BlogNeid auf europäische Verkehrsschilder | Vergriesgramtes Japan?

Neid auf europäische Verkehrsschilder | Vergriesgramtes Japan?

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So, da bin ich also wieder – zurück in Japan, nach einem 12-tägigen, teils berufsbedingten Abstecher nach Irland. Wo ich nach ein paar Tagen dachte: “Wow, 18 Grad! Es ist richtig warm!”. In der Mittagszeit, wohlgemerkt. Zur gleichen Zeit zeigte das Thermometer meiner Wetterstation in Japan 31,3 Grad an – um 22:00 Uhr, wohlgemerkt. Und obwohl ich im Winter manchmal denke “wenn ich alt bin, will ich lieber dort wohnen, wo es warm ist” (= Nicht in Tokyo!), habe ich die Iren ein bisschen um ihr Wetter beneidet, aber das ist Ansichtssache, denn alle Iren schimpfen auf den wie auch im letzten Jahr zu kalten Winter.

Aber ich schweife ab. In Irland habe ich mir wie üblich ein Auto geliehen, und dieses auch wirklich genutzt: Von Belfast bis Sligo, von Killarnay bis Waterford, von Athlone bis Dublin – es ging wirklich kreuz und quer durch das Land. Was mir dabei zwangsläufig auffiel, waren die Unterschiede der Verkehrsbeschilderung. Denn siehe da: es geht doch – es gibt sinnvolle Abbiegeverbotsschilder.

Rechtsabbiegen verboten-Schild in Irland
Rechtsabbiegen verboten-Schild in Irland
Rechts abbiegen verboten in Japan - hier mit Zusatz
Rechts abbiegen verboten in Japan – hier mit Zusatz

Das irische Schild ist einfach sinnvoll, denn es ist ein Verbotsschild: Rechts abbiegen verboten! Man sieht es sofort. Theoretisch gibt es auch in Japan ein ähnliches Zeichen – mit anderer Bedeutung, denn die japanische Version bedeutet, dass man zum Beispiel nicht einfach von der linken Spur zum Beispiel auf den Parkplatz eines Supermarktes auf der rechten Seite reinfahren darf – etwas, was die Polizei jedoch kaum kontrolliert geschweige denn ahndet.

Wie auch in Deutschland bevorzugt man das blaue Schild mit weißen Pfeilen, die angeben, wo man hinfahren darf. Ein absoluter Unsinn, wie ich finde: Als Autofahrer muss man ständig auf zig Verkehrsschilder achten, und im Prinzip darf man eigentlich überall hinfahren – ein blaues Schild aufzustellen, dass darauf verweist, dass man hier eben nicht überall hinfahren darf, ist da unangebracht, denn die eigentliche Nachricht des Schildes ist doch: Rechts abfahren verboten! Und nicht “ja, nach links und geradeaus dürfen sie fahren”.

Die japanische Polizei konzentriert sich bei Verkehrsdelikten da auch hauptsächlich weniger auf Geschwindigkeitsübertretungen, sondern auf Vergehen gegen diese Beschilderung. Das ist ziemlich gemein, denn die Schilder kommen oft mit Zusätzen wie “Außer Radfahrer” (nur auf Japanisch, wohlgemerkt), “gilt nur für Busse und LKW” oder “gilt nur von 7-9 Uhr” daher. Das ist leicht zu übersehen, weshalb es mich in 7 Jahren auch schon zwei Mal erwischt hat – siehe hier:

Und wieder 5 Jahre warten — Verkehrssünden in Japan

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Es war an einem hektischen Tag im November 2019 -- mit dem Auto fuhr ich die Route, die ich schon so oft gefahren bin...

Spaß im japanischen Schilderwald

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Als stolzer Nichtbesitzer eines Führerscheins kehre ich mich eigentlich nicht so viel um Strassenverkehrsschilder. Natürlich kenne ich 98%, da ich ja viel mit dem...

Ebenso angetan war ich von der irischen Variante des Vorfahrtsschildes. In Deutschland und den meisten anderen Ländern ist dies ja nur ein rechteckiges, rot-weißes Schild. In Großbritannien steht auf diesem Schild noch zusätzlich “Give way”, aber in Irland steht stattdessen “Yield” (= gib nach!). Wie im Mittelalter, wenn sich zwei Ritter begegnen: “Yield!” — “Never!”. Ich hatte jedes Mal den Ritter von Monty Python vor Augen, der versuchte, die Brücke zu bewachen…

In Japan gibt es weder Hauptstraßen- statt Vorfahrtsschilder — stattdessen wird einfach ein 止まれtomare (“Halt an!”) auf die Straßen gepinselt. Das erwies sich in der Geographie immer als äußerst praktisch, konnte man doch so nach einem 1-sekündigen Blick auf ein x-beliebiges Luftbild sofort sagen, dass es sich um Japan handelt.

Vorfahrtsschild in Irland
Vorfahrtsschild in Irland

Bei meiner Rückkehr fiel mir auch eines auf: Ich kann mich noch gut erinnern, dass ich bei meinen ersten Reisen nach Japan, das war in der Mitte der 1990er, die allgemeine Freundlichkeit als sehr angenehm empfand. Doch dieses Mal fiel mir bei der Wiedereinreise auf, dass viele einfach nur bestenfalls vergriesgramt dreinschauen — ein Lächeln war überall Fehlanzeige, dabei bin ich noch nicht mal früh am Morgen angekommen. Aber das ist natürlich sehr subjektiv. Den Vogel schossen jedoch für mich zwei junge Frauen, offensichtlich Sportlerinnen, die von einem Turnier heimkehrten, ab. Sie standen vor mir in der Schlange vor dem Keisei-Liner-Express und grübelten lautstark, ob Waggon 8 wirklich nur eine Tür hat. Um das Rätsel zu lüften, sagte ich ihnen also, dass dies in der Tat der Fall sei. Danach unterhielten sich beide darüber, dass es immer mehr Ausländer gibt, die Japanisch verstehen und sprechen — ganz so, als ob ich Luft wäre.

tabibito
tabibitohttps://japan-almanach.de
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei der Tabibitos Blog empfohlen.

7 Kommentare

  1. Da hat dich die Ignoranz der Jugend ganz ordentlich getroffen.
    Das Japaner sich an den Sprachkenntnissen von Ausländern stören, ist schon heftig. Da haben wir als nicht japanisch sprechende Glück, dass wir nicht verstehen, wenn über uns gelästert wird.
    In den 90er Jahren sah die Welt etwas anders aus als zur Zeit, da fiel den Menschen das Lächeln leichter.
    Wären es doch nur zig Verkehrszeichen, aber es sind über 400 in Deutschland.

  2. Ja, die Japaner und die Ausländer, die japanisch sprechen…..
    Folgende Anekdote wird einem in den30er Jahren bis Kriegsende in Japan lebenden Japanologen zugeschrieben. Er traf zufällig einen Japaner unterhielt sich kurz mit ihm. Nach Ende der Unterhaltung meinte dieser zu seinem Begleiter: “wußte gar nicht, daß ich so gut E n g l i s c h spreche”. Die Unterhaltung wurde japanisch geführt!

    Dann kamen die “henna gaijin” merkwürdige Ausländer, insbesondere, wenn sie Japanisch sprachen.

    Zu meiner Zeit in Tokyo, Anfang der 70er, sehr schwierig bei Zufallsbegegnung mit einem Japaner zu versuchen, Japanisch zu sprechen. Reaktion meist, sorry, don’t speak English oder einfach No English und Flucht.

    Das hat sich erst etwa in den 90er (?) geändert zu ganz normaler Unterhaltung bis hin zu Tabibitos sehr negativer Erfahrung. Wer weiß, was noch kommt.

    • Ich bin – mit Unterbrechungen – seit 1986 hier, und Anekdoten ueber meine Begegnungen mit der hiesigen Art wuerden Buecher fuellen…
      Mittlerweile wird aber selbst in Hokkaido auf dem Lande fliessendes Japanisch nicht mehr mit Erstaunen kommentiert… Die Zahl der Japaner, die fliessend Deutsch sprechen, war gefuehlt jedoch frueher groesser, was am Aussterben der vor dem Krieg examinierten Japaner liegen mag…
      Stellvertretend mag eine Begebenheit Ende der 80er herhalten, die sich zur Rush-Hour in der Odakyu-Linie zugetragen hat. Nahe der Tuer standen zwei Italiener, die sich fuer alle hoerbar auf Italienisch unterhielten. Zwischen ihnen und mir standen u.a. zwei Japaner, die sichtlich angestrengt lauschten. Die Italiener stiegen in Shimokitazawa aus, und die beiden Japaner tauschten vielsagende Blicke aus – der eine meinte dabei “Also ich spreche ja ganz gut Englisch, aber den Akzent der beiden habe ich nicht verstanden…”…

      • Da habe ich schon mal einen Jungen, sehr unsympathischen Schnösel auflaufen lassen… er saß mit neuer Flamme am Nebentisch. Sie fragte, ob er übrigens Englisch spreche, er sagte „ja, geht so“. Dann wollte sie wissen, ob er verstehe, was ich gerade mit meiner deutschen Bekannten bespreche. Er tat so als ob er verstehe und fing an, sich Sachen auszudenken – „ja, die reden gerade über das Wetter“ und dergleichen. Beim Gehen habe ich den beiden dann höflich auf Japanisch erklärt, dass wir uns a) auf Deutsch und b) über den mangelnden Sprachunterricht an japanischen Schulen unterhielten. Sein Gesicht war „priceless“

        • Das gibt’s uebrigens nicht nur mit Japanern… ;-) In der Ginza-Linie fielen mir mal zwei Gaijin auf, die sich laut und vernehmlich (was man Ende der 80er in den klapprigen Waggons erstmal schaffen musste) ueber ihre Erlebnisse mit dem kaeuflichen Teil der Damenwelt in Akasaka-Mitsuke unterhielten – in makellosem Hochdeutsch. Als es dann zu sehr ins Detail ging, habe ich mir erlaubt, die beiden in ebenso makellosem Hochdeutsch darauf hinzuweisen, dass in Japan auch andere Leute Deutsch verstehen…

  3. Normalerweise kommentiere ich nicht und bin nur innerlich belustigt, aber einmal hab ich mich zuviel geärgert: Ich saß auf einer Bank in der Ecke vom Dach des Ghibli Museum und aß mein Brötchen. Kommen zwei mittelalte Japanerinnen, stutzen (setzen sich natürlich nicht auf die freien Plätze neben mir) und die eine sagt zur anderen auf Japanisch, dass Ausländer aber auch immer überall essen, wo sie es nicht dürfen. Daraufhin hab ich die jap. Broschüre raus genommen und ihnen daraus die Regeln vorgelesen.

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