Die Gesetzesvorlage zur Einschränkung des Tabakkonsums liegt bereits vor – hernach soll zum Beispiel in Japan das Rauchen in öffentlichen Räumen, inklusive Gaststätten und Bars, bald gänzlich verboten werden. Die Begründung: Das macht man weltweit eben so, und da bald die Olympischen Spiele in Tokyo anstehen, wird es Zeit, ähnliche Regeln in Japan einzuführen. Wie genau das dann geregelt wird, ist zwar nicht ganz klar, da ja in Japan auch draussen oftmals bereits Rauchverbot besteht, aber dass das Gesetz verabschiedet wird, ist nur noch eine frage der Zeit.
Das Wohlfahrts- und Gesundheitsministerium scheint jedoch bereits einen Schritt weiter zu denken – demnächst soll nämlich nicht nur der nationale Tabak-, sondern auch der Alkoholkonsum gedrosselt werden¹ Eingeschränkte Werbung, höhere Steuern, regulierter Verkauf — die Maßnahmen sind denen der Tabakrichtlinie ähnlich. Angeblich wird da auch zusätzlich über ein Verbot DES japanischen Volkssports nachgedacht: dem 飲み放題 nomihōdai (=All You Can Drink). Dieser Volkssport hat in Japan eine lange Tradition, und das ganze ist mehr oder weniger direkt mit der Tatsache verbunden, dass nahezu alle Pendler und Studenten in den Großstädten mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren – diese aber je nach Linie zwischen Mitternacht und 1 Uhr nachts komplett den Verkehr einstellen. Die Zeit zum geselligen Beisammensein ist damit zeitlich stark begrenzt, weshalb man auf das altbewährte Mittel der Druckbetankung zurückgreift: Man zahlt also zwischen 1’500 oder 2’000 Yen (rund 15 Euro also) – je nach Etablissement mal mehr, mal weniger – und kann dafür 2 Stunden (auch das variiert je nach Lokal, aber 2 Stunden ist das übliche Maß) lang soviel Alkohol trinken wie man möchte.
Dass dieses Angebot die Menschen dazu verleitet, weniger verantwortungsbewusst zu trinken, dürfte klar sein. Unter Studenten ist das besonders extrem, da dort Trinkspiele sehr beliebt sind – und dank “All-you-can-drink” läuft man nicht Gefahr, sein Budget zu sprengen. Für Ausländer ist das meistens gewöhnungsbedürftig – ich konnte mich mit dem nomihōdai noch nie so richtig anfreunden, da es beinahe wie ein Zwang wirkt, trinken zu müssen bis die Zeit rum ist (“der Geiz treibt’s rein”). Von den All-you-can-drink-Zombies in den späteren Zügen mal ganz abgesehen. Hinzu kommt, dass viele Kneipen viel herumtricksen: Da werden die Getränke, selbst Bier, gestreckt bis es nicht mehr geht, und wer kurz vor Ende der Frist noch bestellen möchte, wartet plötzlich vergebens auf Angestellte im eigentlich sehr serviceorientierten Japan.
Sicher, echtes Bier ist in Japan vergleichsweise teuer. Whisky, Wein sowie vor allem dubiose Mixgetränke, die nur einen Zweck haben – den (Gelegenheits)trinker schnell und billig abzufüllen – sind in Japan billig, erst recht, wenn man die Preise ins Verhältnis mit anderen Preisen setzt. Japan war schon immer ein Paradies für Raucher und Trinker, doch wie es scheint, neigt sich diese Zeit auch in Japan dem Ende zu. Ob man das gut findet oder nicht, liegt natürlich im Auge des Betrachters. Verantwortungsvolleren Alkoholkonsum zu propagieren ist jedoch keine schlechte Idee. Überregulierung hingegen schon. Da dies alles mit den anstehenden Olympischen Spielen begründet wird, werden da sicher auch schon die ersten Japaner die Spiele verfluchen.
¹ Siehe unter anderem hier.
Wurde das in Deutschland nicht schon auch vor einer Weile abgeschafft, da sich einige Jugendliche damit ins Koma gesoffen haben?
Mich als Nichttrinkerin tangiert das eher wenig, außer dass ich hoffe, abendliche Feiern mit Japanern verlaufen nun eventuell etwas friedlicher und wir Frauen müssen uns weniger vor sexuellen Anzüglichkeiten durch angetüderte Kollegen fürchten. Aber so einfach wird das wohl nicht werden…
Die Entwicklung finde ich spannend, da in Deutschland schon vor einigen Jahren das “Flatrate-Saufen” abgeschafft wurde. Mal sehen wie viele Nomihodais ich hier so erlebe. Ein bisschen unheimlich finde ich diese Druckbetankung ja schon…