Wieder einmal ging ein Aufschrei ins Land, als vor rund zwei Wochen eine gewisse Karolina Shiina den 56. Miss Nippon (nicht zu verwechseln mit Miss Japan, Miss Universe Japan usw.) – Schönheitswettbewerb gewann. Das hochgewachsene Model lebt zwar in Japan seit sie 5 Jahre alt ist – sie besitzt auch die japanische Staatsbürgerschaft – doch da noch nicht ein Mal ein Elternteil aus Japan stammt, sticht die gebürtige Ukrainerin natürlich aus der Gruppe der Konkurrentinnen besonders hervor. Das ging vielen gegen den Strich – welchen Sinn hat solch eine Miss-Wahl, wenn die Kandidatin, zumindest rein optisch, keinerlei japanische Merkmale aufweisen kann? Fielen rutschte dort das Wort ずるい (zuru-i, “gemein, unfair”) über die Lippen – es ist allgemeiner Konsens in Japan, dass japanische Frauen in Sachen Aussehen mit vielen ausländischen Frauen nicht mithalten können. Das sei mal so dahingestellt, denn die Schönheit liegt bekanntermaßen im Auge des Betrachters.
Die Diskussion erinnert auch an die Reaktion der Presse über den Hype um Tennisspielerin Naomi Ōsaka. Diese ist Halb-Japanerin und beschloss vor mehr als 5 Jahren für Japan anzutreten, doch ihr kultureller und sprachlicher Hintergrund lag schon immer mehr in der USA und ihr Japanisch ist eher dürftig. Bei Frau Shiina ist es eher andersrum – sie spricht allerbestes Japanisch und verbrachte den allergrößten Teil ihres Lebens in Japan, und zwar als ihre biologische Mutter 2002 einen Japaner heiratete und nebst Tochter nach Nagoya übersiedelte. Eigenen Angaben zufolge war es oft schwer, der Umwelt beizubringen, wo ihr Herz schlägt, und das kann ich gut nachvollziehen. Nicht-Japaner werden eben prinzipiell als Nicht-Japaner betrachtet und auch erstmal so behandelt.
Die Diskussion um ihren Titelgewinn nahm nun ein abruptes Ende, denn vorgestern bestätigte die 26-jährige, ein Verhältnis mit einem verheirateten Mann zu haben. Das ist ein klarer Verstoß gegen die Regeln der Miss Nippon-Organisation. Zwar gab sie anfangs noch an, nicht gewusst zu haben, dass der Mann verheiratet sei, doch diese Aussage wurde schnell widerlegt. Dem Ausrichter des Schönheitswettbewerbes zufolge wird der Titel in diesem Jahr nicht noch einmal vergeben – stattdessen bleibt der Thron leer.
In dem Sinne sind diese Schönheitswettbewerbe wohl wirklich ein Anachronismus – einerseits kann man die Bedenken schon verstehen, andererseits kann man auch einwerfen, dass Frau Shiina wie jeder andere Mensch auch das Recht dazu hat, an einem Schönheitswettbewerb teilzunehmen. Das geht für sie eben nur in Japan, da sie ja – eigenen Angaben zufolge – noch nicht einmal Ukrainisch sprechen kann und auch sonst keine Beziehungen zu ihrem Land hat. Und wo zieht man die Grenze, wer bestimmt, was typisch Japanisch ist und was nicht — schließlich unterscheiden sich auch Japaner in ihren äußerlichen Merkmalen durchaus beträchtlich.
In diesem Jahr ist die Diskussion darüber aus obigem – meines Erachtens ebenfalls anachronistischen Grundes – zum Erliegen gekommen, doch sie wird immer wieder aufflammen, denn die Zahl der “biologischen” Ausländer mit japanischem Pass wird zwangsläufig steigen.
Titelbild Quelle: Miss Nippon Association