Recherchiert man ein bisschen über Ramen in Tokyo, vor allem in den sozialen Netzwerken, so stößt man irgendwann unweigerlich auf eine seltsame, hervorstechende Variante: Nudeln in einer bläulichen Suppe. Das sieht irgendwie schön aus, ist aber auch etwas verwunderlich – schließlich sieht man die Farbe blau in diesem Zusammenhang eher selten.
Auf die Idee kam das Ramenrestaurant Kipposhi mitten in Shibuya. Das Restaurant liegt nur 5 Minuten zum Fuß vom Bahnhof entfernt, aber es liegt dennoch sehr versteckt – in einem Wohnhaus mit Geschäften in der unteren Etage. Im Kellergeschoß befindet sich ein Convenience Store, aber der Ramenfreund muss die Treppe hoch und einen dunklen Gang entlang gehen.
Ich besuchte Kipposhi an einem Werktag, kurz nach 14 Uhr, und war überrascht – nicht nur, dass ich nicht anstehen musste – ich war sogar der einzige Kunde. Eine Zeit lang geisterten viele Bilder der blauen Ramen durch das Internet, doch das war offensichtlich eine Weile her. Und so kam ich auch schnell mit dem Besitzer ins Gespräch – wir fanden schnell heraus, dass wir das gleiche Alter haben und offensichtlich auch einen ähnlichen Musikgeschmack.
Die meisten Ramengerichte sind auf Hühnerbasis und kommen in zwei Varianten – 鶏清湯 und 鶏白湯, ersteres ist eine sehr klare Hühnerbrühe, letztere eine trübe, cremige Suppe auf Hühnerbasis. Die blaue Variante gehört zur Torichintan-Variante (wäre sonst auch sehr verdächtig) und ist wirklich fotogen – man denkt unweigerlich an eine schöne Meeresbucht. Der Geruch ist eindeutig Huhn, und geschmacklich läßt sich das Federvieh auch nicht leugnen – man schmeckt zudem etwas Knoblauch und noch etwas anderes, wobei ich mir nicht sicher war, ob es Iriko (getrocknete Sardellen) waren oder etwas ähnliches. Auf jeden Fall ist der Geschmack leicht, nicht aufdringlich und mit exakt der richtigen Menge Salz. Auch das Solei schmeckt, ebenso die dünnen Scheiben schneeweißen Hühnerfleisches, die allerdings geschmacklich sehr zurückhaltend waren. Eine leichte, nicht stopfende Ramenmahlzeit.
Wie kam es zu den blauen Ramen? Der Meister will das Geheimnis zwar nicht verraten, aber er hatte wohl 2017 die Idee, etwas zu experimentieren, da er mit seinem Restaurant an einem Scheideweg angelangt war. In der Tat – die Konkurrenz ist riesengroß, vor allem in Tokyo, und wer Erfolg haben möchte, muss sich etwas ausdenken und kreativ werden. In dem Sinne ist Kipposhi auch der lebende Beweis, dass bei Ramen so ziemlich alles geht – bei dem Gericht kann man seiner Kreativität freien Lauf lassen.
Es gibt auch Ramen mit einer grünlichen Suppe (mit Weintrauben!), einer roten Suppe und andere Spielarten. Besonders eine, mit Jakobsmuschel, sah sehr verlockend aus, weshalb ich wohl noch ein Mal vorbeischauen werde…