Dieser Spezies wollte ich schon immer mal eine Randbemerkung gönnen. Schon mal in Japan im Konbini (24-Stunden-Laden) versucht, eine Zeitschrift zu kaufen? Gute Nachricht: Man findet die Zeitschriften sofort. Das ist dort, wo viele Menschen nebeneinander stehen. Schlechte Nachricht: Jenige versperren den Weg zum Objekt der Begierde. Man outet sich wahrscheinlich auch umgehend als Ausländer, wenn man eine Zeitschrift greift und sofort damit zur Kasse geht. Wie jetzt, kaufen!? Hat der keine Zeit oder was?
Als ich die Stehleser bei meinem ersten Japan-Besuch bemerkte, dachte ich noch, die haben alle gerade Pause oder suchen was bestimmtes. Nichts da. Da stehen Leute am Tag und in der Nacht, Frauen wie Männer, Alte wie Junge. Manche Ladenbesitzer versuchen dagegen anzukämpfen – angegrabbelte Zeitschriften wird man erfahrungsgemäss schlecht los – aber zumeist ohne Erfolg.
Vergesst Sumo und Aikido und Judo – der japanische Volkssport ist Stehlesen. Mit erstaunlicher Ausdauer. Ich war zwar schon in etlichen Ländern unterwegs, aber sowas habe ich in dieser Dimension bisher nur in Japan gesehen.
Das Wort des Tages: 立ち読み – tachiyomi – “stehen + lesen”. Ein eigenes Wort für diese (Un)sitte.
Ja besonders witzig ist wenn die unter dem Schild stehen wo drauf steht “Bitte nicht stehen und lesen sondern kaufen”. So oder so ähnlich steht das mit den passenden Piktogrammen für “Damme” (Durchgekreuzt) da.
Das ist ja mal was ganz was Neues. So was habe ich ja noch nie gehört. Die stehen da wirklich vor den Geschäften und lesen deren Zeitungen? Wird das denn nicht unterbunden von den Unternehmern? Ich würde mir das nicht gefallen lassen, da verkaufe ich doch nichts. Da mache ich nur Verluste, weil die Zeitungen gelesen wahrscheinlich nicht mehr so gut zu verkaufen sind als ungelesen. Die Japaner sind ein ganz besonderes Völkchen das muss man schon mal gesagt haben.
@Heike
Nicht vor den Geschäften, in den Geschäften. Wie gesagt, man versucht es gelegentlich zu unterbinden, aber das klappt nicht. Muss tief in den Leuten verwurzelt sein :-)
Wie wahr, wie wahr. Aber da ich sowieso unglücklicherweise sowieso kaum etwas verstehen würde, lege ich es noch nicht darauf an, japanische Magazine zu kaufen.
Aber ich kann da nur zustimmen und werde mal versuchen ein unauffälliges Foto zu schießen
:)
Also ob das in Deutschland so großartig anders ist?
wobei da wahrscheinlich die japanische Höflichkeit durchkommt und somit die Leute nicht vom Kioskbesitzer angesprochen werden, sondern eher mit einem Lächeln angeschaut werden?
außerdem ist es so günstiger, wobei was bringt dir die Zeitschrift in den überfüllten Zügen, da kann man ja nicht richtig lesen, also wahrschenlich lesen die es dort und kaufen es dann, um es in der Aktentasche reinzulegen ;)
Ich verstehe die Combinis als eine Erweiterung des japanischen Wohnzimmers, immer zugänglich, alles für den täglichen Bedarf greifbar, und gleich um die nächste Ecke zu finden. Zumal dort wohl meist mehr Platz ist als in den eigenen vier Wänden. So gesehen ist das Stehlesen eigentlich ganz verständlich. Schlussendlich ist das einzige was es in einem Combini nicht gibt.ein.Klo. Da bleibt nur das Stehen übrig. Heydal
Was? Also in geschätzten 8/10 der Kombinis in denen ich bisher eingekauft habe gab es auch eine Kunden-Toilette. Ausnahmen sind meistens irgendwelche kleinen offenen Kioske auf dem Weg zwischen zwei Bahnlinien oder auf einem Bahnhof, wo es eh massig öffentliche Toiletten gibt.
Allerdings würde mich das Gesicht interessieren, welches ein Verkäufer macht, wenn man sich die Asahi oder Mainichi schnappt und damit erstmal ne halbe Stunde bei denen auf dem Topp verschwindet… oder gar eines der eher anrüchigen Magazine. :D
Die haben nicht umsonst die Manga meist eingeschweisst. In den Konbinis steht aber echt meist die Zeitschriften-Abteilung voller Leser. Hier Bilder aus ner grösseren Buchhandlung:
http://tenkygaii.blogspot.com/2008/08/probelesen.html
In den Combinis gibt es Kundentoiletten? Habe ich nie wahrgenommen. Werde das nächste mal wen ich wieder in Japan bin genauer darauf achten. Auch in einer Buchhandlung in Kyoto sind mir die Stehleser schon aufgefallen, was umso erstaunlicher war weil etliche bequeme Sessel unbenutzt rumstanden. Wovon ich natürlich umgehend gebrauch machte, und mich gleichzeitig über diesen Umstand wunderte. Eine Erklärung hatte ich weder damals noch heute. Was ist eure Meinung dazu? Heydal
Es wird oft gestanden auch wenn es freie Sitze gibt, sei’s in Zügen oder in Buchhandlungen. Heisst also nix wenn der Sitz neben einem frei bleibt ;-)
Stehlesen in Buchhandlungen ist seit jeher normal, und den Wachtmeister spielen würde ich nicht riskieren. Japanische Kunden können sehr empfindlich sein und dies käme einem Leseverbot gleich.
Conbinis sind wieder was anderes, dort ist der Betreiber im Dilemma einerseits Kunden anlocken zu wollen aber dann auch was verkaufen zu können. Deswegen gibt es oft ein Leseexemplar oder es sind nur wenige Exemplare ausgestellt bzw. der Rest ist zugeschnürt. Oft steht aber dass tachiyomi ganz untersagt ist. Macht dann aber keinen Unterschied da sich die temporär Angestellten bei dem Stundenlohn kein Bein ausreissen werden.