BlogStarker Yen und schwache Politik

Starker Yen und schwache Politik

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Seit Mai diesen Jahres kennt der Yen eigentlich nur noch eine Richtung: Die nach oben. Kurs zum Euro? Im April lag er noch bei über 125 Yen zum Euro, heute bei 108 Yen. Kurs zum Dollar? Im April zahlte man 94 Yen pro Dollar (und das war schon wenig), heute 83 Yen. Der Euro-Yen-Kurs liegt so tief wie seit 8 Jahren, kurz nach Einführung des Euro, nicht mehr. Der Dollar befindet sich gegenüber dem Yen auf dem tiefsten Stand seit 15 Jahren. Und ungefähr so lange ist es auch her, dass die Bank of Japan intervenierte, um den Yen zwangsweise abzuwerten. Ach ja: Vor knapp zwei Jahren hatte ich diesen Artikel hier geschrieben: Damals war der Yen von 165 auf 115 Yen pro Euro gefallen…
Was ist da eigentlich los? Und wann schlägt der Trend um? Das ganze ist, so man die Fakten betrachtet, recht bizarr. Ich versuche mal darauf als Nicht-Ökonom einen Reim zu machen: Aufgrund der Wirtschaftskrise in den USA fällt der US-Dollar und wird als Anlageziel unattraktiver. Auch die Staatshaushaltkrisen in Europa rücken den Euro nicht gerade in ein gleissendes Licht. Der chinesische Yuan? Zu unsicher. Also flüchten sich Devisenhändler und Finanzminister sowie Privatpersonen in traditionell sichere Anlageobjekte – Gold, zum Beispiel. Schweizer Franken. Und den japanischen Yen eben. Nun sollte das eigentlich das stolze Japan erfreuen, dass man scheinbar so viel Vertrauen geniesst. Dumm nur, dass der hohe Yen die japanische Exportwirtschaft abwürgt – und Japan ist bekanntlich ganz enorm auf Exporte angewiesen. Stimmen aus der Politik und der Wirtschaft rufen deshalb auch schon lautstark nach einer Intervention seitens der Bank of Japan – doch logischerweise sind Japans Handelspartner strikt dagegen, denn nur jetzt können sie billig in Japan verkaufen sowie gleichzeitig eigene Produkte attraktiver machen, da die japanischen Importe zu teuer werden.
So viel steht fest – die japanische Wirtschaft ist noch lange nicht über den Berg, und der starke Yen lähmt die Wirtschaft. Zwar scheint die Binnennachfrage während der letzten Monate leicht angestiegen zu sein; auch die Zahl der Firmenpleiten ist leicht rückläufig, doch viele kleinere und auch grössere Firmen zehren vom Eingemachten.
Die Politik hat natürlich derweilen nichts Besseres zu tun, als sich mit innerparteilichen Querelen zu beschäftigen: Bald wird der neue Parteivorsitzende der regierenden Demokraten gewählt – der Parteivorsitzende ist bei den Demokraten quasi auch der Ministerpräsident Japans. Und so streiten sich der amtierende Chef Kan, mit schwachem Rückhalt in der Partei und etwas mehr Rückhalt in der Bevölkerung mit dem erwiesenermassen reichlich korruptem Ozawa – jener hat starke Kräfte in der Partei hinter sich, ist aber in der Bevölkerung aufgrund seiner Skandale verrufen. Als ob es nichts Besseres zu tun gäbe!
Das Wort des Tages: 為替取引 kawase torihiki – “Umtausch – Handel”. Devisenhandel. Beliebtes Hobby auch vieler Japaner heutzutage.

tabibito
tabibitohttps://japan-almanach.de
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei der Tabibitos Blog empfohlen.

5 Kommentare

  1. Sie flüchten in den Yen und den schweizer Franken? Merkwürdig nur das auch der Yen gegenüber dem Franken eine Aufwertung hinlegt. So lag der Kurs schon mal über 130 Franken für 10000 Yen. Im Augenblick pendelt sich der Yen so bei 120 Franken ein. Auch dies ist noch immer ein sehr hoher Wert. Ich glaube ein Hauptgrund für den starken Yen ist die hohe Sparquote. Frau Watanabe hockt auf dem Geld statt dieses auszugeben. So bleibt nur zu hoffen, das sich dies bis zu meinem nächsten Japan-Besuch noch etwas zu meinen Gunsten ändern wird. Habe ich mir allerdings auch schon vor zwei Jahren, als Du ebenfalls über den hohen Yen geschrieben hast, gewünscht. Man sieht was es gefruchtet hat.

  2. Das ist mal eine schlechte Nachricht, denn als Japan-Tourist mache ich mir auch Gedanken über den starken Yen. Bei meinem letzten Urlaub 2007 waren 150 Yen noch 1 Euro wert, also z.B. eine Dose Cola aus dem Automaten hat 1 Euro gekostet, für eine Übernachtung in Tokyo habe ich um die 4000 (27 Euro) bezahlt. Wenn ich mir überlege dass für meinen geplanten Urlaub 2011 nun alles fast 50% teurer werden soll, verdirbt mir das schon die Laune :-(

  3. Jahaha, für Touristen ist das natürlich ganz besonders schlimm…

    Vielleicht sollte man noch ergänzend hinzufügen, daß die Bank of Japan auch keinerlei Spielraum mehr beim Leitzins hat.

    Der nächste Crash kommt bestimmt und dann wird sich zeigen ob die Spareinlagen tatsächlich existieren oder nur Betrügerstatistik sind.

  4. Bin grade auf deinen Blog gestossen. Viel, viel Wissen bzw. Recherche steckt dahinter. Aber, du hast hier nen paar Sachen angesprochen aber nicht zuende gedacht deswegen wollte ich noch meine zwei Yen dazu geben.
    Die japanische Regierung versucht schon seit je her den Yen günstig im Vergleich zu den Währungen der Industriestaaten zu halten. Man trauert ja immer noch der Bubblephase bis Ende der 80er hinterher. Solange scheint es, laut allgemeiner Meinung, der Wirtschaft ja auch ziemlich beschissen zugehen. Die Tatsache, dass viele “faule Kredite” nie getilgt wurden und der Staat durch expansive Geld und Fiskalpolitik versucht wieder und wieder Wachstum zugenerieren, ist ziemlich Kurzsichtig. Davon abgesehen versucht die japanische Zentralbank BoJ durch einen sehr geringen Leitzins und eine extreme Geldvermehrung die Währung zu drücken. Das klappt auch wunderbar, wenn Spekulanten risikofreudig sind. Nennt sich übrigens “Carry Trade”. Es ist so simpel wie genial, dass sogar die durch Frau Watanabe verkörperte japanische Hausfrau ein bisschen Carry trade machen kann. Aber was soll sie auch anderes machen. carry trade ist einfach Geld zu einem geringen Zins leihen in Yen (Finanzierungswährung) und dann in Ländern wie Australien mit einem hohen Leitzins, anzulegen. Frau Watanabe hat natürlich nur das sauer erarbeitet Geld von ihrem Mann in Australien angelegt. Es ist sicherer als Aktienspekulationen aber halt mit der Unsicherheit, des Wechselkurses. Das schöne ist, dass je mehr Carry Trade ausgeübt wird, desto höher ist die Nachfrage nach australischen Dollar und das Angebot des Yens ist dementsprechend hoch. Ergo fällt der Yen Kurs. Alle Carry Trader jubeln, da sie zu der Differenz des Kredit zinses und des Anlagezinses noch fette Kursgewinne machen. Dumm wenn allgemeine Unsicherheit aufkommt. Die ersten Raten verlassen, dass Schiff, was sie damit selbst zum untergehen bringen. Die Leittragende ist dann wohl Frau Watanabe. Sie kriegt in Japan keine Zinsen auf ihr Erspartes. Der einzige Trost ist, dass ihr Geld durch eine negative Inflationrate in manchen Jahren sogar mehr Wert ist;-)
    Was in diesem Jahr abgeht, scheint aber noch was anderes zusein, wie du schon geschrieben hast. Viele Marktteilnehmer haben das Vertrauen in US-Dollar und Euro verloren. Ich schätze mal bei USA liegts auch an der Wirtschaftsleistung bzw das ständige Handelsbilanzdefizit. Der Euro ist durch eine inhomogene Eurozone gebeutelt. Da ist Japan mit einer richtig netten Handelsbilanz, sehr konservativen und vorsichtigen Banken natürlich der “safe haven”. Zudem kommt natürlich noch, dass die chinesische Zentralbank sich wohl gedacht hat, dass soviel Dollar nicht gut sind und erstmal viel Yen gekauft hat.
    Hat bestimmt nix damit zutun einen Konkurrenten auszustechen.;-)
    Japan bzw die BoJ hat natürlich versucht einzuschreiten. Also Geld zudrucken:-D
    Die Unterstützung aus den westlichen Ländern fehlt natürlich total, da es ja ein schlechtes Beispiel für die Chinesische Finanzpolitik ist.
    Wobei die chinesische Regierung sowieso macht was sie will. Die versprochene Aufwertung dieses Jahr hat sich ja schon wieder ganz magisch umgekehrt.
    Aber die Amis können natürlich nur Nationen zum “floaten” ihrer Währung bringen, wenns sie sie besetzt haben:-(

    Nunja ich hoffe natürlich, dass ich falsch liege, aber ich glaube nicht, dass der Yen in nächster Zeit Aufwerten wird.

    so ich habe fertig. Hoffe nicht zu sehr mit meinen Ausführungen genervt zu haben.

    mfg Disco

  5. @Disco
    Das ist ja kein Kommentar sondern fast der Hauptartikel :-) Danke jedenfalls dafür, ich fand es sehr lehrreich. Hoffe auf mehr Kommentare von Dir!

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