BlogJetzt geht's den Bären an den Kragen

Jetzt geht’s den Bären an den Kragen

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… und zwar nicht nur den Braunbären, sondern auch den Kragenbären, denn Vorfälle mit Bären haben sich in Japan in den vergangenen Wochen extrem gehäuft. Besonders betroffen sind die Präfekturen von Nordtohoku, also Aomori, Iwate und Akita, doch nicht nur dort: Selbst im Westen von Tokyo sind schon Bären aufgetaucht. In diesem Jahr gab es bisher bereits 12 durch Bären verursachte Todesfälle – das ist mehr als das Doppelte dessen, was man 2023 verzeichnete. Allein im Oktober gab es insgesamt 88 Opfer von Bärenattacken – diese Statistik beinhaltet sowohl Tote als Verletzte. Spitzenreiter mit 38 Opfern ist die Präfektur Akita – dort tauchte selbst vor dem Präfektursitz in der Stadt Akita ein Bär auf.

Bären sind nicht neu in Japan – es gab sie schon immer. Neu ist jedoch, dass scheinbar immer mehr Bären die Berge verlassen und in den Siedlungsraum der Menschen vordringen. Es ist hier also nicht der Fall, dass Menschen den Bären den Lebensraum nehmen und die Tiere deshalb ihr Habitat verlassen (selbst hier streuen jedoch rechte Medien das Gerücht, dass Chinesen daran schuld seien, da sie in den Bergen Megasolarparks bauen – diese gibt es zwar wirklich, aber sie sind selten und definitiv nicht die Ursache). Die Bären verlieren immer mehr die Scheu vor den Menschen, wobei auffällt, dass fast immer ältere Menschen angefallen werden – Vorfälle mit Kindern sind sehr selten. Ein weiteres Phänomen ist, dass scheinbar immer mehr Bären auf den Winterschlaf verzichten – oder ihn später beginnen.

Da das ganze allmählich zum Politikum wird, hat man bereits Notjagden ausgerufen – und die Selbstverteidigungskräfte (sprich, die Armee) um Hilfe gebeten. Diese sind nach erfolgter Genehmigung vom Staat auch schon ausgerückt – allerdings dürfen die Soldaten, und das ist sicherlich auch besser so – nicht Bären erschiessen.

Das Problem ist vielschichtig. Eine wichtige Facette ist die Situation der Jägerschaft. Laut Wildtierstatistik des Umweltamtes gab es 2019 in ganz Japan 215’000 Menschen mit Jagderlaubnis. Von diesen waren 58’000 über 60 und 56’000 über 70 Jahre alt. 10’000 von ihnen waren sogar über 80 Jahre alt – fast 60% der Jäger waren also 2019 über 60, und jetzt, sechs Jahre später, dürfte der Anteil noch viel höher sein. Zum Vergleich: 1980 waren nur 9% älter als 60 Jahre.

Ein Grund für die Vergreisung der Jäger ist das Vergütungssystem: Für den Abschuss eines Bären erhalten Jäger im Schnitt circa 60 Euro – das aber auch nur, wenn sie den Bären nicht nur jagen, erlegen und transportieren – sondern auch fachgerecht ausweiden und entsorgen. Von dem Geld müssen sie zudem Sprit, Munition und dergleichen bezahlen – und da Bären ja recht gefährlich werden können, gehen viele Jäger nur ungern allein auf die Jagd. Mit anderen Worten: Die Jäger halten für einen Apfel und ein Ei ihren Kopf hin.

Da sich daran so schnell nichts ändern wird, darf die Polizei ab der nächsten Woche in einigen Gegenden mit Sturmgewehren auf Bärenjagd gehen. Wie erfolgreich das sein wird, wird sich zeigen. Und vielleicht war das auch nur der Anfang – heute rannte ein Wildschwein quer durch den Stadtbezirk Edogawa-ku bis nach Urayasu (bekannt für das Disneyland Tokyo).

tabibito
tabibitohttps://japan-almanach.de
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei der Tabibitos Blog empfohlen.

2 Kommentare

  1. Dass die Baeren die Scheu vor Menschen verlieren, ist nur eine Seite der Medaille. Eine weitere ist die, dass die Baerenpopulationen so weit angestiegen sind, dass die Baeren in ihren angestammten Revieren nicht mehr genug Futter finden, um sich fuer den Winterschlaf fettzufressen… Allein auf Hokkaido leben mehr als 6.000 Baeren in freier Wildbahn, und Meister Petz wiegt auch mal gern um die 400 kg und braucht entsprechend viel Nahrung…
    Ob Polizei oder SDF mit Sturmgewehren viel ausrichten koennen, wage ich zu bezweifeln! Das Howa 89 hat dasselbe Kaliber wie das amerikanische M-16 und ist fuer die Baerenjagd denkbar ungeeignet…
    Man darf gespannt sein…

  2. Es ist bei jedem Tier so, dass es dorthin geht, wo es nach Nahrung riecht. Warum sollte das bei meister Petz anders sein. Jeder, der in den Bergen campt, weiß, dass man seinen Müll nicht neben dem Zelt lagert. Ignoriert man das, bekommt man sehr wahrscheinlich Besuch von den verschiedensten Tieren, ab und zu auch einem Bären. Vielleicht sollte man sich einfach mal überlegen, ob es nicht an den Müllpraktiken liegen könnte, die in Japan weit verbreitet sind. Diese Müllboxen oder noch schlimmer, auf offenber Straße (da sind meistens aber die Raben sehr schnell beim Öffnen und Durchschen der Müllbeutel). Da dieses Jahr extremer Nahrungsmangel für die Bären angesagt ist, geht er eben dorthin, wo es nach Nahrung riecht. Und für alle, die den Bären als Menschenkiller sehen. In Japan wurden 2023 285 Menschen von anderen menschen getötet (Tötungsdelikte beinhalten auch Verkehrstote.). Verglichen mit 12 Tötungsfälle von Bären doch absolut grauenvoll. Ich campe seit 15 jahren in den Bergen, stand auch schon 3 Mal beim Bergsteigen fast direkt (einmal sogar nur 15 m Abstand) vor einem Bären und wurde weder angegriffen, verletzt oder was auch immer. Übrigens sind die Verhaltensregeln, die man überall in Japn sieht, für Braunbären. Ein Braunbär verliert nämlich die Lust, wenn sich sein Opfer nicht mehr bewegt. Mach das mal bei nem Kragenbär. Ein Kragenbär (oder liebevoll Mini-Grizzly) bekommt eine Art Blutrausch, wenn er einmal angefangen hat. Könnte auch ein Grund sein, warum es öfters mal nicht so gut ausgeht. Falsche Verhaltensregeln führen des öfteren zum Tod, nicht nur beim Bären… auch beim Bergsteigen, im Straßenverkehr oder wo auch immer.

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