Es ist eine Weile her, das mich ein Film richtig mitgerissen hat – doch in diesem Jahr waren es bereits zwei Filme: “Don’t look up” mit einfach nur hervorragenden Seitenhieben auf die Personen und Geschehnisse der vergangenen Jahre (vor allem die Persiflage der Trump-Anhänger und von Elon Musk sind wahrhaft genial) sowie “Junk Head”. Letzterer ist ein japanischer Stop-Motion-Film, bei dem man sich beim Abspann verwundert die Augen reibt: Da taucht nämlich eine ganze Weile lang immer nur der gleiche Name auf: 堀 貴秀 Takahide Hori. Der 51-jährige Hori begann 2009 als Autodidakt einen Film zu produzieren – und zwar völlig allein. Regie, Drehbuch, Figuren, Set, Musik, Stimmen, Schnitt usw. usf. – alles stammt von ihm, und es dauerte über 4 Jahre, bis ein Kurzfilm fertig war.
Stop-motion bedeutet, dass der Film quasi durchweg fotografiert wird – im Schnitt braucht man 24 Fotos für eine Sekunde Film. Bei 101 Minuten Filmlänge ergibt das 140’000 Fotos mit jeweils minimalen Änderungen am Set. Normalerweise entstehen so eher Kinderfilme/Kinderfernsehen wie Shaun das Schaf, Pingu oder einige von Tim Burtons düstere Filme. Mit “Junk Head” erschliesst Hori jedoch ein ganz neues Genre, und was für eine Mischung er da hingezaubert hat: Science Fiction-Horror-Komödie beschreibt den Streifen wohl am besten.
Worum geht es? Die Menschen sind dank medizinischen Fortschritts quasi unsterblich geworden – allerdings auch unfruchtbar, und da Menschen letztendlich doch sterben, droht der Menschheit der Untergang. Man schickt deshalb einen Menschen namens Parton (wobei eigentlich quasi nur das Gehirn noch original ist) mehrere Kilometer in den Untergrund, wo die Maligan – seltsame, früher künstlich erschaffene und meistens sehr furchtbare Lebewesen – ein gewaltiges Labyrinth bevölkern. Partons Auftrag ist herauszufinden, ob sich die Maligan reproduzieren können, um so womöglich eine Heilungsmöglichkeit zu finden. Auch hier unten leben menschenähnliche Wesen, die allerdings im Laufe der Zeit ihre eigene Gesellschaft gegründet haben.
Parton übersteht die Fahrt nach unten nicht unbeschadet – er bekommt deshalb zwei Mal verschiedene Körper angepasst, mit denen er sich bewegen kann. Ausserdem ist er offensichtlich anfangs verwirrt und vergisst seinen Auftrag. Deshalb wird er von diversen Gestalten für verschiedene Aufträge eingespannt und trifft dabei auf besagte, furchtbare Lebewesen. Ein paar der Bewohner erkennen jedoch Partons Natur und sehen ihn als Gott an, dem geholfen werden muss.
Das Ende des Films ist etwas überraschend – lässt sich jedoch dadurch erklären, dass dies laut Hori Teil 1 einer Trilogie sein soll.
Der Film ist von Anfang bis Ende eine Überraschung. Die benutzten Materialien, die Ausleuchtung, die Fotografie, die grenzenlose Fantasie des Filmemachers – man hält einfach gute 100 Minuten lang den Atem an. Manche Szenen sind blanker Horror, und dennoch zerstreut Hori die aufkommende dystopische Stimmung mit einem sehr eigenen, ziemlich dunklen Humor.
Junk Head erschien 2021, heimste bereits zahlreiche Preise ein und ist momentan unter anderem bei Amazon Prime (im Abo) inbegriffen. Ein Rätsel blieb für mich allerdings ungelöst: Das Original ist angeblich Japanisch. Amazon sagt: Die Originalsprache ist Japanisch (laut Einstellung). Aber der Film ist letztendlich auf Koreanisch. Da hat Amazon wohl etwas durcheinandergebracht…
Dennoch: Absolut sehenswert. Junk Head ist etwas ganz, ganz Neues und schlichtweg genial.
Danke für den Filmtip ! Mich würde mal interessieren, falls du da Einblick hast, was aktuell die Japaner oder sonst so in deinem Umfeld an K- oder J-Drama’s geschaut wird. Vielleicht wärs ein Artikel wert ? Ich habe den Eindruck, dass in Deutschland vor allem dank Zugang über Netflix (oder auch z.B. Viki Dienst) das immer populärer wird, wobei J-Drama eher die Nische ist. Da scheinen die K-Drama’s von Themen/Machart ansprechender. Kürzlich schaute ich dank Fan-Subbern das japanische asadora “Okaeri Mone”, sehr interessant…weiterhin habe ich den Klassiker “Long Vacation” geschaut, auch ganz gut.