Die Aufregung war groß am Ende der vergangenen Woche – der Nikkei-Index, gemeint ist damit in der Regel der Nikkei-225-Index, erreichte nämlich ein Allzeithoch. Diese Nachricht liest man zwar über den DAX-Index immer wieder mal, doch dass der Nikkei-Index einen Rekordwert erreicht, geschah zum letzten Mal vor 34 Jahren. Dazu ein kurzer Vergleich der beiden Börsenindezes:
Der Unterschied wird sofort deutlich – natürlich hat der Dax auch seine Höhen und Tiefen, aber der allgemeine Trend ist klar — es geht aufwärts. Anders beim Nikkei – von 1970 bis 1989 ging es nahezu ununterbrochen bergauf, gefolgt von mehr als 30 Jahren Niedergang und Stagnation. Am 29. Dezember 1989 erreichte der Nikkei einen Wert von 38,957.44 Yen, im Jahr 2003 lag der Wert bei 7603.76 Yen. Am 22. Februar nun wurde die alte Rekordmarke geknackt, der Nikkei kletterte auf 39,156.97 Yen.
Mit dem steilen Anstieg des Nikkei Index verbanden alle Nachrichtensender nun die Frage, ob es sich hier um eine neue バブル (=bubble) handelt. Der Begriff ist verschieden konnotiert: Ökonomisch gesehen ist damit eine Blase gemeint (im Falle Japans der 1980er eine Immobilienplase), die natürlich irgendwann platzt, so eben auch in Japan geschehen. Eine andere Konnotation wird nur von Japanern verstanden, die vor 1970 geboren wurden – gemeint ist die Generation, die von der Immobilienblase profitierte. Salopp gesagt schwärmt diese Generation von einer Zeit, als “das Geld auf der Straße lag”. Eine Zeit, als die Gewinner der Spekulationsblase in der angesagtesten Disko von Tokyo, dem Juliana, oder in den Bars und Clubs an der Ginza lang und ausgiebig feierten, und sich auch sonst nicht lumpen liessen. Restaurants, Hotels, Taxifahrer — viele profitierten von dem plötzlichen Überfluss an Geld.
Die Situation ist dieses Mal jedoch anders. Schaut man sich die Meinung einiger Wirtschaftsexperten an — wie zum Beispiel in diesem Artikel der NZZ, handelt es sich hier nicht um eine plötzliche Überbewertung japanischer Aktien, sondern eher um eine Korrektur der Bewertung der 225 wichtigsten an der japanischen Börse gehandelten Unternehmen, denn das ist es, was der Nikkei 225 präsentiert. Gründe für den rasanten Anstieg des Nikkei sieht man eher in der hohen Liquidität infolge der extrem lockeren Geldpolitik der Bank of Japan. Da man für sein Geld nirgendwo mehr Zinsen bekommt, muss das Geld eben irgendwo anders hin – das sorgt für einen Sturm auf die Aktien.
Dieser Run auf japanische Aktien erfolgt nicht nur durch ausländische Anleger oder große inländische Funds, sondern vermehrt auch durch ganz normale Verbraucher, die vom NISA-System gebrauch machen: NISA steht für 少額投資非課税制度 – die Abkürzung leitet sich vom englischen Akronym “Nippon individual savings account” ab. Der sperrige japanische Name beschreibt das ganze schon ganz gut: “Steuerfreies Aktieninvestment-Model für Kleinbeträge”. Damit darf man maximal 1,2 Millionen Yen pro Jahr und 6 Millionen Yen insgesamt in Aktien investieren, ohne für die Gewinne Steuern zahlen zu müssen. NISA gibt es seit 2014 – als Anreiz dafür, die eigene und in Japan sehr schmale Rente aufzubessern. Laut dieser Quelle machten 2023 bereits 20 Millionen Japaner, also rund ein Sechstel der Bevölkerung, davon Gebrauch.
Aktienhoch hin oder her — die Realität sind weniger rosig aus, denn die japanische Wirtschaft verzeichnete zuletzt zwei negative Quartale in Folge, und der niedrige japanische Yen belastet im Importland Japan (nahezu alle Energieträger und andere Rohstoffe, aber auch die meisten Lebensmittel müssen importiert werden) die Haushaltskassen. Von den steigende Aktienkursen profitieren dabei sicher auch viele Menschen, doch die Mehrheit hat von der Hausse nicht allzu viel.
Interessant wird die Frage sein, wie sich der japanische Yen entwickelt — ein lang anhaltendes Aktienhoch könnte für vermehrtes Interesse im Ausland sorgen, und somit möglicherweise auch für die Umkehr des Verfalls des japanischen Yen. Das hängt aber auch von zahlreichen anderen Faktoren ab, wie zum Beispiel der Entwickung der chinesischen Wirtschaft und den geldpolitischen Entscheidungen der Bank of Japan.
Bei dem NISA gibt es aber bestimmt auch Einschränkungen, dass man an das Geld – wenn man steuerbefreit sein will – erst mit 60 oder 70 Jahren drankommt, oder? Und das heißt dann, dass man sich an einen festgelegten Fonds einer Bank wenden muss und nicht einfach beliebig einen ETF / Einzelaktien wählen kann?