BlogWie ein Manga Ängste schüren kann: Erdbebenprophezeiung hält Touristen...

Wie ein Manga Ängste schüren kann: Erdbebenprophezeiung hält Touristen fern

-

Seit etlichen Wochen geistern diverse Gerüchte durch die sozialen Medien – durch die japanischen, mehr aber noch durch die Netzwerke von Hongkong und Taiwan. Es geht um eine Prophezeiung – diese soll besagen, dass Japan im Juli 2025 von einem schweren Erdbeben heimgesucht werden wird. Doch woher kommt dieses Gerücht? Und was für Folgen hat es?

Alles fing mit dem Manga watashigamita未来mirai (“Die Zukunft, die ich gesehen habe”). Das Buch entsprang der Feder von Tatsuki Ryō (たつき 諒), geboren 1954, und erschien erstmals im Jahr 1999. Sie war seit 1975 als Mangazeichnerin aktiv und das durchaus auch erfolgreich – so schrieb sie zum Beispiel Ende der 1990er eine Folge von “furchterregenden Ereignissen, die es wirklich gab” – die gesammelten Geschichten wurden dann im obigen Werk zusammengefasst. So weit, so gut. Dann kam die schwere Erdbeben- und Tsunamikatastrophe vom März 2011, und irgendjemand erinnerte sich an den nunmehr 12 Jahre alten und natürlich schon lange verlegten Manga. Der Grund war nicht der Inhalt des Manga, sondern der Einband:

Titelblatt des Manga von 1999
Titelblatt des Manga von 1999
... und der Grund der Aufregung stark vergrößert
… und der Grund der Aufregung stark vergrößert

Auf dem Einband steht ein Blatt mit dem Titel “Traumaufzeichnungen” (Traumtagebuch) 1985-1999 – daneben sechs Blätter, auf denen unter anderem ein ausbrechender Vulkan sowie eine Explosion zu erkennen sind. Auf einem Blatt steht schlicht Dai災害saigai2011nen3gatsu – “Große Katastrophe März 2011”. Allerdings wird auf diese eine “Prophezeiung” im Buch selbst überhaupt nicht eingegangen – es gibt keinerlei Vermerke dazu. Dennoch sprach sich die Vorhersage schnell herum, und so wechselten alte Exemplare des Manga für mehrere Tausend Euro die Besitzer, denn viele Menschen wollten natürlich wissen, was sonst noch prophezeit wurde. Die Auflage des Buches ist übrigens unbekannt, aber der Verlag zählt nicht zu den großen Verlagen, und da das Buch nun schon 12 Jahre alt war, kann man davon ausgehen, dass sich nicht mehr allzu viele Exemplare in Zirkulation befanden beziehungsweise befinden.

Eigentlich gab die Zeichnerin im gleichen Jahr des Erscheinens des Buches bekannt, mit dem Zeichnen aufhören zu wollen. Doch der Druck auf die Zeichnerin, eine neue Version zu schreiben, wurde immer größer, und so erschien im Jahr 2021 der Nachfolger watashigamita未来mirai完全kanzenban, die “Vollständige Auflage”. Das neue Buch besteht nicht nur aus Zeichnungen, sondern vielmehr aus zahlreichen Traumskizzen und Erläuterungen. Auf Seite 83 beschreibt eine Skizze einen gewaltigen Tsunami, der “1/3 bis 1/4 der japanischen Pazifikküste verschlingen wird”. Es wird erstaunlich detailliert: Grund sei “…nicht der Nankai-Graben, sondern eine gewaltige Explosion am Meeresboden, welche die philippinische Platte nach oben schnellen lässt und im gesamten Pazifikraum für einen gewaltigen Tsunami sorgen wird”. Das soll im Juli 2025 der Fall sein – und nun fragen natürlich alle im Netz, ob das nicht etwas genauer geht. Hier und dort findet man dazu Genaueres: 5. Juli, 4:18 morgens. Doch das ist nicht Teil der Prophezeiung, sondern Tages- und Uhrzeit des Traumes, so sagt es zumindest die Skizze (und zwar im Jahr 2021).

Natürlich spielt nun das Netz verrückt. Das neue Buch verkaufte sich schon über eine Million Mal – allein in Japan. Und in China, hauptsächlich wohl in Hongkong und Taiwan, kursiert nun das Gerücht, dass diese Prophezeiung existiert und man deshalb Japan zu dieser Zeit besser meiden soll. Mit ganz konkreten Folgen, wie unter anderem hier berichtet wird: Einige Fluggesellschaften wie “Greater Bay Airlines” oder “Hongkong Airlines” haben aufgrund dieser Gerüchte schon Flüge nach Japan reduziert.

Verlag und Autorin weisen jegliche Verantwortung von sich und sagen, dass es sich nicht um reisserische Panikmache handelt. Nun ja, zumindest beim Nachfolgewerk dürften aber sowohl der Verlag als auch die Autorin genau gewusst haben, wie die neue, und diesmal ziemlich detaillierte Prophezeiung ankommen wird. Die Zeichnerin meinte allerdings auch, dass ihr neues Buch dazu beitragen soll, das Bewusstsein der Menschen in Sachen Katastrophenschutz zu ändern, und der Punkt ist durchaus valide: Gerade in Japan kann es wirklich nicht schaden, wenn man sich etwas Zeit nimmt und durchgeht, was im Fall der Fälle zu tun ist – sprich, wohin man fliehen soll, was für Vorräte man haben sollte und so weiter.

Ansonsten gilt wie für alle Prophezeiungen: Bei Millionen und Abermillionen von Prophezeiungen stimmt natürlich auch mal was. Aber sollte diese hier wirklich stimmen, fresse ich einen Besen.

tabibito
tabibitohttps://japan-almanach.de
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei der Tabibitos Blog empfohlen.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Neueste Beiträge

Wie ein Manga Ängste schüren kann: Erdbebenprophezeiung hält Touristen fern

Seit etlichen Wochen geistern diverse Gerüchte durch die sozialen Medien – durch die japanischen, mehr aber noch durch die...

Der alte Fahrradladen um die Ecke

So es nicht in Strömen gießt oder gar schneit, laufe ich jeden Tag die knapp 2 Kilometer vom Bahnhof...

Neuer Global Gender Gap Report: Japan bleibt weit hinten (Platz 118 von 148)

Heute wurde der neue Global Gender Gap Report des Weltwirtschaftsforums veröffentlicht – ein jedes Mal interessanter Bericht darüber, wie...

Japan reformiert Gefängniswesen – zum ersten Mal seit 118 Jahren!

Wer sich ausführlicher mit Japan beschäftigt, stößt ziemlich schnell auf eine für viele unerwartete, brutal erscheinende Gegebenheit: Dass japanische...

Demnächst (25. Juni 2025): Tabibito-Vortrag bei der OAG

Dieser Post erfolgt zur Abwechslung mal aus einem Schnellzug, der gerade den Bahnhof von Taschkent mit Fahrtziel Buchara verlassen...

Suwa – ein schöner See und Ort, umgeben von schneebedeckten Bergen

Der Suwa-See und der gleichnamige Ort sind bekannt für alte und schöne Schreine, ein verrücktes Fest und eine atemberaubende Bergwelt

Must read

Die 10 beliebtesten Reiseziele in Japan

Im Mai 2017 erfolgte auf dem Japan-Blog dieser Webseite...

Auch lesenswertRELATED
Recommended to you