Die Nachricht heute morgen kam schon ziemlich überraschend: Nordkoreanische Offizielle haben wohl amerikanischen Unterhändlern geflüstert, das es wohl doch noch aus Japan verschleppte Menschen in Nordkorea gibt – die auch noch leben – und diese demnächst zurückgeführt werden sollen.
Rückblende: Zwischen 1977 und 1983 verschwanden in Japan mindestens 16 Menschen (offizielle Zahl, die Dunkelziffer wird wesentlich höher geschätzt). Sie liefen die Küste entlang oder dunkle Strassen, waren Frauen oder Männer, sogar Kinder waren darunter. Irgendwann stellte sich heraus, das diese Leute von Agenten nach Nordkorea entführt wurden. Und nicht nur Japaner: auch Thailänder und Südkoreaner sollen wohl entführt worden sein.
Nordkorea verneinte das freilich vehement. Erst Anfang dieses Jahrzehnts gab die Regierung die Entführungen zu. Und erlaubte 2002 fünf der Entführten, nach Japan zurückzukehren – aber nur, wenn sie danach wieder nach Nordkorea zurückkämen. Das war freilich inakzeptabel und so blieben sie in Japan – und Nordkorea, so unverfroren muss man erst mal sein – klagte laut über den Vertragsbruch.
Was taten die Japaner in all den Jahren in Nordkorea? Schliesslich waren es keine besonderen Menschen, sondern ganz normale Leute. Die Ausländer lebten in Nordkorea wohl nicht allzu schlecht, aber isoliert von der Umwelt. Und hatten an diversen Schulen Japanisch zu unterrichten. Eine Japanerin heiratete den nach Nordkorea desertierten Amerikaner Jenkins, mit dem sie 2004 nach Niigata zurückkehrte. Nach nordkoreanischen Angaben starben alle anderen, nicht nach Japan zurückgekehrten Entführten.
Das glaubte in Japan niemand – zumal es Berichte von Augenzeugen gab (und sterbliche Überreste, die von Nordkorea als Beweis nach Japan geschickt wurden, nicht mit den Vermissten in Einklang zu bringen waren). Das Haupthindernis bei den Beziehungen zwischen Nordkorea und Japan stellen seither die Entführungsfälle da – keine Seite wich von ihren Positionen ab.
Da fragt man sich doch, was der energische, bewundernswert hartnäckige amerikanische Unterhändler Christoper Hill eingefädelt hat, dass Nordkorea diesen Schritt bereit zu gehen ist. Aber noch reden wir eher von einem Gerücht. Yokoda, lautstarke Vertreterin der von den Entführungen betroffenen japanischen Familien und etliche japanische Politiker waren heute sehr schnell damit, diese Nachrichten als “ungeheuerliche Art und Weise der Informationsvermittlung” zu verdammen – schliesslich hat Nordkorea Japan gegenüber nichts erwähnt, und aus Amerika gibt es wohl auch nichts offizielles. Bleibt zu hoffen, das dies mehr als eine Ente ist.
Das Wort des Tages: 拉致問題 rachi mondai. “Rachi” ist die “Entführung”, “mondai” das Problem. Dieses Wort wird von den japanischen Medien benutzt, wenn es um die nordkoreanischen Entführungsfälle geht.
Das muss man sich aber auch mal vorstellen: Da läuft man nichts ahnend eine dunkle Gasse im Prenzelberg entlang, und wacht am nächsten Tag in Transnistrien auf – wo man dann auch die nächsten 30 Jahre bleiben muss und irgendwelchen Feldbauern Deutsch beibringen soll.
Die Geschichte ist in der Tat, ich nenne es mal abgefahren. Nordkorea bleibt für mich einfach nur ein großes Fragezeichen…
von diesen ent- und teilweisen rückführungen habe ich nun zum ersten mal gehört. wieso denn der aufwand von entführungen für sprachlehrer. gab es denn im “befreundeten” ausland keine freiwilligen?
von transnistrien habe ich nun auch das erste mal gehört und gleich mal bei dir nachgelesen. sehr spannendes land. bestätigt mich nur in meiner auffassung, dass separationen selten zu etwas führen.