高千穂 Takachiho
Takachiho. Wörtlich: Hoch-Tausend-Ähre. Der Name tauchte nachweislich schon vor gut 1’300 Jahren auf und entsprang der japanischen Göttersaga.
Takachiho befindet sich in der nordwestlichen Ecke der Präfektur Miyazaki, zwischen dem Aso-Massiv und dem Pazifik. Bis zum Meer sind es rund 40 km, bis Kumamoto knapp 50 km – Luftlinie wohlgemerkt, und egal in welche Richtung quer durch die Berge.
Die Takachiho-Schlucht. Den Takachiho-Schrein. Ama-no-iwato mit dem Schrein und der Höhle. Die Berge.
Takachiho – Beschreibung
Takachiho ist eine kleine Gemeinde mit gerade mal 13’000 Einwohnern und Teil des Landkreises 西臼杵郡 Nishi-Usuki-Gun. In den 1970ern hatte der Ort noch rund 22’000 Einwohner, aber die Landflucht in Japan macht sich auch hier stark bemerkbar. Für Besucher ist der Ort, um es vorwegzunehmen, allerdings ein kleines Juwel. In der japanischen Mythologie spielt Takachiho eine sehr wichtige Rolle, und die Landschaft ist grandios. Da der Ort allerdings etwas abseits der Hauptverkehrsrouten liegt, steht er bei vielen Japanreisenden nicht auf dem Programm.
Takachiho liegt in einem stark zerklüfteten Gebirge mit bis über 1’700 Meter hohen Bergen in der Umgebung und tiefen Schluchten. Nahezu alle Strassen in den Ort verfügen über zahlreiche Haarnadelkurven. Bis nur nächsten, wirklich grossen Stadt – Kumamoto – sind es gute 80 Kilometer; bis zur Küste sind es 50 km. Bei schweren Taifunen, so zum Beispiel im Jahr 2006, gehen sintflutartige Regenfälle nieder, und Schlammlawinen versperren einige der Zufahrtsstraßen. Zudem kann es geschehen, dass der kleine Fluß 五ヶ瀬川 Gokasegawa das Tal überschwemmt.
Das Stadtzentrum ist sehr klein und ebenfalls sehr zerklüftet. Seit die Bahnlinie nach Takachiho vollends geschlossen wurde, kommen alle Besucher, die auf öffentlichen Nahverkehr angewiesen sind, am winzigen Busbahnhof an. Dort befindet sich auch die Touristeninformation. In der unmittelbaren Umgebung des Busbahnhofs gibt es dabei nicht viel zu sehen. Am einfachsten kommt man von dort mit dem Taxi weiter oder zu Fuß – unweit davon gibt es eine weitere Bushaltestelle mit Shuttlebussen, die bis hinunter zur Schlucht fahren.
Eine der Hauptattraktionen von Takachiho ist die 高千穂峡 Takachiho-kyō (kyō = Schlucht). Die Schlucht wurde vom oben erwähnten Fluss Gokase-gawa gebildet, der sich bei Takachiho durch wunderschöne Lavaformationen gefräst hat. Das Lava stammt hauptsächlich von massiven Ausbrüchen des nahegelegen Vulkans Aso vor ca. 100’000 Jahren. Die Schlucht ist rund 7 Kilometer lang, und die steilen Felswände meistens ca. 100 Meter hoch. Am bekanntesten ist jedoch der Abschnitt in der Nähe des 真名井の滝 Manai-Wasserfalls, der sich dort an einer engen Stelle im Fluß in jenigen ergießt. Der Anblick ist erhaben und beinahe unwirklich – steile Felswände, sehr viel Grün rundherum und der 17 m hohe Wasserfall, der sich in den Fluß ergießt. Die Stelle ist natürlich sehr bekannt in Japan und der Tourismus entsprechend ausgeprägt. Eine Serpentine führt herunter bis an den Fluß nahe des Wasserfalls. Bis zum Frühjahr 2012 fuhren von dort kleine Boote zum Wasserfall, aber der Betrieb wurde im Juni 2012 bis auf Weiteres eingestellt, da mehrmals Boote kenterten und die Besucher in Gefahr brachten. Das hat natürlich auch einen positiven Effekt, da man nunmehr einen ungetrübten Blick auf den Wasserfall hat.
Eine weitere Sehenswürdigkeit des Ortes liegt zwischen Schlucht und Busbahnhof – zu beiden braucht man nur rund 15 Minuten zu Fuß. Der 高千穂神社 Takachiho-Schrein ist ein netter, mittelgroßer Schrein inmitten der Stadt, umgeben von bis zu 800 Jahre alten japanischen Zedern. Der Legende zufolge wurde der Schrein bereits vor 1’800 Jahren angelegt. Mit Sicherheit wurde der Schrein schließlich Anfang des 10. Jahrhunderts erwähnt – als der Hauptschrein des Ortes. Im gleichen Schrein wird allabendlich von 20 bis 21 Uhr eine shintōistische Besonderheit zelebriert – die 夜神楽 (Yokagura) – Tanz und Musik im Schrein. Das wirkliche Yokagura-Festival findet an mehreren Orten rund um Takachiho statt, und zwar zwischen November und Februar. Für die Besucher wird diese Tradition allabendlich vorgeführt, und die Hauptrolle im Stück spielt ein furchterregender Teufel, der vor allem bei Kindern seine Wirkung nicht verfehlt.
In der Gemeinde Takachiho, rund 8 km vom Busbahnhof und Stadtzentrum entfernt, befindet sich einer der wichtigsten spirituellen Orte Japans – der 天岩戸神社 Amanoiwato-Schrein. Der Schrein ist in zwei Bereiche untergliedert: In den 東本宮 Higashi-Hongū – Ost-Hauptschrein und konsequenterweise den 西本宮 Nishi-Hongū (West-Hauptschrein). Ersterer ist 天照大御神 Amaterasu Ōmikami gewidmet, letzterer ist 大日女尊 Ōhirume-no-mikoto gewidmet, wobei Ōhirume im Prinzip lediglich ein anderer Name von Amaterasu ist. Amaterasu ist das erste von drei Kindern von イザナギ (auch: 伊邪那岐) Izanagi, dem Gottvater Japans und der japanischen Götter. Amaterasu wurde der Himmel anvertraut, und dementsprechend wird sie auch oft als Sonnengöttin bezeichnet. So weit der göttliche Enstehungsmythos im Shintōismus.
Amaterasu hatte jedoch einst Streit mit ihrem Bruder, 須佐之男 スサノオ Susanoo, dem Gott des Meeres und des Sturms. Der Streit eskalierte und Amaterasu beschloss, sich in einer Höhle zu verstecken – wodurch die Welt in Finsternis gestürzt wurde. Diese Höhle heißt Ama-no-iwato (“himmlische Felshöhle”) und befindet sich nur einen knappen Kilometer entfernt vom oben oben erwähnten Schrein. Vom Schrein läuft man ein kurzes Stück die Straße entlang, und danach geht es durch saftig-grüne Wälder bis zum Iwato-Fluss, der hier eher noch ein Bach ist. Und plötzlich steht man vor einem großen, schwarzen Loch in den steilen Felswänden. Die Höhle ist nicht tief, und im Inneren steht ein Torii. Rund um die Höhle haben Besucher tausende winzige Steinpyramiden aufgeschichtet. Der Ort gilt in Japan nunmehr als sogenannter “Power Spot” – man mag daran glauben oder nicht, aber die Höhle strahlt in der Tat eine besondere, ehrfürchtige Atmosphäre aus. Dazu trägt natürlich auch die wunderschöne Landschaft bei.
Da die Welt nun im Finsteren lag, beratschlagten die anderen Götter, wie man sie wieder hervorlocken könnte. Schliesslich versammelten sich die Götter vor der Höhle und machten großen Lärm. Die neugierige Amaterasu wollte daraufhin sehen, was dort los ist, und stand plötzlich vor dem von den Göttern aufgetriebenen Spiegel 八咫鏡 Yata no Kagami. Neugierig geworden, kam Amaterasu aus der Höhle – sie dachte, es handele sich um eine andere, neue Sonnengöttin. Schnell wurde ihr der Weg zurück in die Höhle versperrt, und schon wurde die Welt wieder in Licht getaucht. Der Spiegel zählt heute übrigens zu den 3 Throninsignien des Tennō – aber keiner weiß, wie er aussieht.
Da Amanoiwato recht weit weg liegt, ist man auf Verkehrsmittel angewiesen. Es fahren wohl gelegentlich Busse, aber die sind recht selten. Ansonsten bleibt nur das Taxi – am besten einen festen Preis mit dem Taxifahrer aushandeln (viel Verhandlungsspielraum hat man nicht – die einfache Fahrt kostet knapp 2’000 Yen, aber man kann sich darauf einigen, dass der Taxifahrer für eine gewisse Weile dort wartet, um zurückzufahren).
Zusammenfassend läßt sich sagen, dass Takachiho ein absoluter Geheimtipp ist – nicht zuletzt dank der Abgeschiedenheit. Die Landschaft ist traumhaft schön, und an Kultur und Geschichte mangelt es nicht. Zudem gibt es auch etliche heiße Quellen (onsen) und schöne Herbergen in der Stadt.
Mehr zu Takachiho siehe Reisebericht aus Kyushu.
Anreise
Takachiho war einst mit der Stadt 延岡 Nobeoka an der Küste durch eine eigene Eisenbahnlinie verbunden. Ein schwerer Taifun im Jahre 2005 zerstörte jedoch Teile der Bahnlinie stark, und es wurde beschlossen, den Bahnverkehr völlig einzustellen. Deshalb kommt man nur noch mit dem Auto oder dem Bus nach Takachiho. Die Stadt liegt dabei zwar in der Präfektur Miyazaki, aber sie ist leichter von Kumamoto zu erreichen. Von dort fahren einige Busse pro Tag nach Takachiho – und viele davon weiter bis ins bereits erwähnte Nobeoka. Die einfache Fahrt kostet 2’300 Yen, die Hin- und Rückfahrkarte 4’000 Yen. Die Fahrt dauert knappe drei Stunden, und so der Verkehr normal ist, macht der Bus ein bis zwei Mal Pause. Da die Fahrt quer durch die Riesencaldera des Aso führt, ist die Landschaft fast die gesamte Strecke entlang schlichtweg spektakulär. Der Bus fährt auch am Flughafen von Kumamoto vorbei – von dort dauert es nur rund 2 Stunden. Von Nobeoka braucht man mit dem Bus nur eine Stunde – und Nobeoka ist an das Bahnnetz angeschlossen: Von dort kommt man in ein paar Stunden nach Miyazaki im Süden und Beppu und Ōita im Norden.
Übernachtung
In und um Takachiho gibt es zahlreiche Unterkünfte, und die meisten sind relativ klein gehalten. Viele Unterkünfte befinden sich allerdings recht abgelegen vom Zentrum (bzw. besser gesagt der Bushaltestelle), so dass man auf sein eigenes Gefährt oder auf Taxis angewiesen ist. Die Herberge 御宿 春芽 Harume ist sehr empfehlenswert – sie liegt zwar etwas abseits (rund 1’000 Yen mit dem Taxi), aber die Unterkunft und die Lage sind sehr schön – und das Essen ist sehr, sehr empfehlenswert. Preislich liegt die Herberge im Mittelfeld – mit reichhaltigem Abendbrot (japanisch) und Frühstück (natürlich ebenso japanisch) sollte man gute 8’000 Yen einplanen, aber die sind auch gerechtfertigt. Ausserdem befindet sich rund 10 Minuten zu Fuß von der Herberge entfernt, auf der anderen Seite des Reisfeldes, eine große heiße Quelle (onsen). Die Adresse: 宮崎県西臼杵郡高千穂町大字三田井328-1 (Miyazaki Pref. Nishi-Usuki-Gun Takachiho-chō Ōaza Mitai 328-1. Die Telefonnummer: 0982-72-3325. Webseite: mirakuru.jp/harume.
An dieser Stelle eine kleine Empfehlung in Sachen Küche: Keine 100 m entfernt vom Busbahnhof/Taxizentrale gibt es ein kleines, altes Café-Restaurant namens カリンカ Kalinka. Das Café ist alt aber liebenswert eingerichtet und die Bedienung sehr nett – das Essen ist herzhaft und typisch für ein Restaurant vor 30, 40 Jahren in Japan. Der richtige Ort, um die Spezialität der Präfektur, Chicken Nanban, zu probieren.
Zu allgemeinen Übernachtungstipps siehe Übernachtungstipps Japan.