Kamaishi. Wörtlich “Kessel-Stein”. Es gibt zahlreiche Theorien zum Namen – eine davon lautet, dass es in der Gegend viele grosse Felsen gibt, die Kochstellen ähnlich aussehen. Eine andere Theorie sagt, der Name stammt vom Ainu-Namen “Kuma-Ushi” (Ort, an dem man Fisch trocknet) ab.
An der Pazifikküste, im Herzen der Region 陸中 Rikuchū. Im Zentrum der Stadt fliesst der kleine Fluss 甲子川 Kashigawa in die Bucht von Kamaishi. Bis zur nächsten Großstadt Sendai im Südwesten sind es fast 150 km Luftlinie.
In der Stadt selbst gibt es nicht viel – eher in der Umgebung. Für Fans: Die Ruinen des Hashino-Hochofens aus dem 19. Jahrhundert.
Kamaishi – Beschreibung
Kamaishi ist eine kleine Stadt im Südosten der Präfektur Iwate mit rund 37’000 Einwohnern. Wie viele andere Städte in der Region kämpft die Stadt dabei mit einem starken Bevölkerungsrückgang: In den 1970ern lebten hier noch gute 70’000 Menschen, und davor sogar bis zu 90’000 Menschen. Die Stadt befindet sich nahezu im Zentrum des 陸中海岸国立公園 Rikchū-Küste-Nationalpark, welcher sich entlang der gesamten Küste der Präfektur Iwate bis zur Präfektur Miyagi im Süden erstreckt. Die Küste ist sehr stark zergliedert und gehört zum Typ Ria-Küste – jene entstand vor Jahrmillionen durch die Absenkung des Binnenlandes und der damit einhergehenden Flutung von Bergtälern. Die Küste ist grösstenteils sehr steil, mit bis über 200 Meter hohen Kliffs.
Kamaishi befindet sich am Ende der gleichnamigen Bucht und ist von bis zu 1’300 m hohen Bergen umgeben. Die Stadt beherbergt seit Jahrhunderten einen wichtigen Fischereihafen. Landwirtschaft kann hingegen nur sehr begrenzt betrieben werden, da es an Ebenen mangelt.
Kamaishi war für lange Zeit aufgrund der Bodenschätze in der Region bekannt. Mit der Eisenerzgewinnung begann man bereits vor dem Jahr 1’000, aber die richtige Ausbeutung begann erst mit der Entdeckung von Magnetit-, Gold- und Kupfervorkommen im Jahr 1727. Ab dem 19. Jahrhundert wurden massiv Eisenerze abgebaut. 1857 begann man schliesslich, das Erz in einem Hochofen westlichen Vorbilds zu verhütten. Reste des 橋野高炉 Hashino-Hochofens sind noch immer sichtbar, aber recht weit entfernt vom Stadtzentrum und nur schwer erreichbar. Kamaishi bemüht sich seit geraumer Zeit, die Überreste als UNESCO-Weltkulturerbe eintragen zulassen.
Die Stahlindustrie bestimmt auch heute noch das Stadtbild, obwohl zahlreiche Hochöfen geschlossen wurden. Wer mit dem Zug anreist, bemerkt gleich gegenüber des winzigen Bahnhofs die große Stahlmühle von Nippon Steel. Die Bedeutung der Stadt als Stahlerzeuger wurde dabei Kamaishi während des 2. Weltkrieges zum Verhängnis: Zwei Mal, am 14. Juli und am 9. August 1945, wurde die Stadt durch Schiffsartillerie von amerikanischen Kriegsschiffen stark zerstört. Beim ersten Angriff starben über 500, beim 2. Angriff über 300 Menschen. Beide Male wurden über 2’500 Geschosse abgefeuert – die Angriffe zerstörten nicht nur die Stahlmühle, sondern löste auch Großbrände im Zentrum aus.
Auf einem Hügel direkt am Stadtzentrum und hinter dem Krankenhaus befindet sich ein kleiner Park – der 薬師公園 Yakushi-Park ist über eine Reihe von Treppen erreichbar. Oben befindet sich ein Friedensdenkmal mit Photos der Innenstadt nach dem Artillerieangriff im 2. Weltkrieg und der Aufforderung, es nie wieder soweit kommen zu lassen. Vom Park aus hat man eine schöne Aussicht über die Stadt und Umgebung. Im Dezember 2011, gute 9 Monate nach dem verheerenden Tsunami vom 11. März 2011, ähnelte das Stadtzentrum allerdings ziemlich der Ansicht auf den Photos aus dem Krieg: Der Tsunami hatte grosse Lücken in das Stadtzentrum gerissen. Einige Stadtviertel wurden nahezu völlig zerstört; in der Innenstadt zerstörte die Flutwelle schliesslich das Erdgeschoss aller Häuser. Viele kleinere Häuser hielten dem Druck nicht stand und wurden fortgerissen oder irreparabel beschädigt.
Erdbeben und Tsunami sind für die Stadt allerdings nichts Neues: 1896 wurden bei einem Tsunami über 1’000 Häuser zerstört, und rund 4’700 Menschen starben. 1933 wurden gut 650 Häuser zerstört, 37 Menschen starben. Aufgrund dieser Erfahrung baute man gigantische Wellenbrecher für rund 1,5 Milliarden Dollar vor der Stadt, doch der Tsunami 2011 übersprang auch diese Hürde und verwüstete die Stadt. Ca. 1’250 Menschen kamen ums Leben oder gelten seitdem als vermisst. Diese Katastrophe wird mit hoher Wahrscheinlichkeit den enormen Bevölkerungsrückgang weiter beschleunigen.
Anreise
Die 山田線 Yamada-Linie verbindet Kamaishi mit der Präfekturhauptstadt Morioka. Die Züge fahren die Küste entlang Richtung Norden bis nach Miyako und von dort weiter bis Morioka. Allerdings wurden weite Teile der Strecke durch den Tsunami von 2011 zerstört, so dass die Strecke zwischen Kamaishi und Miyako voraussichtlich einige Jahre gesperrt sein wird. Wer Richtung Miyako nach Norden möchte, ist auf längere Sicht auf den Bus angewiesen. Es fahren Linienbusse vom Bahnhof bis 道の駅山田 Michi-no-eki Yamada (45 Minuten, 640 Yen). Von dort fahren dann Busse weiter bis Miyako – das dauert eine gute Stunde und kostet ebenfalls 640 Yen.
Die 釜石線 Kamaishi-Linie verbindet Kamaishi mit dem Hinterland – die Züge fahren über Tōno bis nach 花巻 Hanamaki und von dort in einigen Fällen weiter bis Morioka. Unterwegs hält dieser Zug in 新花巻 Shin-Hanamaki (shin=neu) – dort halten auch die Shinkansen. Von Kamaishi bis Tōno braucht der Schnellzug rund 45 Minuten, die einfache Fahrt kostet 820 Yen.
Die private 南リアス線 Minami-Rias-Linie fährt bis nach 盛 Sakari im Südosten der Präfektur Iwate. Diese rund 35 km lange Strecke wurde ebenfalls durch den Tsunami schwer beschädigt und ist auf lange Sicht unpassierbar.
Übernachtung
Ausserhalb von Kamaishi übernachtet – deshalb keine konkreten Empfehlungen.
Zu allgemeinen Übernachtungstipps siehe Übernachtungstipps Japan.