Ganz Japan ist es Wurst, ob hier eine neue Straße gebaut wird oder dort ein Sack Reis umkippt. Ganz Japan? Nein! Da gibt es eine kleine Stadt namens 小平市 Kodaira-shi (Shi=Stadt) ein paar Kilometer westlich von Tokyo (und noch zu Tokyo-to gehörend), in der man gedachte, aufmüpfig zu werden. Der Stein des Anstoßes ist eine Schnellstraße, die von Fuchū-Tokorozawa nördlich der Stadt bis nach Kamakura führen und dabei auf 1,4 Kilometer Länge die Stadt von Nord nach Süd durchqueren soll. Dabei soll laut Planung auch ein Stück Wald verschwinden. Die Planung dieser Straße wurde übrigens schon vor ca. 50 Jahren angestoßen¹.
So einfach wollte man sich dann allerdings nicht geschlagen geben. Eine Bürgerinitiative wurde gegründet, und die reichte die Unterschriften von 7’183 Bürgern ein, um so eine Volksbefragung einzufordern. Die Stadt hat übrigens 188’000 Einwohner. Dem Anliegen wurde stattgegeben, und so fand gestern, also am 26. Mai 2013, das erste (Fanfare!) Referendum in Tokyo statt. Allerdings beteiligten sich nur 35% der Wahlberechtigten an der Umfrage, wie sich gestern abend herausstellte. Das Referendum würde jedoch nur gültig werden, wenn mindestens 50% teilnehmen. Und es hätte selbst dann keine rechtlich bindende Wirkung. Ergo: Nichts da, die Straße wird gebaut.
Für Empörung sorgte jedoch die heutige Entscheidung der Wahlkommission der Stadt, die Stimmen nicht auszuzählen, da das Referendum ja sowieso nicht die nötige Wahlbeteiligung erreicht hätte. Sofort wurden Stimmen der Kritik laut, und das nicht zu unrecht. Sicher, das Referendum war so gesehen nicht erfolgreich, aber sollte die Stadtverwaltung nicht dennoch daran interessiert sein, was ein gutes Drittel ihrer Bürger denkt?
Viel wird hier sicher nicht mehr passieren. Vielleicht knickt die Stadtverwaltung ein und erlaubt die Auszählung. Zu Demonstrationen mit Leuten, die sich an Bäume fesseln, wird es nicht kommen. Aber ein Referendum zum Thema Stadtplanung ist schon eine Seltenheit in Japan. Nach dem 2. Weltkrieg gab es bisher nur 19 Volksbefragungen, die letztendlich zu Gesetzesvorlagen führten: Die erste fand 1949 statt, die letzte (erfolgreiche) – 1952. Und die meisten dieser Umfragungen drehten sich lediglich darum, eine Stadt/einen Ort zu einer offiziellen Sehenswürdigkeit erklären zu lassen².
Wer etwas mehr vox populi braucht (freilich nur auf Japanisch) – etliche Kommentare zum Thema in der Huffington Post (siehe erster Link unten) sind recht interessant, aber man muss dabei bedenken, dass die Redaktion Kommentare nach eigenem Ermessen veröffentlicht.
¹ Siehe hier: Huff Post Society: 小平市の住民投票、投票率50%に届かず不成立
² Siehe hier: Wikipedia: 住民投票を経た特別法
Hey, ich wohne in Kodaira! (Erst seit diesem Monat, und wahlberechtigt bin ich auch nicht…)
Wenn die diese Straße echt bauen, weiß ich schon mal, dass ich meinen Mietvertrag nächstes Jahr nicht verlängern werde…
An einen Baum ketten kannst du dich ja. ;-)
Haha, gute Idee, aber meine Uni hat Anwesenheitspflicht…