Bisher war das in Japan kein Problem und absolut legal: Mit Postern und Megaphonen durch Wohnviertel ziehen und dabei laut verkünden, dass alle ethnischen Koreaner aufgehängt oder anderweitig ermordet werden sollen. Solche Demonstrationen sind in der Regel klein – die Teilnehmerzahlen sind oft zweistellig, wenn es hochkommt dreistellig. Doch Bekundungen dieser Art reichen trotzdem aus, um in den vor allem von zahlreichen ethnischen Koreanern bewohnten Vierteln wie zum Beispiel 大久保 Ōkubo (bei Shinjuku) für Verunsicherung zu sorgen. Das ist auch klar: Wer möchte zum Beispiel seinen Kindern so etwas zumuten? Gruppierungen wie die berüchtigte 在特会 Zaitokukai suchte sich natürlich gezielt Wohngebiete mit hohem Koreaneranteil beziehungsweise im Falle von Kyoto sogar eine koreanische Schule aus, denn das Ziel ist das gleiche wie bei allen anderen extremistischen, menschenverachtenden Gruppierungen: Man will Angst und Verunsicherung schüren.
In Japan waren bisher Verleumdungen und Drohungen strafbar, doch Volksverhetzung nicht. Japan ratifizierte 1995 das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (UN-Rassendiskriminierungskonvention und wurde mehrfach angemahnt, etwas gegen Volksverhetzung zu unternehmen, doch das hielt man bislang nicht für nötig. Jetzt wurde jedoch wenigstens eine Maßnahme gegen die im Neujapanischen ヘイトスピーチ hate speech genannte Krankheit Volksverhetzung getan: Nach einjähriger Diskussion im Parlament beschlossen Regierung und Opposition am 24. Mai gemeinsam, ein Gesetz gegen Volksverhetzung zu verabschieden – das ヘイトスピーチ対策法 hate speech taisaku-hō (Gesetz zu Massnahmen gegen Volksverhetzung).
So weit, so gut. Das ganze hat jedoch einen gewaltigen Haken: Das Gesetz verbietet Volksverhetzung nämlich gar nicht, und Strafen sind dementsprechend auch nicht vorgesehen – lediglich Massnahmen zur Eindämmung. Und die sollen am 3. Juni zu greifen beginnen. Dank dieses Gesetzes war es heute jedoch zum Beispiel dem Bürgermeister von Kawasaki möglich, einer ultrarechten Gruppierung eine Demonstration im Viertel Sakuragi zu verwehren. Dieses Viertel ist Kawasaki’s eigenes Koreanerviertel, und so kann die Demo nur einen Zweck haben: Gift zu sprühen und Hass zu verbreiten. Am 5. Juni sollte es soweit sein: Eine Hassdemonstration mit dem Titel 川崎発!日本浄化デモ第3弾 Aufbruch in Kawasaki: Die Säubert-Japan-Demo – dritte Auflage sollte in zwei Parks (Fujimi-Park und Inage-Park) stattfinden, doch zum ersten Mal gab eine Kommune dem Antrag nicht statt. Immerhin etwas. Wenn man sich jedoch mal wieder die Kommentare unter den betreffenden Meldungen (zum Beispiel hier) durchliest, merkt man schnell, dass nicht das Zaitokukai das Problem ist, sondern die zahllosen Unterstützer im Dunkeln, die sich nur feige-anonym im Internet dazu äussern. Rassismus in Japan ist ein nachwievor latentes Problem, und so richtig will keiner der etablierten Politker etwas dagegen unternehmen. Anders kann ich es mir nicht erklären, wie man ein Gesetz zur Volksverhetzung verabschiedet, ohne jene zu sanktionieren.
Wer wissen will, wie es auf einer japanischen Kundgebung der Ultrarechten so zugeht — einfach mal hier auf Youtube vorbeischauen – es gibt genug Material. Achtung – es wird laut.
Und ich dachte immer solche Probleme haben wir nur hierzulande.
Gibt es denn in Japan viele Menschen, welche solche untranationalen Ansichten vertreten?
Aber ja, und Rassismus ist hier noch hoffähiger! Wenigstens sind die Leute weniger aggressiv, aber manchmal kann man nur mit offenem Mund staunen, was da alles einfach so an rassistischem Gedankengut rausposaunt wird.
Hallo Tabibito,
wie sieht es denn mit Protesten von linksgerichteten Demonstranten gegen solche Aufmärsche aus? Ich will jetzt nicht “Antifa” sagen, aber gibt es eine vergleichbare Bewegung in Japan?
In Deutschland finden bei Nazi-Aufmärschen etc. ja quasi immer Gegendemonstrationen z.B. von der Antifa statt.
Viele Grüße nach Japan.
Eine Antifa als solche gibt es nicht (dazu fehlt hier die “Fa”) – der Rassismus ist hier zu omnipräsent und quasi normal.
Es stellen sich aber durchaus Menschen dagegen – das sind zum grössten Teil jedoch Pazifisten, viele darunter sind älteren Semesters. Kein schwarzer Block, sondern ein eher grauer Block, quasi.