Region | 中国 Chūgoku | |
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Präfektur | 島根県 Shimane | |
Rang | ![]() |
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Name | Der Name setzt sich aus den Schriftzeichen 津 (SHIN, tsu) für “Hafen”, 和 (WA, yawa-ragu, nago-mu) für “Frieden, Harmonie” und 野 (YA, no) für “Feld” zusammen. Einer Theorie zufolge kommt der Name von der Pflanze “Tsuwabuki” (Japanischer Scheingoldkolben, auch: Leopardenpflanze) und würde dann bedeuten “Feld, auf dem japanische Scheingoldkolben wachsen”. | |
Lage | Tsuwano liegt im äußersten Südwesten der langgestreckten Präfektur Shimane am Japanischen Meer. Vom Stadtzentrum bis zur Präfekturgrenze mit Yamaguchi sind es gerade mal 3 Kilometer. Der Ortskern liegt im Tal des Tsuwano-Flusses. Bis zum Japanischen Meer sind es rund 25 Kilometer Luftlinie, bis zur Seto-Binnensee rund 45. Die Präfekturhauptstadt Matsue liegt fast genau 200 Straßenkilometer entfernt; bis Hiroshima hingegen sind es lediglich gut 100 Kilometer. Bis Tokyo sind es gut 750 Kilometer Luftlinie (und bis Südkorea weniger als 250 Kilometer). |
Tsuwano – Beschreibung
Tief versteckt in den Bergen und dort, wo die Präfekturen Yamaguchi, Shimane und Hiroshima aneinandergrenzen, liegt der ländliche Verwaltungsbezirk 鹿足郡 – das Gebiet ist fast 650 Quadratkilometer groß und Heimat von gut 11’000 Menschen. Mit einer Einwohnerdichte von weniger als 18 Einwohnern pro Quadratkilometer ist die Gegend extrem dünn besiedelt – selbst auf Hokkaido ist die Dichte fast 4 Mal so hoch. Kanoashi-gun wird in zwei -chō untergliedert. -chō (auch machi) ist in Japan eine Verwaltungseinheit zwischen Dorf und Stadt.
Eine der beiden Kleinstädte ist Tsuwano. Das Gebiet von Tsuwano ist gut 300 Quadratkilometer groß, hier leben rund 6’000 Menschen. Das war nicht immer so – 1970 lebten hier noch mehr als 15’000 Menschen, doch der Wegzug junger Menschen, die geringe Geburtenrate und die Überalterung der verbliebenen Bevölkerung haben hier bereits tiefe Spuren hinterlassen – in den 2040 könnte die Gegend fast menschenleer sein.
Die Gegend besticht durch wunderschöne Natur mit fast 1’000 m hohen Berggipfeln, viel Wald und glasklaren Bergbächen. Aufgrund der Abgeschiedenheit des Ortes und der Tatsache, dass die engen Flusstäler nicht viel Bauland oder landwirtschaftlich nutzbare Flächen hergeben, hat sich hier nie nennenswerte Industrie ansiedeln können. Dafür gibt es ein paar Kilometer weiter westlich ein kleines Skigebiet, denn im Winter können hier durchaus beachtliche Mengen an Schnee fallen.
Die kleine Altstadt von Tsuwano gehört zu einer von dutzenden Orten in Japan, die als 小京都, “kleines Kyoto”, bezeichnet werden: Das klingt zwar sehr viel versprechend, aber in Japan kennzeichnet das einfach “nur” einen Ort, in dem das alte Stadtbild noch halbwegs gut erhalten ist (das ist jedoch in Japan relativ selten). Zu den anderen, als “kleines Kyoto” bezeichneten Orten gehören unter anderem das nur gut 50 Kilometer entfernte Hagi, Bitchu-Takahashi, Kakunodate, Obama und Matsumae, um nur Einige zu nennen. Die kleine Innenstadt beginnt am Bahnhof Tsuwano, ist gut zwei Kilometer lang und nur wenige hundert Meter breit. Parallel zur Altstadt verläuft der gleichnamige Tsuwano-Fluss.
Obwohl relativ abgelegen, wurde hier bereits Anfang des 14. Jahrhunderts eine erste Burg errichtet – mehr zur Burg siehe unten. Danach gab es hier zwar bis 1871 ein eigenes Lehen, regiert vom Tsuwano-Clan, aber aufgrund der topographischen Gegebenheiten entwickelte sich der Ort nie zu einer größeren Siedlung. Und dennoch ist Tsuwano seit 1995 Partnerstadt von Berlin-Mitte, aber mehr dazu siehe unter Mori Ōgai weiter unten.
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Katholische Kirche Tsuwano (津和野カトリック教会)
Mitten im Stadtzentrum, welches sehr traditionell japanisch daherkommt, steht man plötzlich vor einer kleinen Kirche. Nun gibt es in Japan viele Kirchen – doch je echter eine japanische Kirche wie eine Kirche aussieht, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass es sich nicht um eine echte Kirche handelt, sondern einfach nur um eine “Scheinkirche”, die eigens für Hochzeitszeremonien gebaut wurde. Dafür ist diese Kirche jedoch zu klein – denn es handelt sich hier tatsächlich um eine echte, katholische Kirche.
Die schnuckelige Minikirche im gotischen Stil wurde 1931 von Jesuitenpater Andreas Schäfer SJ (1879–1951) geplant und errichtet – dieser war seit 1922 auf Missionarstätigkeit in Japan. Doch so europäisch die Kirche auch aussehen mag – im Inneren, hinter Bleiglasfenstern, liegen Reisstrohmatten auf dem Boden. Von der Größe her gibt es mehrere solcher Kirchen in Japan – der Großteil dieser Kirchen befindet sich jedoch auf Kyushu, vor allem auf Amakusa, den Goto-Inseln, Hirado und in der Stadt Nagasaki.
Der Hintergrund dieser abgelegen in Tsuwano gelegenen Kirche ist durchaus tragisch: In der Edo-Zeit wurden Christen in Japan so sehr verfolgt, dass ihnen nichts weiter üblich blieb, als ihren Glauben im Verborgenen nachzugehen. Im Jahr 1865 offenbarten sich plötzlich ein paar Christen vor dem in Nagasaki zu Besuch weilenden Pater Bernard-Thadée Petitjean – sowohl die Ausländer als auch die japanische Militärregierung, das Bakufu in Edo, waren überrascht, dass es in Japan (noch) Christen gibt. Nun ging die Edo-Zeit bereits ihrem Ende entgegen, doch noch war die Zeit für die Christen nicht gekommen: Man trieb die Christen, die man finden konnte (über 3400) zusammen und liess sie in verschiedene Landesteile zwangsumsiedeln. So landeten in den Jahren 1868 und 1870 insgesamt 153 Christen in Tsuwano, wo sie in einem Tempel interniert wurden. Sie wurden darauf schweren Folterungen unterzogen, mit dem Ziel, sie vom Glauben abzubringen. 6 Christen entsagten aufgrund der Folter schließlich dem eigenen Glauben – bei ihnen war der 改心 genannte Prozess vom Standpunkt der Folterer erfolgreich. Der Rest weigerte sich jedoch – und 37 Christen überlebten die Torturen nicht. 1873 wurde schließlich aufgrund zahlreicher internationaler Kritik das Verbot des Christentums aufgehoben. Die Bewohner von Tsuwano versuchten daraufhin, die Spuren des Martyriums zu verwischen, doch ein französischer Priester, Amatus Villion, sorgte dafür, dass ein Denkmal an die Märtyrer erinnert.
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Mori Ōgai-Museum (森 鴎外記念館)
Am südlichen Ende des Ortes gibt es für Diejenigen, die sich für japanische Literatur interessieren, einen ganz besonderen Ort – das Mori Ōgai-Archiv nebst Moris altem Wohnhaus. Mori wurde 1862 als Mori Rintarō in Tsuwano in eine Medizinerfamilie hereingeboren. Er folgte der Familientradition und begab sich nach Tokyo, um dort Medizin zu studieren. Da Japan zu jener Zeit viele Aspekte des Gesundheitswesens von Preußen übernahm, fanden viele der Vorlesungen auf Deutsch statt, und so begann Mori, Deutsch zu erlernen. Nach dem Studium trat er dem Militär als Militärarzt bei. 1884 wurde er mit einer Gruppe anderer Japaner auserkoren, in Deutschland zu studieren, und so schiffte er in Yokohama ein – das Ziel war Preußen. Dort verbrachte er ein paar Jahre in Berlin, Leipzig, Dresden, Karlsruhe und München.
In Preußen studierte er von 1884 bis 1888 Medizin – doch schon vor dem Ausflug ins ferne Europa entdeckte Ōgai, so sein Künstlername, seine schriftstellerische Ader. In einem seiner bekanntesten Romane, dem Buch 舞姫, beschreibt er ziemlich ausführlich die Gegend des heutigen Berlin-Mitte zur Zeit Preußens, und so kam es, dass Berlin-Mitte und Tsuwano im Jahr 1995 eine Städtepartnerschaft schlossen. Das Buch ist auch auf Deutsch erhältlich – unter dem Titel “Das Ballettmädchen” (Sponsored Link!).
Mori Ōgai entwickelte sich zu einem bedeutenden Dichter der japanischen Moderne – doch er verfolgte gleichzeitig seine Karriere als Stabsarzt. So wurde er schließlich zum Generaloberstabsarzt des Heeres – das ist die höchste Position im Medizinkorps. Hier machte er jedoch einen gravierenden Fehler: Während der Admiraloberstabsarzt der Kaiserlichen Marine erkannte, dass die Beriberi-Krankheit, die vor allem in den japanischen Kriegen rund um das Jahr 1900 ausbrach, auf mangelnde Ernährung zurückgeht und ihr damit relativ einfach vorgebeugt beziehungsweise jene schnell geheilt werden kann, lehnte Mori diese neuen Erkenntnisse ab und ging weiterhin davon aus, dass es sich um eine Infektionskrankheit handelt. Die Folge: Während es bei der Marine keine auf Beriberi zurückgehende Todesfälle gab, starben im Heer mehr als 20’000 Soldaten an der Krankheit.
Darüber findet man in Mori Ōgais Werken nichts – auch das Mori Ōgai-Forschungsinstitut in Tsuwano schweigt zu dem Thema, denn die Angelegenheit ist schwierig: Ein für die japanische Literaturgeschichte so bedeutsamer, feinfühliger Dichter ist gleichzeitig verantwortlich für den Tod zehntausender Menschen. Das kleine Museum ist dennoch sehr interessant, aber nur mit Japanischkenntnissen. Der Eintritt kostet 600 Yen, und man kann damit nicht nur das moderne Museum besuchen, sondern auch Mori Ōgais ehemaliges, bescheidenes Wohnhaus.
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Tsuwano-Burgruine (津和野城跡)
Tsuwano entwickelte sich in der Edo-Zeit, also vom 17. bis zum 19. Jahrhundert, als Burgunterstadt – die Burg selbst stand einst auf dem Gipfel des 367 Meter hohen 霊亀山. Das klingt nicht nach einer allzu großen Höhe, doch der Berg ist sehr steil, und der Höhenunterschied zum Tal liegt bei rund 200 Metern. Erstmals entstand hier bereits Ende des 13. Jahrhunderts eine Burg. Die Lage ist strategisch ideal, kann man doch von hier eines der wichtigsten Täler und damit einen wichtigen Handelsweg überblicken.
Die erste Burg war im Besitz des Yoshimi-Clans – und das 319 Jahre beziehungsweise 14 Generationen lang. Auf die Yoshimis folgte Sakazaki, doch der blieb nur eine Generation lang. Darauf folgte der Kamei-Clan, der 11 Generationen und insgesamt 225 Jahre lang hier residierte. Anfang des 17. Jahrhunderts, von 1600 bis 1616, wurde eine größere und prächtigere Burg errichtet, doch die Freude daran währte nicht lange – das Hauptgebäude wurde 1686 durch ein von einem Blitzschlag verursachten Brand völlig vernichtet und nie wieder aufgebaut.
Zwar wurde die Burg danach noch als Befestigungsanlage benutzt, doch der Clan residierte fortan am Fusse des Berges. Als 1871, im Zuge der Modernisierung Japans, nahezu alle Burgen des Landes geschliffen wurden, machte man sich in Tsuwano nicht die Mühe, die noch immer in voller Pracht erhalten gebliebenen Burgmauern zu zerstören, weshalb diese auch heute noch gut sichtbar sind.
Man kann zur Burg hochlaufen, doch es gibt auch einen alten und nicht sehr Vertrauen erweckenden Sessellift vom Fusse des Berges – jeder zweite Sitz ist kaputt, aber immerhin schwebt der Sessellift auf der ganzen Strecke nur eins, zwei Meter über der Erde. Die Hin- und Rückfahrt kostet 700 Yen, der Lift ist von 9-16:30 in Betrieb – aber nicht an Werktagen von Dezember bis Februar. Von der oberen Station sind es rund 20 Minuten zu Fuss bis zur Burgruine – ein schöner Spaziergang, der mit einem fantastischen Blick über das Tal belohnt.
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Natürlich darf es hier auch an Schreinen nicht mangeln – so befindet sich rund 100 Meter oberhalb der Stadt und unweit der Talstation des Sessellifts der Taikodani-Inari-Schrein. Wie bei vielen Inari-Schreinen in Japan führt auch hier ein Weg durch zahlreiche, typisch zinnoberrot lackierte Tore (siehe Fushimi-Inari-Schrein in Kyoto). Hier gibt es immerhin rund 1000 dieser Torbögen. Der Schrein ist für japanische Verhältnisse ziemlich neu – er entstand erst im Jahr 1773 und wurde vom Kamei-Clan in Auftrag gegeben. Die nahmen sich in der Tat den Fushimi-Schrein in Kyoto zum Vorbild.
In ganz Japan gibt es insgesamt rund 30’000 Inari-Schreine – 3’000 davon sind “richtige” Schreine, der Rest zum Teil winzig kleine, manchmal private Schreine. Der Taikodani-Inari-Schrein wird dabei von Einigen als einer der 5 wichtigsten Inari-Schreine betrachtet.
Inari steht als shintoistische Gottheit für Reis, den Haushalt, allgemeines Wohlergehen und Geschäftsglück – dementsprechend beliebt sind Inari-Schreine, da sie für fast alle Sachen Glück versprechen. Beim Taikodani-Inari-Schrein kann man auch sein Auto segnen lassen – das ist in Japan durchaus beliebt.
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Anreise
Tsuwano liegt an der JR 山口線, der Yamaguchi-Linie – diese verbindet Shin-Yamaguchi, ein Shinkansenbahnhof, mit der kleinen Stadt Masuda am Japanischen Meer. Die Strecke war die letzte in Japan, auf der noch ganz regulär Dampflokomotiven verkehrten (das war bis 1975).
Auf der Strecke verkehren normale Bummelzüge wie auch Expresszüge (wie der Super-Oki-Express und der Super-Matsukaze-Express). Von Shin-Yamaguchi braucht man mit dem Expresszug gut eine Stunde (2’370 yen), mit dem Bummelzug braucht man fast zwei Stunden. Der Expresszug fährt dann weiter bis Tottori – doch selbst mit dem Expresszug dauert die Fahrt 4½ Stunden (die sich jedoch lohnen, denn man fährt immer an der Küste entlang). Unweit des Bahnhofs von Tsuwano kann man sich ein Fahrrad leihen – weit kommt man mit denen natürlich nicht, denn der Talkessel ist klein und die Berge sind hoch.
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Übernachtung
Auswärts übernachtet, daher keine persönlichen Tipps. In der Stadt gibt es ein paar kleinere Ryokans und ein winziges Business-Hotel unweit des Bahnhofs. Zu allgemeinen Übernachtungstipps siehe Übernachtungstipps Japan.