besiedelt, zumal die meisten Menschen im Zentrum leben. Je mehr man Richtung Norden fährt, desto höher werden hier die Berge – der höchste Gipfel misst immerhin 1,810 m. Wie nahezu überall in der japanischen Provinz leidet die Gegend unter Bevölkerungsschwund und Übralterung – den 1960ern lebten hier über 60’000 Menschen.
Bekannt ist die Stadt landesweit für seine famose Burg, das Fest “Gujō-odori” sowie das ausgeklügelte Kanalsystem im Stadtgebiet.
Beschreibung
Gujō ist ein weitläufiges Gebiet — die Verwaltungseinheit als solche gibt es erst seit 2004. Das Zentrum der Region ist 八幡町 Hachimanchō (chō = Stadt), und hier steht auch die berühmte Burg. Oftmals wird der Ort auch Gujō-Hachiman genannt, aber das ist keine offizielle Bezeichnung. Die Stadt erstreckt sich in einem schmalen Tal mit drei Flüssen auf rund 200 Meter Höhe über dem Meeresspiegel. Umgeben ist die Stadt von 800 bis 1’200 m hohen Bergen. In Hachiman leben heute rund 15’000 Menschen.
Hachiman entstand als Burgunterstadt, aber die bebaubare Fläche ist in dem engen Tal arg begrenzt, weshalb dicht an dicht gebaut werden musste – das ist natürlich auch heute noch so. Im 17. Jahrhundert entwickelte man ein raffiniertes Kanalsystem, mit dem Wasser aus den Flüssen durch die Stadt geleitet werden, um im Falle einer Feuersbrunst schnellstmöglich löschen zu können. Im Zusammenhang damit entwickelte man damals auch eine besondere Art der Wassernutzung – die sogenannten 水舟 mizubune (“Wasserschiffe”). Im wesentlichen handelt es sich um einen länglichen Trog mit drei Stufen, die permanent vom Wasser durchflossen werden. Das Wasser stammt aus Quellen und vom Schmelzwasser. Die obere Stufe dient zur Trinkwasserentnahme, die nächste Stufe zum Waschen von Obst und Gemüse und dergleichen, die letzte Stufe zum Abwaschen von Geschirr. Danach fliesst das Wasser durch Sammelteiche, in denen Koi (japanische Karpfen) und andere Fische gehalten werden. Die können sich durch das, was vom abgewaschenen Geschirr hereingespült wurde, ernähren. Derart gefiltert wird das Wasser dann in die Flüsse weitergeleitet.
Die Kanäle und die “Mizubune” werden noch immer gepflegt und teilweise auch noch so wie früher genutzt. Vor rund 400 Jahren entstand so also ein nachhaltiges Wassernutzungskonzept, das bis heute Bestand hat. Allerdings ist das Wasser für die Stadt nicht nur Segen, sondern gelegentlich auch Fluch – ein Teil der Stadt liegt im Überschwemmungsgebiet, so dass es regelmässig zu Hochwasserschäden kommt (allerdings ist der historische Kern relativ sicher, da dass Flusstal einige Meter tief ist).
Gujō-Hachiman verfügt über eine noch immer ziemlich intakte Altstadt und wird deshalb gern auch als 小京都 Shōkyōto – als “Kleines Kyōto” – bezeichnet. Ein Prädikat, das etlichen japanischen Kleinstädten verliehen wurde, so sie eine intakte Altstadt haben. Die von Hachiman nennt sich Honmachi und lässt sich am besten bei einem Spaziergang von der Miyagase-Brücke Richtung Norden erkunden. Die Altstadt ist sehr kompakt, hat viele schöne alte Läden und zahlreiche kleine Gassen. Nahe der Altstadt beginnt auch die Serpentine zur Burg, die da auf einem kleinen Hügel über dem Talkessel thront.
Die Burg 郡上八幡城 Gujō-Hachiman-jō ist der Nachfolger der Akadaniyama-Burg, die nach einem heftigen, 10 Tage lang dauernden Gefecht zwischen dem Tō-Clan und dem Endō-Clan 1559 vom Endō-Clan errichtet wurde, und gehört zum Typ Hirayama-jiro, einer “Hügelburg”, die auf einem Hügel stehend das Tal überblickt. Die Burg wechselte mehrfach den Besitzer, hatte aber ununterbrochen bis 1869 Bestand. Mit dem Beginn der Meiji-Restauration fiel die Burg dann jedoch, wie die meisten anderen Burgen auch, der Neuorganisierung des Landes und der damit einhergehenden Abschaffung der Han genannten Lehen zum Opfer – die Burg wurde bis auf den Steinsockel geschliffen. Doch während etliche Burgen erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts restauriert wurden, wurde diese bereits 1933 restauriert. Der heute sichtbare Hauptbau ist also über 80 Jahre alt, und, wie es sich gehört, aus Holz gebaut – das macht die Burg zur ältesten, mit Holz restaurierten Burg in Japan. Und für 320 Yen kann man von 9 bis 17 Uhr die Burg betreten und bis nach oben gehen – ausser am Jahresende, denn Gujo-Hachimanjo ist vom 20. Dezember bis zum 10. Januar geschlossen.
Auf (eher unoffiziellen) Ranglisten liegt diese Burg allerdings nur auf Rang 141 – es gibt also 140 prächtigere oder wichtigere Burgen in Japan. Und dennoch ist Gujo-Hachimanjo sehr bekannt. Mit etwas Glück kann man nämlich etwas besonderes erleben: Die Burg, wie sie über einem Wolkenmeer thront. Ideal dafür ist die Zeit zwischen Ende Oktober und Mitte Januar, wenn mit etwas Glück eine dünne, sehr tiefliegende Wolkenschicht das Flußtal bedeckt und der Burghügel gerade so herausragt. Dazu muss man allerdings sehr, sehr früh aufstehen, und auch sonst sehr viel Glück haben, denn selbst in den Wintermonaten bietet sich dieser Anblick nur selten. Ausserdem muss man den richtigen Punkt finden – auf der Landstrasse 256 zum Beispiel, die sich vom Ort Richtung Südosten durch die Berge schlängelt.
Wer das Wolkenmeer nicht sehen kann, hat vielleicht etwas Glück nach einem Unwetter, wenn sich möglicherweise ein Regenbogen über der Burg zeigt – aber dazu braucht man möglicherweise mehr Glück als beim Wolkenmeer (das Foto oben entstand kurz nach einem Schneeregenschauer Ende Dezember). Man kann übrigens natürlich mit dem eigenen Auto versuchen, eine gute Stelle zum Fotografieren zu finden, aber auf der ganzen Serpentinenstrecke scheint das Anhalten verboten zu sein, weshalb es sich mitunter lohnen könnte, mit einem Taxi hochzufahren – die Fahrer wissen, von wo man die Burg gut sehen kann, und wo man das Auto abstellen kann.
Gujo ist auch bekannt für das 郡上おどり Gujō-Odori (Odori = Tanz), eine Veranstaltung, die zu den Bon-Odori gehört. Bon-Odori bedeutet Tanz und Musik, meist im August, zu Ehren der Verstorbenen, deren Seele zu dieser Zeit auf die Erde zurückkehren. Bon-Odori gibt es überall in Japan, doch das in Gujō wird zu den drei grössten Bon-Odori in Japan gezählt (die anderen beiden sind das Awa-Odori in Tokushima und das Nishi-mo-nai-Bon-Odori in Ugomachi, Akita). Das Bon-Odori ist ein wahrer Marathon – es findet an 32 Nächten zwischen Mitte Juli und Anfang September statt – mit dem Höhepunkt vom 13. zum 16. August jeden Jahres. In diesen vier Tagen reisen bis zu 250’000 Besucher von außerhalb an – in eine Stadt mit 15’000 Einwohnern, wohlgemerkt.
Anreise
Wer mit der Bahn anreist, kommt meistens nicht um den Bahnhof 美濃太田 Mino-Ōta herum – der liegt auf der JR-Takayama-Linie und verbindet Takayama mit Gifu und Nagoya. In Mino-Ōta beginnt die private, lokale Bahnlinie 越美南線 Etsumi-Nansen, betrieben von der Nagaragawa-Bahngesellschaft. Diese verbindet Mino-Ota am nördlichen Rand der Nagoya-Ebene mit Hokunō tief in den Bergen. Von Mino-Ota braucht der Zug rund 1¼ Stunden und kostet 1’380 yen für die einfache Fahrt (von Nagoya bis Mino-Ota braucht man rund 40 Minuten mit dem Express). Ab Mino-Ota kann der Railpass nicht benutzt werden.
Wer bequemer reisen möchte, kann auch auf Fernbusse zurückgreifen – die fahren zum Beispiel ab Gifu und nutzen die mautpflichtige Schnellstrasse 東海北陸自動車道 Tōkai Hokuriku Jidōshadō, die hier das Land von Nord nach Süd durchquert. Die kann man natürlich auch mit dem eigenen Auto benutzen.
Übernachtung
Keine speziellen Tipps, da auswärts übernachtet. In der Stadt gibt es nur wenige Hotels, Pensionen und Ryokan, die allersamt eher auf der teureren Seite sind. In der Umgebung gibt es ebenfalls ein paar schöne alte Ryokan, die aber mitunter nur schwer ohne eigenes Gefährt erreichbar sind.
Zu allgemeinen Übernachtungstipps siehe Übernachtungstipps Japan.
Gujo Hachiman ist eine Reise wert. Leicht von Gifu aus mit dem Bus zu erreichen. Wir hatten 2019 Anfang April Schnee , Sonneschein und Kirschblüten gleichzeitig.
Für uns nicht japanisch Sprechende war schon der Kauf der Busfahrkarte ein Erlebnis.
5 Sterne würde ich auch geben.