Nun doch schon: Das Staatliche Forschungsinstitut für Bevölkerung und Soziale Sicherheit publizierte jüngst neueste Forschungsergebnisse zum Thema Weltkriegstote in Japan. Die offiziellen Angaben darüber, wie viele Japaner im Zweiten Weltkrieg ihr Leben liessen, gingen bisher stets von circa 3,1 Millionen Toten aus – dabei bezog man sich wohlgemerkt nur auf die Jahre 1944 und 1945. Diese Zahl erwies sich jedoch als ziemlich grobe Schätzung – neuesten Forschungsergebnissen zufolge lag die wirkliche Zahl der Todesopfer eher bei 3,76 Millionen Toten. Der Grund für die hohe Ungenauigkeit liegt in der Art und Weise der Erhebung. Bevölkerungsstatistiken werden in Japan seit 1872 geführt, und ein wichtiger Eckpfeiler dieser Zahlen sind die Todeszahlen. Doch für die Jahre 1944-45 fehlen eben diese Zahlen – entweder wurden sie nicht erhoben, oder die Unterlagen gingen während der zahllosen Luftangriffe verloren. Um genauere Zahlen zu bekommen, extrapolierten Forscher nun die vor und nach dem Krieg erhobenen Daten. 3,76 Millionen ist dabei Zahl der Übersterblichkeit in 1944/45, verglichen mit den beiden Jahren davor. Bisher ging man davon aus, dass rund zwei Drittel der Kriegstoten Soldaten waren, die im Ausland fielen – bei den Kriegstoten in Japan handelt es sich, logischerweise, hauptsächlich um zivile Opfer: Allein die beiden Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki, der große Luftangriff auf Tokyo und die Schlacht um Okinawa bezahlten mehr als 400’000 Zivilisten mit dem Leben. Den neuesten Forschungsergebnissen zufolge ist der Anteil der Zivilbevölkerung jedoch wesentlich höher: Man geht nunmehr von circa 2 Millionen gefallenen Soldaten und mehr als 1,7 Millionen zivilen Opfern aus.
In Deutschland hingegen geht man von 6,35 Millionen getöteten Deutschen aus – 5,18 Millionen von ihnen waren Soldaten, 1,17 Millionen Zivilisten. Das waren damit rund 9% der Gesamtbevölkerung Deutschlands (und gut 5% der Gesamtbevölkerung Japans), die im Laufe des 2. Weltkrieges ihr Leben liessen.
Die Zahlen sind nach heutigem Maßstab unvorstellbar groß – aber das ist nichts Neues. Neu an den japanischen Zahlen (der Abstrakt des Berichtes ist hier einsehbar) ist, dass es doch viel mehr Opfer im eigenen Land gab, und das nicht nur durch die vielen Bombenangriffe, sondern sicher auch durch Hunger und andere Begleitumstände des Krieges.
Apropos Krieg: Nach einem außenpolitisch eigentlich recht gelungenen Start der frischgebackenen Premierministerin Takaichi hat sie es nun doch in weniger als einem Monat geschafft, die Beziehungen zur Volksrepublik China auf einen neuen Tiefstand zu bringen: Bei einer Parlamentssitzung merkte Takaichi an, dass die Regierung einen Angriff Chinas auf Taiwan als eine Gefahr für die Existenz Japans betrachten könnte – was übersetzt bedeuten würde, dass sich Japan militärisch einmischen könnte, denn die Selbstverteidigungskräfte dürfen nur in eben einer solchen Situation eingesetzt werden. Die Reaktionen auf China liessen nicht lange auf sich warten: Der chinesische Generalkonsul in Osaka, Xue Jian, kommentierte das mit “dieser dreckige Hals muss ohne jegliches Zögern abgeschlagen werden”. Die chinesische Regierung reagierte sehr gereizt und verlangte, dass Takaichi die Bemerkung zurückziehe – doch sie weigert sich. Die offizielle Position Japans zu dem Thema ist, dass nichts Neues gesagt wurde – diese Position Japans ist altbekannt.
Wie schon so oft in der Vergangenheit, wird der Streit nun von China immer weiter eskaliert: So sprach man nun eine Reisewarnung aus und bittet chinesische Auslandsstudenten, in Japan auf der Hut zu sein, da man eine Zunahme von Hassverbrechen gegenüber Chinesen erwartet. Das ist natürlich vollkommener Blödsinn – Takaichis Kommentar hat absolut gar nichts mit der Stimmung im Volk zu tun. Allerdings hört man – das ist nicht überraschend – viele Stimmen in Japan, die das zu erwartende Ausbleiben chinesischer Touristen in den kommenden Wochen, nun ja, eher gelassen sehen, um nicht zu sagen, ganz froh darüber sind. Das hat allerdings seinen Preis: Infolge des Streits zwischen Japan und China über die Senkaku-Inseln im Jahr 2012 ging die Zahl chinesischer Touristen über das Jahr gesehen um mehr als 25% zurück. Geschähe dies wieder, wird der wirtschaftliche Schaden für Japan bei rund 12 Milliarden Euro liegen – das Bruttoinlandsprodukt würde damit um 0,36% zurückgehen.
In dem Sinne – ja, Takaichi hat im Prinzip nichts Neues gesagt. Hilfreich war ihre Bemerkung vor dem Parlament dennoch nicht – niemand wird etwas davon haben. Weder Taiwan noch China noch Japan.
