BlogDie seltsamen Regeln des Weltmarktes

Die seltsamen Regeln des Weltmarktes

-

Japan hat eine Nahrungsmittelselbstversorgungsrate von nur 39% (auf Kalorienbasis) – die niedrigste Rate unter den Industrieländern (Quelle: Japan Times, 3. Juni 2008, S.2). Will heissen, 61% müssen importiert werden. Was ganz sicher nicht importiert werden muss, ist Reis – der wird von der Regierung so stark subventioniert, dass 70% mehr als nötig angebaut wird. Nun ist allerdings japanischer Reis mit weitem Abstand der teuerste Reis auf der ganzen Welt und damit natürlich kein enormer Exportschlager.
Starke Subventionierung bedeutet Protektionismus – der Staat stützt den Reispreis so stark, das ausländische Reissorten kaum den Preis unterbieten können (im Geschäft hier: Ca. 7 Euro für 5 kg).
Aus Strafe sozusagen – oder Gegengewicht eben – wurde Japan schon vor Jahren von der Welthandelsorganisation dazu verdonnert, alljährlich 770,000 Tonnen Reis zu importieren.
Wer jetzt denkt „Oh, da gibt es also auch leckeren Thai-Reis zu kaufen“ irrt – der importierte Reis wird quasi so gut wie gar nicht verkauft. Sondern gelagert oder was weiss ich wie genutzt.
Es ist schon makaber: Da gibt es Hungeraufstände in Haïti und Ägypten, und die Situation wird immer ernster in Sri Lanka, den Philippinen usw., weil der Reis zu teuer wird. Demgegenüber steht Japan, welches alljährlich Unmengen importieren muss und nicht verkauft.
Immerhin überlegt man jetzt, hunderttausende Tonnen Reis an die Philippinen und Sri Lanka zu … nein, nicht verschenken, sondern billig zu verkaufen.
Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass die WTO eher wenig zur Lösung der jetzigen Hungerkrisen beitragen kann.
Kleine Anmerkung: Erste Bauern beginnen in Japan damit, Reis als Futtermittel an Viehzüchter zu verkaufen. Das war früher undenkbar, aber die Zeiten ändern sich.
Das Wort des Tages: 世界貿易機関 – sekai bōeki kikan – „Sekai“ ist die Welt, „boeki“ der Handel und „kikan“ das Organ, oder auch Organisation. Welthandelsorganisation also.

tabibito
tabibitohttps://japan-almanach.de
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei der Tabibitos Blog empfohlen.

8 Kommentare

  1. Die Sanktion der WTO finde ich zwar auch schwachsinnig (ein anderer Fall wäre beispielsweise hier:
    http://www.heise.de/newsticker/meldung/101010),
    aber das Grundproblem sind einfach die Subventionen der reichen Staaten.
    Ich finde das kommt in deinem Beitrag etwas zu kurz.

    Als Argument wird ja auch immer gerne angeführt, dass die Qualität viel höher sei, dabei aber vernachlässigt, dass Entwicklungsländer mit dem gleichen (oder sogar einem geringeren) Budget ebenfalls qualitativ hochwertige Waren produzieren könnten.

    Einziges wirkliches Problem, gerade bei einem Land wie Japan (innerhalb der EU gäbe es vermutlich auch ohne Subventionen noch Landwirtschaftsbetriebe) wäre natürlich, dass die Ernährung der Bevölkerung vollständig von anderen Staaten abhinge.

  2. Huch?! Japanischer Reis wird doch exportiert? Irgendwo habe ich mal gelesen, dass dies nicht erlaubt sei und Japan sämtlichen Reis für sich behält.

    Übrigens sieht der Header jetzt schöner aus. :)

  3. @Manticore
    Das kommt in der Tat zu kurz. Grund ist leider schnöder Zeitmangel – wenn ich mich zu dem Thema richtig auslassen möchte, muss ich mir wohl einen Tag frei nehmen. Danke jedenfalls für die Anmerkungen.

    @Hamu-Sumo
    In geringen Mengen, ja. Hauptsächlich nach China (seit kurzem) und Amerika – wo er zumeist von, Überraschung!, japanischen Restaurants gekauft wird.

  4. Habe mich da letztens auch mit nem Japaner drueber unterhalten. Der findet es ebenfalls voellig daneben, wie die japanische Landwirtschaft handgehabt wird.

    Was ich mich dabei immer frage, ist, was die Politiker dazu treibt. Ich meine: Klar, die Bauern formen immer eine Lobby, aber die allein hat auch nicht so einen grossen Einfluss.
    Grund ist wahrscheinlich eher der – protektionistische – Reflex, nach dem die Nahrungsversorgung unbedingt aus dem eigenen Land kommen muss. Wenn moeglich auch noch die Energieversorgung (siehe Kohleanbau in D.).

    Aber trotz der Realitaet, die den Staaten des Westbuendnisses – Amerika, Europa, Japan – schon seit Jahrzehnten ueberdeutlich zeigt, dass eine protektionistische Agrarpolitik nur Leid verursacht, geht es immer weiter.
    Sehr schade.

    In Japan gibt es uebrigens auch bei der Butter eine Art Planwirtschaft, die dafuer sorgt, dass es manchmal schwer ist, welche im Supermarkt zu finden.
    (Naja die „Quoten“ fuer Nahrungsmittel in der EU sind ja auch nichts anderes.)

  5. japanischer Reis „made in Japan“ wird exportiert, zumindest in die Schweiz, da wir den bei unserem Händler kaufen könnten. Allerdings ist der so teuer, dass wir den aus der USA kaufen (10 Kilo für ca. 25 euro).

    Uebrigens, in Europa werden ebenfalls jedes Jahr tonnenweise lebensmittel vernichtet um die Preise stabil zu halten.. kranke Welt.

  6. das mit der subventionierung ist ja ein lang bekanntes problem. im westen wurde und wird die landwirtschaft auch deshalb subventioniert, um nahrugsmittelpreis niedrig zu halten bzw. die landwirtschaft davon abzuhalten, nahrungsmittel zu produzieren. hiervon ist man zwischenzeitlich bzw. in naher zukunft wieder abgerückt.

    aber das problem preis bleibt bestehen. bestes beispiel in der brd sind die milchbauern, welche seitens des handels ohne not mit preisen abgespeist werden, die nicht mal die produktionskosten decken. der verbraucher würde auch höhere preise dafür zahlen. zumindest für milch.
    ich glaube bei uns liegt der preis für reis doppelt so hoch. gekauft wird reis trotzdem. allerdings ist hier reis kein europäisches grundnahrungsmittel. wenn man sich die fleischpreise anschaut, kann ein bauer nur müde lächeln. ohne die subventionierung dieser nahrungsmittelproduktion müsste tiefer in die tasche gegriffen werden.

    das problem ist vielmehr, das eine ordentliche erwirtschaftung nach bedarf erst einmal vorgenommen werden muss. überproduktion dürfen nicht subventioniert auf den weltmarkt, um dann die bauern in armen ländern noch weiter in die krise zu schicken.

    sehr interessant finde ich allerdings, dass japan in der derzeitigen situation zwar reis importiert (wegen muss) allerdings keine erheblichen hilfsleistungen aus diesem pool anbietet. den verkauf sehe ich nicht als hilfsleistung an.

    aber das kenntn man ja auch von hier.

    schöne grüße

  7. Um das mit den Reispreisen mal klar zu stellen: „Guter“ Rundkornreis kostet in deutschen Asialaeden genauso viel wie derselbe Reis hier in Japan im Supermarkt kostet (ca. 10% Abweichung). Da Japan Produktionsland von Reis ist, Europa allerdings nicht, ist das schon sehr merkwuerdig.
    Der billige Import(meist)langkorn-Reis aus Amerika spielt in einer ganz anderen Liga.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Soziale Medien

0FollowerFolgen
0FollowerFolgen
0AbonnentenAbonnieren

Neueste Beiträge

Neuer Nissan Juke-R mit 600 PS — braucht man den wirklich in Japan?

Jüngst hat der Autobauer Nissan den jüngsten Spross der weltweit bekannten GT-R-Reihe präsentiert: Ein kompakter, gerade mal 4.1 m...

Und weg war die Aussicht

Neulich verschlug es mich mal wieder nach Urayasu -- ein eigentlich relativ unbekannter Ort in der Präfektur Chiba direkt...

Hahajima – die südlichste, spärlich besiedelte Insel gut 1000 km südlich von Tokyo

Auf dieser Insel tief draußen im Pazifik leben keine 500 Menschen – ein weitestgehend naturbelassenes Archipel ... voller Kriegsgerät

Prinzip Gießkanne: Wird freundliche Spende der Regierung an alle Bürger Kishida retten?

Es ist nicht das erste Mal, dass eine japanische Regierung nach dem Gießkannenprinzip Geld an das ganze Volk verteilt,...

Endlich: Bauschaum aus der Dose — Neues Getränk verwandelt sich im Magen in Gelee

Ja, Japan ist sehr bekannt für seine exquisite Küche. Und wer Japaner kennt, weiß auch, dass die meisten gutes...

Tsukemen SanSanNana (つけめん 三三㐂) in Kawasaki

Tsukemen mit feinsten Nudeln und einer erstaunlich milden Suppe - diese Tsukemen sind für Einsteiger und Kenner gleichermaßen interessant

Must read

Die 10 beliebtesten Reiseziele in Japan

Im Mai 2017 erfolgte auf dem Japan-Blog dieser Webseite...

Auch lesenswertRELATED
Recommended to you