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Neue Forschungserkenntnisse: Geschichte der Japanischen Sprache begann vor rund 9’000 Jahren mit Hirsefarmern in der Mandschurei

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Japanisch ist auf seine eigene Art eine einzigartige Sprache: Man benutzt vier verschiedene Schriftsysteme (von denen nur zwei wirklich Japanisch sind), eine komplexe Struktur sprachlicher Konstruktionen, die sich je nach Beziehung der Sprecher zueinander ändert, und eine Grammatik, die im Grunde genommen verblüffend einfach ist. Doch Sprachforscher sind sich schon lange einig, dass Japanisch keine Inselsprache ist – sie wird den Altaischen, manchmal auch Transeurasisch genannten, Sprachen zugeordnet, die sich über mehr als 8,000 Kilometer vom östlichen Rand Europas bis eben nach Japan erstrecken. Die bekanntesten Vertreter dieser Sprachen sind Türkisch, Koreanisch, Japanisch und Mongolisch, um nur die größten zu nennen.

Verteilung altaischer Sprachen in Eurasien
Verteilung altaischer Sprachen in Eurasien – Satoshi Kondo, CC BY-SA 4.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0>, via Wikimedia Commons

„Was ist mit dem Ungarischen?“ mag jetzt jemand einwerfen – das zählt jedoch zu den Uralsprachen, die, aber darüber gibt es gegensätzliche Meinungen, von zahlreichen Linguisten in der Uralo-Altaischen Sprachfamilie mit dem Altaischen vereint werden.

Nun veröffentlichte eine Gruppe Wissenschaftler unter Leitung von Martine Robbeets, eine Wissenschaftlerin mit dem Spezialgebiet Vergleichende Linguistik vom Max-Planck-Institut in Jena, eine Studie bei Nature1, in der man den Ursprüngen der altaischen Sprache nachging. Dazu bediente man sich einer Triangulation mittels sprachwissenschaftlicher, genetischer und archäologischer Erkenntnisse. Das Ergebnis ist interessant: Ging man bisher davon aus, dass das Japanische zum Beispiel in Wirklichkeit erst vor 3 bis 4000 Jahren entstand, wobei man sich nicht vollends über den Ursprung im klaren war, so zeigt die neue Studie, dass der Grundstein der altaischen Sprachen wahrscheinlich in der Jungsteinzeit, vor circa 9,000 Jahren, gelegt wurde – und zwar im Einzugsbereich des Liao-Flusses, also im heutigen Nordosten der Volksrepublik China beziehungsweise im Süden der Mandschurei. Damals siedelten dort hauptsächlich Hirsebauern, und in dieser Gruppe entstand eben das Ur-altaische, welches sich in den folgenden Jahrtausenden hauptsächlich gen Westen, gen Norden und Richtung Osten verbreitete. Wahrscheinlich erreichten die ersten Sprecher dieser Sprachen Japan über Okinawa und Kyushu. Erst dann begann die Diversifizierung, die das heutige Japanisch bilden sollten. Koreanisch und Japanisch haben dabei unter den altaischen Sprachen eine Sonderstellung, denn sie wurden massiv vom Chinesischen beeinflusst (in etwa im gleichen Ausmaß, wie germanische Sprachen vom Lateinischen beeinflusst wurden).

Der Ursprung der altaischen Sprachen wird hier vermutet
Der Ursprung der altaischen Sprachen wird hier vermutet

Die Studie war länger angelegt – bereits 2019 veröffentlichte das Forscherteam einen Bericht, dass die Hirseanbaukultur in Nordostchina beginnend den Fernen Osten eroberte2, und schon damals zog man linguistische Erkenntnisse hinzu.

Was bedeutet diese Erkenntnis, vorausgesetzt, sie ist so richtig? Zum einen bedeutet dies, dass Japanisch, beziehungsweise das Protojapanische, wenn man so will, wesentlich älter ist als angenommen.  Das Ergebnis bedeutet auch, dass die Verbindung mit dem heutigen China weit stärker ist als den Nationalisten lieb ist. Außerdem bedeutet dies, dass zum Beispiel türkische Muttersprachler es leichter haben, Japanisch zu lernen, aber das ist nicht wirklich neu. Eine Gemeinsamkeit haben die altaischen (und auch die uralischen) Sprachen nämlich – sie sind agglutinierend, sprich, fast alle grammatikalischen Funktionen wie Person, Zeit und dergleichen werden durch das „Ankleben“ von Endungen an Wörtern bewerkstelligt – bei etlichen Sprachen geschieht das bei verschiedenen Wortarten, im Japanischen hauptsächlich bei Verben und Adjektiven, da die Substantive in der Regel dem Chinesischen entlehnt sind und damit starr sind.

Interessant an der Studie ist hier das Interdisziplinäre – man hat drei ziemlich verschiedene Disziplinen bemüht, um einem komplexen Sachverhalt auf den Grund zu gehen. Denn so viel steht fest: Irgendeinen gemeinsamen Ursprung muss es gegeben haben – doch den zeitlich und örtlich festzumachen ist mit nur einer Disziplin nicht zu bewerkstelligen.

  1. siehe hier
  2. siehe hier
tabibito
tabibitohttps://japan-almanach.de
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei der Tabibitos Blog empfohlen.

1 Kommentar

  1. Hallo,
    9000 Jahre, ich kann mir gerade noch vorstellen das man verschiedene Volksstämme soweit zurückverfolgen kann, aber welche Sprache die hatten…. es gibt schliesslich keine schriftlichen Nachweise, da fehlt mir echt die Fantasy zu.

    „Das Ergebnis bedeutet auch, dass die Verbindung mit dem heutigen China weit stärker ist als den Nationalisten lieb ist.“

    Naja, das Japan viel von China bekommen und abgekupfert hat, ist nicht wirklich was neues, und das auch ein guter Teil der heutigen Bevölkerung dort ihre Ururururur… hatte auch nicht. Aber sowas vergessen Nationalisten gerne mal, so wie sie hierzulande gerne mal vergessen das viel Genetisches Material aus dem Römischen Reich stammt

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