Es geschah kurz vor 16 Uhr, am vergangenen Sonntag, in der vielbefahreren Yamanote-Ringlinie, und dann auch noch am meistfrequentiertesten Bahnhof der Welt – Shinjuku. Ein Angesteller der Eisenbahngesellschaft schlug Alarm – er liess verlauten, dass jemand im Abteil mit großen Messern herumfuchtelt. Sofort brach in den umliegenden Waggons Panik aus – die Leute rannten hier und da hin, schrien, versuchten, die Fenster zu zerstören. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis sich die Türen öffneten und die Massen einfach nur so herausquellten. Das Resultat: 3 Verletzte, die bei der Stampede stolperten und hinfielen.
Das ganze stellte sich schnell als übertrieben heraus: Niemand hatte ein Messer geschwungen. Ein Ausländer nickte auf seinem Sitz vor sich hin – bei sich zwei in Tücher gehüllte Messer, deren Klingen leicht aus den Tüchern blitzten. Natürlich wurde er sofort überführt und von der Polizei verhört. Dort verlautbarte er, dass dies sein letzter Tag in einem Restaurant war, weshalb er seine eigenen Messer nun mit nach Hause nahm. Nicht mehr, und nicht weniger.
Der Vorfall zeigt allerdings, wie nervös man mittlerweile in Japan geworden ist – in den letzten Monaten häuften sich mehrere Gewalttaten – Hauseinbrüche zum Beispiel, ein Überfall auf ein Juweliergeschäft direkt an der Ginza am hellichten Tag, teilweise gelungene Attentate auf Politiker, eine Schießerei in einem gut besuchten Cafe und diverse andere Vorkommnisse. Wobei man mit dem Begriff “häufigen” natürlich vorsichtig sein muss, denn die Medien, die sich zur Zeit mal wieder auf das Thema Verbrechen eingeschossen haben, tun ihr bestes, um eine Atmosphäre der Unsicherheit zu erzeugen.
Der mutmaßliche Koch kann für sein unaufmerksames Verhalten durchaus belangt werden. Japan hat ein ziemlich rigides “Gesetz zur Kontrolle von Schuß- und Stichwaffen” – genannt 銃砲刀剣類所持等取締法. Das Gesetz stammt aus dem Jahr 1958 und ist hier einsehbar. Laut dieses Gesetzes sind bereits Klingen ab 5.5 Zentimeter problematisch – wer ohne triftigen Grund damit in der Öffentlichkeit angetroffen wird, kann mit bis zu 2 Jahren Freiheitsentzug oder einer Strafe von 300’000 Yen (gut 2’000 Euro) belegt werden. Wahrscheinlich kommen auch noch andere Dinge dazu — Gefährdung des Eisenbahnverkehrs, zum Beispiel.
Der unglückliche Koch hat sich die Suppe allerdings selbst eingebrockt – wenn man schon mit zwei großen Kochmessern Bahn fahren muss, dann gebietet es der gesunde Menschenverstand, diese auch sehr gut zu verstecken. Wie jedoch aus einem schlafenden Koch ein messerschwingender Unhold wurde, bleibt wohl ein Rätsel.
Andererseits eruebrigt sich in diesem Lande jegliche absurde Diskussion ueber “Messerverbotszonen”… ;-)
Es gilt – wer mit einem griffbereiten Messer erwischt wird, faehrt ein. Ob nun mangelnde Vorsicht wie im vorliegenden Fall, oder zur “Verteidigung von die Aehre”, spielt dabei keine Rolle!
Heute morgen wurde auf Fuji TV der Fall ausfuehrlich analysiert, und zwar unter dem Gesichtspunkt “Massenpanik”, und wie man richtig reagieren sollte, damit eine Muecke auch eine Muecke bleibt und nicht zum Elefanten wird… Mehrere Zeugen wurden interviewt, und nur einer erwaehnte, dass es sich um einen Auslaender gehandelt haben soll. Auf die Gesetzeslage wurde dabei nicht eingegangen. Alles in allem ein objektiver, ausgewogener Bericht, wie man ihn als biodeutscher Medienkonsument aus der Heimat nur noch als “alter weisser Mann” kennt.