BlogJapan im Visier des Islamischen Staates

Japan im Visier des Islamischen Staates

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Nun ist es also geschehen: Kaum hatte die japanische Regierung verkündet, rund 200 Millionen US-Dollar für nichtislamische Staaten bereitzustellen, damit diese den Islamischen Staat bekämpfen können (Japan darf ja zum Leidwesen der jetzigen Regierung aufgrund seiner pazifistischen Verfassung nicht selbst mitmachen, führte der Islamische Staat zwei japanische Geiseln vor: Die Reporter bzw. Fotografen Gotō und Yukawa. Die Szene kennt man ja bereits: Ein vermummter Mann mit Messer und eindeutig britischem Akzent steht neben den in orangenen Sachen knienden Gefangenen und droht. In diesem Fall soll nun also Japan binnen 72 Stunden oben genannte Summe an den Islamischen Staat zahlen – sonst werden die beiden enthauptet.
Die japanische Regierung liess daraufhin recht schnell verlauten, was sie von der Forderung hält: Nichts. Natürlich nicht. So also kein Wunder geschieht, droht den beiden Männern ein grauenvolles Schicksal. Das wird freilich nichts an der japanischen Aussenpolitik ändern. Aber es wird den Islamischen Staat etwas in den Mittelpunkt rücken, denn zwar wird darüber gelegentlich berichtet, aber wie es in Japan nun mal so ist: Man ist weit entfernt vom Geschehen und deshalb eher mäßig interessiert. Der Islamische Staat präsentiert sich hier nun aber so, wie man ihn gern von aussen sieht: Eine gottverlassene, verbrecherische und bigotte Zusammenrottung von Menschen, die irgendwo irgendwann ihrer Perspektiven beraubt wurden – oder denen zu viel versprochen wurde.
Für eine PEGIDA à la Dresden wird es freilich nicht reichen – in Japan dürfte die Zahl der Muslime bei schätzungsweise 30’000 liegen (siehe unter anderem hier), und die meisten Japaner werden wohl noch nie im Leben einen echten Moslem gesehen haben. Zumal man ja in Japan bereits schon seit langem ein liebevoll gepflegtes Feindbild hat: Koreaner und Chinesen. Und auf Hokkaido Russen.
Während die Tagesschau zum Beispiel darauf verzichtet, die Gesichter der Geiseln zu zeigen, zeigt man in Japan weniger Zurückhaltung: Das Video mit der Drohung flimmerte in voller Länge heute auf allen Kanälen:

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tabibito
tabibitohttps://japan-almanach.de
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei der Tabibitos Blog empfohlen.

5 Kommentare

  1. Na Klasse!
    Als wenn Japan nicht bereits genügend Sorgen hätte. Was haben die Amerikaner dem Herrn Abe eigentlich für einen Deal angeboten? Geheimklausel, TTP, Auslandseinsätze der Jieitai und jetzt Knete für Anti-Terrormaßnahmen.

  2. Ob es vielleicht doch noch Kanäle gibt, die Geiseln zu retten?
    Aber dieser angebliche Staat ist keiner…
    Aber Japan ist bekanntlich aufmerksam, wenn es um Aufnahme von Ausländern geht.

  3. Der Herr Augstein hat neulich eine schöne Analyse über Islam und Islamismus vorgestellt: http://www.spiegel.de/politik/ausland/jakob-augstein-ueber-anschlaege-in-paris-und-unser-verhaeltnis-zum-terror-a-1013013.html
    Da gibts eigentlich wenig hinzuzufüge. Die sogenannte islamistische Bedrohung ist vor allem ein mediales Phänomen. Und die gesellschaftlich Abgehängten suchen sich ihre Nische, in welcher sie scheinbar gebraucht werden und eine obskure Stärke darstellen können.
    Ich hoffe mal, die Japaner sind im Umgang mit der scheinbaren “Bedrohung” umsichtiger als die patriotischen Europäer! Zumindest in L.E. gibt es einige, die dem Revanchismus einiges entgegenzusetzen haben.

  4. Laut Erfahrungen von Bekannten sind die Japaner gegenüber Muslimen und auch anderen Religionen recht positiv eingestellt. Da ich Muslim bin und im Sommer erstmals nach Japan zum Urlaub fliege, hoffe ich dass das auch so bleibt.
    Und zum “Islamischen Staat” gibt es in den deutschen Medien ohnehin genügend Stress (man sehe sich nur die Kommentare auf den Facebook-Seiten von Spiegel, Focus und Co. an). Dass das Ganze am Ende nichts mit Religion, sondern nur mit politischen und wirtschaftlichen Zielen diverser Staaten zu tun hat (Saudi-Arabien, USA und auch Deutschland um mal ein paar Beispiele zu nennen), begreifen die wenigsten.
    Übrigens, danke für die Antwort bezüzüglich meiner Frage zu dem Ebay-Gebrauchthandel.

    • Meiner Meinung nach ist Japan in Sachen Religion dem Idealzustand ziemlich nahe: Religion ist Privatsache. Japaner fragen nicht nach der Religion, und so sie es doch tun (das kommt allerdings sehr, sehr selten vor), geschieht dies in der Regel ohne Wertung.
      Ich glaube nicht, dass sich das so schnell ändern wird. Sicher, die Tatsache, dass der Islamische Staat sich so nennt, wie er sich nennt, wird in Zukunft bei vielen Leuten ungewünschte Assoziationen hervorbringen. Aber das gilt weniger für Japan.
      Sicher, viele Menschen in Deutschland und anderswo werden versuchen, den Islam mehr noch als früher für die im Namen des Islam begangenen Taten zur Rechenschaft zu ziehen. Aber siehe Terry oben: Es gibt durchaus viele Menschen, die begreifen, dass es um mehr geht als um Religion. Das Problem dabei ist, dass die Empörten in der Regel lauter sind als die Verstehenden.

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