BlogDie Shintō-Universität

Die Shintō-Universität

-

Jeden Morgen laufe ich an dieser riesengrossen Anzeige einer Universität am Bahnsteig vorbei: “Werde zu einem Japaner, der das Herz des Landes widerspiegelt!” Nun bin ich zwar lange genug in Japan, um das nicht allzu aussergewöhnlich zu finden, doch noch deutsch genug, um es mit einem deutschen Auge zu sehen. Mein geistiges Auge stellt sich diesen Aushang dann in Deutschland – auf Deutsch – vor. “Absolvieren Sie den Studiengang für Deutschtum an der Heinrich-dem-Schielenden-Universität”. Wahnsinn. Im Kleingedruckten stehen dann noch ein paar Details – so zum Beispiel die Wichtigkeit des Erlernens der traditionellen japanischen Sitzweise, genannt 正座 seiza, oder dem richtigen Umgang mit Eßstäbchen”.

Anzeige der Kokugakuin-Universität
Anzeige der Kokugakuin-Universität

Die Anzeige wirbt für die 國學院大學 Kokugakuin Universität (auf Wikipedia gibt es dazu sogar einen deutschen Beitrag), und man hat bewusst die alten Schriftzeichen für den Namen gewählt (die heute gebräuchliche Schreibweise ist 国学院大学). Die Uni hat immerhin rund 11,000 Studenten und besteht seit 1920. Bekannt ist die Lehranstalt vor allem für ihre Nähe zum Shintōismus, denn hier kann man sich zum Shinto-Priester ausbilden lassen.
Die Anzeige ist zweifellos ein Blickfänger, sticht sie doch aus den auch in Japan üblichen Abbildern von nur allzu perfekten Menschen in der Werbung hervor. Andererseits kann ich auch noch so lange in Japan leben – an diesen stark nationalistisch geprägten Stil werde ich mich nie so recht gewöhnen können. Aber hier gelten eben andere Maßstäbe.
Interessant an der Kokugakuin-Universität ist die Shinto-Enzyklopädie, an der man ein paar Jahrzehnte lang gearbeitet hat. Es gibt sogar eine vollständig öffentliche englische Version hier, in der es sich lohnt, etwas herumzustöbern.

tabibito
tabibitohttps://japan-almanach.de
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei der Tabibitos Blog empfohlen.

3 Kommentare

  1. Oh! Die Uni ist doch fuer manche Auslaender sicher super interessant! Gibt doch viele, die das traditionelle Japan erlernen wollen bzw ein richtiger Japaner werden wollen.
    Wieviele auslaendische Studenten sie wohl haben? Hm…

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Neueste Beiträge

Der ganz normale Rassismus

Ach, was wird die japanische Gastfreundschaft doch über den grünen Klee gelobt. Sicher, wenn man an den Kundenservice in...

Wenn der Verstand mal eben aussetzt: McDonald’s Happy Meal mit Pokémon-Karten

Da hatte das Marketing-Team von McDonald's Japan ja mal eine fantastische Idee: Die Happy Meals (in Japan als Happy...

Kamodashi Ramen Todoroki (鴨だしらぁ麺 轟) in Mizonokuchi, Kawasaki

Bei diesem schmucken Ramenrestaurant spielen Enten die Hauptrolle - sehr dünne, aber schmackhafte Nudeln paaren sich hier mit dezenter Ente

Zu heiß, zu trocken

In Sachen Sommer ist man in Japan Einiges gewöhnt – vor allem die Hitze im August, nach der Regenzeit,...

Einigkeit mit Trump im Zollstreit – und keiner hat etwas aufgeschrieben

Viele Politiker staunten heute bei der Parlamentssitzung im Unterhaus nicht schlecht, als sie auf Anfrage erfuhren, dass es über...

Captain Blackbeard und Gen Z

Seit ziemlich genau 50 Jahren gibt es in Japan ein etwas dröges, aber dennoch sehr beliebtes Tischspiel – dieses...

Must read

Die 10 beliebtesten Reiseziele in Japan

Im Mai 2017 erfolgte auf dem Japan-Blog dieser Webseite...

Auch lesenswertRELATED
Recommended to you