Wer schon einmal in Japan weilte, wird sicherlich hier oder da merkwürdige Gebäude bemerkt haben – oft erinnern sie an einen unglücklichen Versuch, eine Burg darzustellen, manchmal sind sie auch poppig, quietschbunt oder hochmodern – sogenannte Love Hotels, oder Stundenhotels, wie man sie im Deutschen beschreiben würde. Die Idee dahinter ist klar – hier kann man ein paar Stunden zu zweit verbringen, halbwegs anonym, in schalldichten Räumen, die nicht selten schwülstig-romantisch oder verspielt ausgestaltet sind. Eine Rezeption in dem Sinne gibt es nicht – Bildschirme oder andere Bedienflächen am Eingang zeigen, was für Räume gerade verfügbar sind, und wie man für selbige Zahlen kann. Einen Schlüssel gibt es dementsprechend auch nicht – der Raum wird nach der Transaktion entriegelt, und falls man mal kurz weg möchte, wird die Tür nach einer Minute wieder verriegelt.
Interessanterweise tauchen Love Hotels gelegentlich auch auf einschlägigen Buchungsportalen wie Agoda oder Booking.com auf, wo man dann ein Zimmer für eine ganze Nacht mieten kann. Und das habe ich neulich, aus rein beruflichen Gründen, versteht sich, auch mal gemacht. Einerseits, weil die Hotelpreise seit der Rückkehr der Touristen in Tokyo regelrecht explodiert sind, andererseits, weil mich das ganze auch etwas neugierig machte. Etwas seltsam ist das ganze ja schliesslich schon. Vor allem machte ich mir persönlich jedenfalls etwas Sorgen ob der olfaktorischen Lage.
Um es vorneweg zu nehmen: Ich war ziemlich begeistert. Die meisten Zimmer rund um Shibuya kosteten zu dem Zeitpunkt zwischen 30,000 bis 50,000 yen – vor einem Jahr war es kein Problem, ein Zimmer für 10,000 yen zu finden. Die Zimmer sind aber meistens allenfalls Kämmerchen, mit einem Minibad, einem Miniklo und einem rund 10 Quadratmeter großen Zimmer, in das außer Bett und Minischreibtisch nicht viel reinpasst. Das Love Hotel, in das ich mich für zwei Nächte einnistete, lag direkt am kirschblütengesäumten Meguro-Fluss, das Zimmer war gut 20 Quadratmeter groß, mit einem großen Bett (ist klar), Sofa, Tisch und allem. Von der Ausstattung erinnerte es ein bisschen an ein englisches B&B irgendwo auf dem Lande. Einzig das komplett verschlossene Fenster erinnerte daran, das man in Japan ist. Großer Fernseher, großes Bad mit großem Vorzimmer, selbst eine Minisauna gab es – und das alles mitten in Tokyo, für 10,000 Yen, also rund 75 Euro.
Von der Sauberkeit her war das Zimmer sauberer als etliche Business Hotels, und – ganz wichtig – es war komplett geruchsfrei. Das einzige, was an “Love Hotel” denken liess, war die Form des Gebäudes. Und noch ein wichtiges Detail: Es war ruhig im Zimmer. Absolut, 100%ig ruhig, und das, obwohl das Hotel ausgebucht war. In Business Hotels, aber auch in vielen normalen Hotels in Japan, sind die Wände sprichwörtlich aus Pappe. Schnarcht der Nachbar, beben da schon mal die Wände, wobei Trinkgelage oder lautes Fernsehschauen die Hauptgründe für potentiell schlaflose Nächte sind. Nicht so im Love Hotel – es war absolut ruhig, kein einziger Laut war zu hören. Das sollte in einem Stundenhotel natürlich selbstverständlich sein, aber es war trotzdem beeindruckend.
In ganz Japan gibt es weit über 5’000 dieser Hotels – und wenn etliche von diesen ähnlich sind wie das in Meguro, sind diese eine echte Alternative. Zumindest für die, die keine Skrupel haben, aktiv zur Kinderlosigkeit in Japan beizutragen…
Das Love Hotel ist durchaus eine gangbare Alternative, nicht zuletzt der grossen und geraeumigen Zimmer wegen und der absoluten Ruhe! Selbst die Vergnuegungen der Gaeste im Nachbarzimmer bleiben einem erspart, und eine Kollegin, die ich in den 80ern in Tokyo hatte (deutsche Gattin eines japanischen Medizinprofessors!), hatte damals schon auf Love-Hotels fuer ihre Reisen in andere Landesteile geschworen. Keine Formalitaeten, unkompliziert, geraeumig und vor allem sehr sauber. Verglichen mit dem Minizimmer im APA Hotel in Shinagawa, wo wir nach Rueckkehr aus Buntland zwangseinquartiert waren (Quarantaene wg Corona) waere das eine befreiende Alternative gewesen… ;-)
Offenbar haben die Terroristen diese Hotels noch nicht fuer sich entdeckt, und die Behoerden haben da auch noch nicht dran gedacht – man kann voellig anonym ein- und auschecken, und an den Kassenautomaten ist Barzahlung moeglich, so dass man keine Spuren hinterlaesst… ;-)
Man sollte allerdings an Verpflegung denken – auf das Fruehstuecksbuffet muss man verstaendlicherweise verzichten, und ausser Snacks und Getraenken gibt es am Automaten nur begrenzte Auswahl…
Witzig. Das ist ja größer als das Hotelzimmer, dass ich bei meinem letzten Japanbesuch hatte. Und das kein Love Hotel war. ^^