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Spaß-Haikus: Die Top 100 des Jahres 2020 steht zur Auswahl

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Auch in diesem Jahr findet er wieder statt – der サラリーマン川柳コンクール Sarariman-Senryū*-Wettbewerb, ausgetragen von der der Daiichi Seimei Hoken (“Erste Lebensversicherung”). Und zwar zum 34. Mal. Heute wurden die Top 100 der “Kandidaten” vorgestellt, über die man vom 27. Januar bis zum 19. März abstimmen darf. Da diese Senryu immer ein herrlicher Spiegel der Zeit sind und zudem noch eine gute Sprachübung, möchte ich an dieser Stelle wieder eine kurze Auswahl vorstellen. Natürlich dreht sich dieses Mal vieles um Corona und das Home Office


下書きの shitagaki送信キーを sōshin key o猫が押しneko ga oshi
Übersetzung: “Emailentwurf – die Absendetaste – von der Katze gedrückt”.
Hintergrund: Das Wort -hara (vom Englischen “harrassment”) ist ein Modewort – es geht um Mobbing (power harrassment), sekuhara (sexuelle Belästigung) – und im Home Office auch, scherzhafterweise natürlich, um “Nekohara” (Belästigung durch Katzen). Katzenbesitzer wissen, was gemeint ist. Kaum will man ernsthaft am Computer loslegen, schon kommt der Vierbeiner und will unterhalten werden.
Typisch Home Office: Computer? Check! Monitor? Check! Maus? Check. Katze? Yep, ist da.
Typisch Home Office: Computer? Check! Monitor? Check! Maus? Check. Katze? Yep, ist da.


倍返し baigaeshi言えぬ上司に ienu jōshi ni「はい」返し“hai” gaeshi
Übersetzung: “Doppelt heimzahlen – kein Mut, kann dem Chef nur ein – ‘Jawoll’ erwidern”.
Hintergrund: “Baigaeshi” bedeutet “doppelt heimzahlen” und ist das Schlagwort der sehr beliebten Fernsehserie “半沢直樹 Hanzawa Naoki”. Interessant ist an diesem Haiku der Reim (baigaeshi – haigaeshi), eine im Japanischen eher selten verwendete Versform.


脱ハンコ datsuhanko進めるために susumeru tame ni判が要るhan ga iru
Übersetzung: Um Abschied vom Stempel zu nehmen einen Stempel ich verwenden muss
Hintergrund: In Japan muss jeder Schrieb mit einem Stempel (Hanko, immer mit roter Farbe) verwendet werden – Unterschriften sind unüblich. Gerade in Zeiten von Corona und Home Office erweist sich die Stempelei jedoch als Hindernis. Dieser Haiku zeigt dabei den Irrsinn der (in den meisten Fällen antiquierten und überflüssigen) Stempelei auf: Irgendein Firmenpapier besagt, dass jede Veränderung von unten nach oben abgestempelt werden muss – auch die Entscheidung, dass ab nun kein Stempel mehr benutzt werden soll.


会社へは kaisha e wa来るなと上司 kuru na to jōshi行けと妻ike to tsuma
Übersetzung: “Bleib zuhause” der Boss mir sagt, und “geh bloss zur Firma” das Weib
Hintergrund: Japanische Ehefrauen sind es einfach nicht gewohnt, dass die Ehemänner zu Hause sind – das sorgt für Spannung im Home Office. Während die Manager also versuchen, Richtlinien umzusetzen und ihre Mitarbeiter ins Home Office zu schicken, ist so manche Ehefrau darüber gar nicht froh und “ermuntert” ihren Gatten, doch hin und wieder mal im Büro vorbeizuschauen.


気づかない kizukanai理由はマスクか riyū wa masuku kaすっぴんかsuppin ka
Übersetzung: Unerkannt – liegt’s an der Maske oder dem ungeschminkten Antlitz?
Hintergrund: Seit Corona ist der Umsatz der Lippenstift, Rouge- und anderen Kosmetikartikel stark gesunken. Kajalstift und Co. verkaufen sich hingegen richtig gut. Aufgrund der permanent getragenen Masken – und auch des Home Office – sinkt die Schminkbereitschaft der Japanerinnen.


Die gesamte Liste der Top 100 kann man hier einsehen.
Zur Erinnerung: 川柳 senryū bedeutet wörtlich “Flussweide”, aber sie bezeichnen heute auch witzige Haiku (japanische Kurzgedichtform, mit 5-7-5-Silben). Den Namen bekam diese Sonderform jedoch nicht von der Trauerweide, sondern vom gleichnamigen Haiku-Meister. Der spezialisierte sich während der Edo-Zeit auf Haiku, die sich eben nicht mit der Natur beschäftigen. Ein senryu sollte folgendes haben: Ugachi, Okashimi, Karumi – “Treffsicherheit, Komik und Leichtigkeit”. Im Gegensatz zu Haiku ist Umgangssprache und moderne Sprache erlaubt bzw. sogar erwünscht.
Dem Thema habe ich in meinem Buch sogar ein ganzes Kapitel gewidmet.
Ältere Artikel zu den Senryu auf diesem Blog: Die besten Senryu 2016, 2015, 2013, 2009 und 2007.

tabibito
tabibitohttps://japan-almanach.de
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei der Tabibitos Blog empfohlen.

2 Kommentare

  1. Schöne Übersetzungsübung für Japanischlernende…
    Nekohara kommt mir auch bekannt, da sitzt man gerade in der Videokonferenz am Küchentisch und dann kommt von links unten ein laut forderndes “Mau? Maou? MAU!?”

  2. Wunderbarer Beitrag. Und tolle Stilblüten! Auch optisch ansprechend, wie die Haiku (mit Kanji) in Szene gesetzt wurden.
    Ich wusste von dieser Art gar nichts. Diese Art der künstlerischen und humorvollen Verarbeitung der Pandemie gefällt mir gut.

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