Rund 5 Minuten Fußweg vom Shibasaki-Bahnhof entfernt und damit ein bisschen abseits des Zentrums von Tokyo befindet sich das im Sommer 2022 eröffnete, kleine Ramenrestaurant Kamei – direkt an einer sehr belebten Straße. Das Innere ist geräumig, die Küche ist dabei so groß wie der Gastraum, und im ganzen Restaurant finden nur 10 Gäste Platz — alle sitzen am Tresen. Mit einer langen Schlange muss man rechnen, denn das Kamei ist ziemlich bekannt und schaffte es nur ein Jahr nach der Eröffnung auf die Titelseite der Zeitschrift Ramen Walker Tokyo.
Betrieben wird das Restaurant von einem sehr jungen Ehepaar — und den beiden kann man bereits von außen beim Arbeiten zusehen, denn der Mann produziert tatsächlich die Nudeln vor Ort (der Teig wird natürlich im Voraus gemacht, aber ausgerollt und geschnitten werden die Nudeln direkt vor Ort. Das besondere an den Nudeln hier — es handelt sich um 超多加水麺 — Nudeln mit einem sehr hohen Wassergehalt. Bei normalen Ramen-Nudeln kommen auf 100 Teile Mehl 30 bis 35 Teile Wasser. Bei den seit den 2020ern immer beliebter werden “überwässerten” Nudeln liegt der Wasseranteil bei über 50, und im Falle von Kamei sind es gar 58%, wofür man eine besondere Mehlmischung braucht.
Das Ergebnis sind relativ dicke Nudeln mit angenehmen Biss und einem deutliche Eigengeschmack. Diese Nudeln werden hier mit einer Suppe entweder auf Salz- oder auf Soyasaucenbasis gereicht, aber es gibt auch Aburasoba. Entscheidet man sich für 特製, also die Variante mit voller Ausstattung, bezahlt man mit 1’550 yen außergewöhnlich viel für die Schale Ramen, doch der Preis ist mehr als gerechtfertigt, denn mit der Schale Nudeln erhält man
• sehr dunklen, kräftigen, fermentierten Bambus (“menma”)
• ein großes Wantan mit Matcha-Teig und einer Füllung mit Entenfleisch
• ein Solei (“ajitama”) – mit eigens eingebranntem Logo
• drei Schreiben dünnen, leicht angegrillten Fleischs
• etwas Lauch
Auf den Tischen steht – das ist relativ selten – keinerlei Gewürz oder Essig. Das bedeutet, dass der Koch genügend Vertrauen in sein Gericht hat – man soll nicht “daran rumschrauben”.
Beide Suppen sind absolut vollmundig, die Beilagen sind ausnahmslos hervorragend – und die Nudeln passen wunderbar zum Gericht. Vorausgesetzt, man mag dickere, kräftige Nudeln. Die Suppe auf Soyasaucen-Basis fand ich einen Tick besser, denn das 鶏油, das Hühnerfett, trat bei der Salzbasisvariante etwas zu stark in den Vordergrund. Die Soyasaucenvariante jedoch war sehr, sehr nah dran an der perfekten Schale Ramen.
Das Ehepaar Kamei hat hier trotz des jungen Alters etwas ganz hervorragendes auf die Beine gestellt — schon das Zusehen, wie das Gericht entsteht, macht Spass. Hier haben sich zwei gefunden, die Ramen lieben und zur Perfektion treiben.