BlogWerden Rüstungsexporte das neue Zugpferd der japanischen Wirtschaft?

Werden Rüstungsexporte das neue Zugpferd der japanischen Wirtschaft?

-

Das Stockholm International Peace Research Institute, kurz SIPRI, veröffentlicht alljährlich Anfang Dezember einen Bericht1 darüber, wer wo wie viel und warum Waffen kauft und verkauft. Dazu gehört auch eine Liste der 100 größten Rüstungskonzerne. In dieser Liste findet man fünf japanische Konzerne:

Weltweiter Rang 2023 Weltweiter Rang 2022 Firma Umsatz (Waffensparte) 2023, Millionen US Dollar Umsatz 2022 Veränderung
39 45 Mitsubishi Heavy Industries 3,890 3250 20%
65 67 Kawasaki Heavy Industries 2,060 1830 13%
71 83 Fujitsu 1,850 1270 46%
91 117 NEC Corp. 1,140 640 78%
96 118 Mitsubishi Electric Corp. 1,050 640 64%
Summe 9,990 7,630 31%

Die neuesten Zahlen zeigen, dass japanische Konzerne ordentlich zugelegt haben, was die Produktion von Rüstungsgütern anbelangt – allein die fünf größten Hersteller konnten zusammen ihren Umsatz um 31% im Vergleich zum Vorjahr steigen. Damit erreichen sie einen Gesamtumsatz von fast genau 10 Milliarden US Dollar. Das hat gleich mehrere Gründe:

  1. Weltweite Preisanstiege machen auch vor Rüstungsgütern nicht halt
  2. Das eigentlich pazifistisch ausgelegte Japan ist nunmehr weniger streng wenn es um Exporte geht
  3. Sicherheitsbedenken im ostasiatischen Raum sorgen für eine verstärkte Aufrüstung der japanischen Selbstverteidigungsstreitkräfte
  4. Die Kriege im Nahen Osten und in der Ukraine sorgen für eine höhere Waffenproduktion

1) und 4) sind Phänomene mit globaler Wirkung, weshalb es auch nicht verwundert, dass die großen deutschen Waffenschmieden ebenfalls zulegen konnten:

Weltweiter Rang 2023 Weltweiter Rang 2022 Firma Umsatz (Waffensparte) 2023, Millionen US Dollar Umsatz 2022 Veränderung
26 29 Rheinmetall 5480 4550 20%
66 64 ThyssenKrupp 1990 1930 3%
73 71 Hensoldt 1850 1660 11%
83 98 Diehl 1350 950 42%
Summe 10,670 9,090 17%

Dass deutsche Firmen hier etwas besser abschneiden ist nicht verwunderlich – nahezu jeder kennt zum Beispiel deutsche Panzer, doch japanische Rüstungsgüter sind weniger bekannt. Interessant ist auch, dass zwei der vier großen deutschen Rüstungsfabriken, Rheinmetall und Hensoldt, fast ausschließlich auf Rüstung spezialisiert sind, während alle 5 japanischen Firmen Mischfirmen sind: Bei Kawasaki Heavy Industries liegt der Anteil der Rüstungsgüter am Gesamtumsatz bei 16%, bei Mitsubishi Heavy Industries bei 12% und bei den anderen bei jeweils unter 7%.

Im Kontext gesehen legten die weltweit größten 100 Firmen um 7% zu – ihr Umsatz mit Rüstungsgütern betrug 2023 knapp 632 Milliarden US Dollar, was wiederum bedeutet, dass Deutschland und Japan jeweils nur einen Anteil von weniger als 2% am großen Kuchen haben. Allein Lockheed Martin Corp., weltweit die Nummer eins, produziert sechs mal mehr als alle fünf japanischen Firmen zusammen.

1976 beschloss die japanische Regierung, den Export von Waffen quasi gänzlich zu verbieten – man berief sich dabei auf den “Pazifistenartikel” 9 des japanischen Grundgesetzes und erliess 3 Grundregeln, die den Verkauf von Waffen in folgende Staaten strikt verbot:

  1. kommunistische Staaten
  2. Staaten, denen vom UN Sicherheitsrat ein Waffenembargo auferlegt wurde
  3. Staaten, die sich in einem internationalen, bewaffneten Konflikt befinden oder womöglich bald befinden werden

Diese drei Prinzipien wurden 2014 umgeschrieben und erlauben seitdem mehr Interpretationsspielraum. Auch Ex-Premier Abe arbeitete stetig an der Aufweichung des Paragraphen, bis sein Nachfolger Kishida schließlich Dezember 2023 den Weg ebnete für weit mehr Waffenexporte. Im Juni 2024 schließlich gab das japanische Parlament zum Beispiel grünes Licht für die Entwicklung eines neuen Kampfjets, bekannt als “Tempest”, der unter anderem zusammen mit Großbritannien und Italien entwickelt werden soll.

In dem Sinne wäre es nicht verwunderlich, wenn die japanische Regierung die Rüstungsindustrie als wichtigen Industriesektor anerkennt und damit beginnt, immer mehr Waffensysteme zu exportieren – schließlich hat japanische Technik im Ausland einen ausgezeichneten Ruf. Für mehr Frieden auf der Welt wird dies allerdings mit Sicherheit nicht sorgen, weshalb es durchaus auch Gegenstimmen in Japan gibt, doch die sind nicht besonders laut.

Eine Kawasaki C2 über der Stadt Kawasaki
Eine Kawasaki C2 über der Stadt Kawasaki
Kawasaki T-4 Trainingsjets der japanischen Luftwaffe - hier in Hokkaido
Kawasaki T-4 Trainingsjets der japanischen Luftwaffe – hier in Hokkaido
  1. siehe hier
tabibito
tabibitohttps://japan-almanach.de
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei der Tabibitos Blog empfohlen.

1 Kommentar

  1. Arbeit und Zeit zu vergeuden um Waffen zu produzieren dessen einziger Zweck das Zerstören ist, ist natürlich kein wirtschaftler Motor sondern genau das Gegenteil. Waffenexporte zerstören die Wirtschaft und den Wohlstand der Menschen nicht nur da wo Krieg ist sondern auch da wo die Waffen produziert werden, weil die freie Marktwirtschaft wie ein Kreislauf funktioniert.

    Rheinmetall sind so gut wie pleite und das trotz des Krieges in der Ukraine. Hohe Stromkosten durch die Russlandsanktionen usw..

    Ich würde die Zahlen anders interpretieren. Für mich zeigt es dass Deutschland und Japan beide wirtschaftlich enorm am absteigen sind, weil sie eben Waffen exportieren, anstatt die Zeit und Arbeit in etwas zu investieren dass Wohlstand und Freiheit fördert.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Neueste Beiträge

Uni-Aufnahmeprüfung “Kyōtsū Test”

Am vergangenen Wochenende war es also soweit: Nach einem guten Jahr Vorbereitung – in Form von im Schnitt 12...

Kyoto erhöht Kurtaxe auf bis zu 60 Euro pro Nacht

Am 15. Januar erschienen gleich zwei interessante Zahlen zum Thema ausländischer Besucher in Japan. Zum einen veröffentlichte die japanische...

Izu-Oshima – eine Mustervulkaninsel direkt vor der Bucht von Tokyo

Die Insel Oshima liegt nur 120 Kilometer entfernt vom Zentrum von Tokyo, ist aber so ländlich wie nur möglich. Ein echter Geheimtipp.

Universitätsaufnahmeprüfungen

Am Anfang jeden Jahres herrscht in vielen japanischen Familien mit 17 bis 18-jährigen Kindern Ausnahmezustand: Knapp 60% der Sprößlinge...

Wie viele Deutsche gibt es eigentlich in Japan?

Jüngst geisterte ein Artikel über die Ein- und Auswanderung von Deutschen nach Japan durch die DinJ (Deutsche in Japan)-Mailingliste....

Neujahr: Normaler Modus und Trauermodus

Ein Gesundes Neues Jahr darf ich der japanischen Tradition folgend eigentlich gar nicht wünschen, denn meine Familie befindet sich...

Must read

Die 10 beliebtesten Reiseziele in Japan

Im Mai 2017 erfolgte auf dem Japan-Blog dieser Webseite...

Auch lesenswertRELATED
Recommended to you