Grundschulabschlusszeremonie. Alle nehmen an einem Wochentag am Morgen in der unterkühlten Turnhalle der Grundschule Platz. Irgendwann gegen 9:30 sagt die Zeremonienmeisterin: “Jetzt geht es los”. Man beginnt mit dem kürzesten Teil des Programms – dem Absingen der Nationalhymne “Kimigayo”, was keine Minute dauert. Und herein kamen die nun Ex-Grundschüler, und zwar einer alle zehn Sekunden. Mal 100 Schüler. Wobei jeder Schüler einzeln vom Eingang am Ende der Turnhalle nach vorne schreitet. Währenddessen spielten Schüler der 5. Klasse ein Lied. Ein langes Lied. Es folgt: Das Absingen der Schulhymne. Danach hielt man sich nicht lange auf, und rief jeden einzelnen Schüler nach vorne, namentlich natürlich. Dort wurde den Schülern eine Urkunde überreicht, bevor sie dann an einem Tisch mit Lehrern vorbeiliefen, bei denen sie sich einzeln verbeugten. Dabei wurden die Eltern angehalten, zu klatschen. Das dauerte rund 15 Sekunden pro Schüler – macht also rund 25 Minuten pausenloses Klatschen. Was folgt, ist wieder Musik.
Danach bauen sich alle Sechstklässler (also die Grundschulabsolventen) auf der Bühne auf und sprechen ein Programm durch: Jeder Schüler sagt dabei nur einen Satz oder gar einen Teil des Satzes. Was man von der Zukunft erwartet. Und welche schönen Erinnerungen man an die letzten sechs Jahre hatte. Und und und. Nach anderthalb Stunden tönt die Zeremonienmeisterin wieder, dass man nun am Ende der Veranstaltung angelangt sei. Das ist natürlich eine Lüge, denn was nun folgt sind längere Reden der Direktorin, dann des PTA-Vorsitzenden (quasi der Elternbeirat), und des Vorsitzenden des Bildungsausschusses. Danach werden Briefe vorgelesen – Briefe ehemaliger Lehrer an die Absolventen. Darunter auch der Brief einer Lehrerin, die inmitten des Schuljahres den Job hinschmiss, da sie mit der Klassendisziplin, bzw. dem Mangel selbiger, nicht klar kam. Und es folgt wieder Musik: Lieder, gesungen von der 6. Klasse. Dann von der 5. Klasse. Ich fühle mich wie in einem Konzert. Hat hier etwa jemand “Zugabe” gerufen?
Nach zwei Stunden ist es soweit: Die Schüler verlassen den Saal. Richtig geraten: Einer nach dem anderen, was dieses Mal aber nur rund 5 Sekunden pro Schüler dauert, und hernach den letzten Teil der Veranstaltung einleitet: Das Elternfoto. Rund 35 Elternpaare pro Klasse wollen auf der Bühne versammelt sein, und keiner darf blinzeln, sonst heisst es: Noch mal! Natürlich blinzelt rund 10 Minuten lang immer irgend jemand. Nach gut 2½ Stunden ist alles vorbei, und man verabschiedet sich. Man sieht sich ja in zwei Wochen wieder, bei der Einschulungszeremonie der Mittelschule. Bis denne!
Man liebt sie einfach in Japan: 儀式 gishiki – Rituale bzw. Zeremonien. Seien es Hochzeits-, Firmen-, Schul- und viele andere Rituale. Ewig lange wird dafür geprobt, und ewig ziehen sie sich hin. Wer das nicht mag, muss einfach tapfer sein und still halten, denn kaum einer scheint sich daran zu stören – im Gegenteil. Man erwartet sie einfach, und viele geniessen sie sogar. Ich habe niemanden meckern gehört, und das machte die Sache für mich noch ein kleines bisschen schlimmer. Denn spätestens seit der Armee kann ich überbordende Rituale nicht leiden. Für die Kinder ist das allerdings natürlich ein ganz grosser Tag – in diesem Sinne: Augen zu und durch!
Na dann Glückwunsch an die Tochter, aber auch an den stolzen Vater fürs Zeremoniedurchhalten und den amüsanten Bericht :)
Hat sich deine anfängliche Beunruhigung bzgl der ハーフ-Thematik weiter im Großen und Ganzen als unbegründet gezeigt?
Tja, andere Laender, ander (Un-)Sitten.
Bei mir sind es jetzt schon 28 Jaehrchen, die ich das mitmachen muss. Kommen hinzu noch die Jahre von meinen inzwischen erwachsenen Toechtern und in Zukunft der “Spass” mit unserer Kleinen. Am 10. April steht mir das “niuenshiki” (oder Kindergartenaufnahme) bevor. Und dann wird es sich ueber einige Jahre wieder mit zahlreichen “events” hinziehen. Aber machen wir doch gerne, solange die Kleinen ihre Freude dabei haben. Und ein kurzes Nickerchen (wenn denn trotz der Geraeuschkulisse moeglich) ist ja auch nicht schlecht.