Das tödliche Attentat auf Ex-Premierminister Shinzo Abe Anfang Juli wird noch immer aufgearbeitet, und die Untersuchungen bringen Erstaunliches, beziehungsweise besser gesagt Erschreckendes, zu Tage. Wie in diesem Artikel bereits beschreiben, steht dabei die ehemalige Vereinigungskirche, in Deutschland besser unter dem Namen “Mun-Sekte” (auch: Moon-Sekte) bekannt, im Fadenkreuz der Ermittlungen, denn eine Rede vor einer der Sekte nahestehenden Vereinigung sorgte schließlich dafür, dass sich der Attentäter in den Kopf setzte, dass Shinzo Abe sterben müsse.
Die Medien arbeiten deshalb in Japan momentan mit Hochdruck daran, die öffentlichkeitsscheue Sekte ins Rampenlicht zu zerren – und all jene, die irgend etwas mit der Sekte zu tun haben. Das ist auch gut so, denn während die Sekte zum Beispiel im deutschsprachigen Raum mit nur wenigen tausend Mitgliedern kaum eine Rolle spielt, ist Japan das Land mit der weltweit höchsten Zahl an Mitgliedern – Schätzungen gehen von 100’000 bis 300’000 Mitgliedern aus1. Wie bereits im vorherigen Artikel erwähnt, ist die Mitgliedschaft in der Sekte dabei extrem teuer – die Mitglieder werden unter anderem aufgefordert, Bibeln für einen Preis von umgerechnet 250,0000 Euro zu erwerben, und das nicht nur ein Mal. Geht den Mitgliedern irgendwann das Geld aus, ist die Sekte dabei so freundlich, Ratschläge zu erteilen, wo und wie man sich Geld leihen kann. Es sind nicht nur die Bibeln – es geht auch um irrwitzig teure Namensstempel, aber auch um andere Kosten. Wer zum Beispiel an einer der berühmten Massenhochzeiten teilnehmen möchte, die noch immer abgehalten werden, bezahlt als Japaner umgerechnet 1,4 Millionen Yen (rund 11,000 Euro). Erstaunlicherweise bezahlen Südkoreaner (die Sekte stammt ja aus Südkorea) dafür nur rund 1,100 Euro2, und auch sonst stellte man fest, dass die Natur der Sekte in beiden Ländern grundverschieden ist. Während sehr viele Mitglieder in Südkorea männlich und sozial eher im unteren Bereich angesiedelt sind, ist die Mitgliederschaft in Japan vornehmend weiblich und gut gebildet beziehungsweise wohlsituiert.
Wie passt das zusammen? Schließlich ist die Mun-Sekte eine antikommunistische, stark nationalistisch geprägte Sekte (die in Deutschland auch laut Gerichtsbeschluss als faschistisch bezeichnet werden darf), und südkoreanische Nationalisten haben in der Regel einen ausgeprägten Hass auf Japan. Doch darin liegt unter anderem auch die Begründung der verschiedenen Kosten. Den Mitgliedern in Japan wird eingetrichtert, dass Japan エバ国 (Eba-kuni), Evaland, sei und (Süd)korea Adamsland. Sprich, Japan hat als Land mit der Besetzung Koreas von 1910 bis 1945 den Sündenfall begangen, weshalb die Bewohner Japans nun ihre Sünden reinwaschen müssen – und das geschieht mit horrenden Beiträgen an die Kirche sowie die Reinigung des verschmutzten, japanischen Blutes mit dem reinen, koreanischen Blut – durch besagte Massenhochzeiten3.
Eine sehr krude Ideologie also, in der bewusst mit dem Schuldbewusstsein der Japaner – und dies existiert durchaus bei vielen – gespielt wird. Das so in Japan von den Mitgliedern abgezapfte Geld wird logischerweise nach Südkorea geschickt, um dort unter anderem den riesigen Palast, bekannt als Cheongpyeong Heaven and Earth Training Center, zu finanzieren.
Wie die Medien nun herausfanden, war Shinzo Abe bei weitem nicht der einzige Politiker, der mit der Sekte auf de eine oder andere Weise zu tun hatte. Vor allem in den Reihen der regierenden Liberaldemokraten finden sich nun immer mehr Abgeordnete bis in die höchsten Ränge, die bei Veranstaltungen der Sekte oder deren Organisationen auftraten, sich dort für die großzügige Unterstützung im Wahlkampf bedankten oder auf Kosten der Sekte mit der Business Class in die USA flogen, um dort an Veranstaltungen der Sekte teilzunehmen. Yoshiyuki Inoue4, Hakubun Shimomura5, Tomomi Inada6, Tomomi Inada7, Hachiro Nitta8 — die Liste wird tagtäglich länger und länger und offenbart einen neuen Sumpf in der japanischen Politik. War es bisher vornehmlich das カネと政治 (kane to seiji – Geld und Politik)-Problem, so wird dies jetzt ein 宗教と政治 – ein Politik- und Religionsproblem.
Die von den Medien zur Rede gestellten Politiker reagieren erwartungsgemäß unisono – sie können sich an nichts erinnern, wissen nichts genaues oder waren sich der Natur der Sekte nicht benutzt.
Japan ist ein laizistischer Staat mit ganz offensichtlich nahezu uneingeschränkter Religionsfreiheit – doch hier ist nun Wachsamkeit bei Bürgern und der Politik gefragt, um sicherzustellen, dass dieser Sekte, die sich wie ein Geschwür in Gesellschaft und Politik ausgebreitet hat, Einhalt geboten wird.