Hat man eine japanische Familie oder ein paar gute Freunde in Japan, und lebt man außerdem noch in Japan, kommt man früher oder später nicht um eine Beerdigung herum, ob man mag oder nicht. Die findet in Japan in fast alle Fällen nach buddhistischen Ritualen statt – und in fast allen Fällen wird eingeäschert (火葬). Die Erdbestatttung (埋葬) ist nahezu unbekannt, und es fehlt dementsprechend komplett an der Infrastruktur, was muslimische und jüdische Gläubige vor ernsthafte Probleme stellt. Was nach der Bestattung bleibt ist die Urne – und die gehört normalerweise ins Familiengrab, doch das ist eine ganz andere Geschichte, denn die Regeln dafür, wer ins Familiengrab darf und wer nicht sind relativ streng und teils etwas undurchsichtig.
Nach dem Ableben einer Person und der Ausstellung des Totenscheins wird der Leichnam in der Regel ein paar Tage bis rund eine Woche zu Hause aufgebahrt – eine Zeit, in der die Familie, aber nach Absprache auch gute Freunde Abschied nehmen können. Vor dem letzten Tag des Aufbahrens findet die 通夜式 statt, die Totenwache, die zumindest Europäern nicht ganz unbekannt ist. Hier wird ein buddhistischer Priester eingeladen, in dessen Gegenwart zusammen gegessen und gebeten wird, wobei es jedoch sicherlich auch genügend Familien gibt, die den Priester weglassen. Die buddhistische Komponente ist ohnehin etwas schwierig, denn die Gebühren sind mitunter sehr, sehr teuer: So ist das Ritual des 戒名, das Erstellen eines buddhistischen Totennamens, üblich: Jener soll verhindern, dass der oder die Verstorbene bei Ausrufung des vormaligen Namens gestört wird. Je länger und komplizierter der neue Name, desto besser – und desto mehr kostet er. So kann der neue Name gern mal mehr als eine Million Yen (also 6000 Euro und mehr) kosten.
Während der Totenwache bleiben die Angehörigen die ganze Nacht lang wach und erzählen sich Anekdoten über die verstorbene Person – bis zum Morgen. Am folgenden Tag findet die 告別式 statt – die Totenfeier, zu der, je nach Anweisung der oder des Verstorbenen Familienangehörige, Freunde, Arbeitskollegen und andere Weggefährten eingeladen werden – oder auch nicht. Als Gast überreicht man dabei ein in einen speziellen Umschlag gelegtes 香典, das Beileidsgeschenk. Das variiert stark – je näher die Verwandschaft, desto mehr (bis zu 100’000 Yen), je älter der Eingeladene, desto mehr (geht es um Weggefährten, Kollegen oder entferntere Verwandte, sind bei 20-jährigen rund 5000 Euro, bei über 30-jährigen 10’000 yen usw. angemessen). Dafür bekommt man – in der Regel – eine Tüte überreicht, die ein symbolisches Dankeschön enthält, wie zum Beispiel Süßigkeiten.
Nach der Feier – diese dauert mehrere Stunden und wird durchaus von einigen Familien auch ausgelassen – erfolgt der 出棺, der Transport des Sarges zum Krematorium, wo man sich wieder einfindet – je nach vereinbartem Termin kann das am gleichen Tag sein, üblicher sind jedoch ein paar Tage später. Hier hat man die letzte Gelegenheit, den oder die Verstorbene zu sehen. Dabei legt man Blumen mit in den Sarg – oder ein Stück der Lieblingskleidung, oder auch Briefe und Photos. Während der Einäscherung selbst dann, die meistens ein bis zwei Stunden dauert, kommt man wieder zusammen, um bei Getränken und Snacks noch einmal über den oder die Verstorbene zu reden.
Das darauf folgende Ritual ist in Europa eher unüblich: Man findet sich wieder zusammen, um dabei zu sein, wie ein Angestellter des Krematoriums die Knockenreste und Asche in eine Urne füllt. Dabei treten jeweils zwei Trauergäste an das Tablett mit den Überresten und nehmen zusammen mit jeweils einem Paar Stäbchen einen Knochen auf, um ihn gemeinsam in die Urne zu legen. Dieses 収骨 oder auch 骨上げ genannte Ritual ist exakt der Grund, warum man in Japan niemals etwas mit den Stäbchen nimmt, was ein anderer noch in den Stäbchen hält, denn dieser Vorgang ist streng dem Beerdigungsritual vorbehalten und erinnert somit unweigerlich an den Tod einer geliebten Person.
Bei dem Ritual ist der Priester oder Angestellte vor allem nach dem zweiten Halswirbel aus, der in Verbindung mit dem Ritual 喉仏, “Halsbuddha”, genannt wird. Der zweite Halswirbel mit seiner hohlen Rundung und dem Sporn am hinteren Ende erinnert in der Tat etwas an einen meditierenden Buddha und soll verdeutlichen, dass Buddha in jedem Menschen zu Hause ist. Es werden aber auch andere Knochen erklärt – der Unterkiefer zum Beispiel, oder die Schädeldecke.
An dem Ritual nehmen auch Kinder teil, insofern sie bereits Stäbchen halten können – die Kinder kommen somit in sehr direkten Kontakt mit dem Tod, da sie hier erleben, wie sich ein geliebter Mensch innerhalb einer kurzen Zeit in Asche verwandelt.
Natürlich gibt es unglaublich viele kleine Details bei den verschiedenen Zeremonien, die auch noch je nach buddhistischer Sekte variieren, weshalb eine ausführlichere Auflistung niemals vollständig sein wird, doch im Normalfall begleiten Angestellte des jeweiligen Bestattungsinstitutes alle Stufen pietätvoll und geduldig, um den Angehörigen die Möglichkeit zu geben, so würdevoll wie möglich Abschied zu nehmen.