Wer momentan an der Beweisführung für den sogenannten Matthäus-Effekt arbeitet, kann mit Sicherheit in Japan fündig werden. Dieses Jahr wird wohl mit einigen Rekorden in die Annalen eingehen. Das schwere Erdbeben am 11. März mit dem nachfolgenden Tsunami war da erst der Anfang, aber Japan hat ja noch weit mehr als das zu bieten. Taifune und Starkregenereignisse zum Beispiel. Ein starker Taifun richtete erst in der vergangenen Woche grosse Schäden in Westjapan an. Vom 26. bis 30. Juli war dann die Präfektur Niigata und der Westen von Fukushima (das AKW Fukushima I steht im Osten) dran: Drei Tage regnete es dort ununterbrochen, an einigen Orten bis zu 400 mm pro Tag. Ganze Landstriche und Ortschaften standen und stehen unter Wasser, 4 Menschen kamen bisher ums Leben und ein Teil der Infrastruktur hat stark gelitten. Rund 400’000 Menschen wurde die Evakuierung angeordnet – darunter sind auch tausende Menschen, die bereits als Flüchtlinge behelfsmässig untergebracht waren.
Da vergisst man doch glatt die Erdbeben. Vorgestern nacht um 4 Uhr morgens gab es erst ein Beben der Stärke 6.4, quasi gleich in der Nähe des AKW, und in weiten Teilen Chibas und Tokyos mit der Stärke 3 nach der japanischen Skala deutlich spürbar. Vor einer Stunde bebte es dann westlich der Izu-Halbinsel, Stärke 6.1; auch das war in Tokyo und Chiba mit Stärke 3 stark spürbar.
Zum Glück gibt es noch andere Sprichwörter. Zum Beispiel “Es kann ja nicht immer regnen”. Oder?
Gestern gab es in der Sendung “Mr. サンデー” (Mr. Sunday – in etwa vergleichbar mit Spiegel TV, so es das noch gibt) einen interessanten Beitrag über die Wahrnehmung von Radioaktivität in Japan. Man verglich dabei die heutigen Werte in den sogenannten Hotspots (also Orten, in denen die Radioaktivität nach dem AKW-Unglück von Fukushima 1 deutlich zunahm) und anderen Orten weltweit, wie etwa Rom. Da war zwar nicht allzu viel Neues dabei, aber die Hintergrundinformationen über die Strahlenbelastungsgrenze in Japan (zur Zeit 20 Millisievert pro Jahr) waren recht interessant: Dazu sprach unter anderem der Chef der Internationale Strahlenschutzkommission, der nur lapidar meinte, dass Japan den untersten Grenzwert gewählt hat und alles unter 100 Millisievert pro Jahr eine “blackbox” ist – man weiss nicht, ob eine Belastung unter 100 Millisievert etwas ausmacht. Die Empfehlungen der Strahlenschutzkommission (PDF, deutsch) lesen sich nicht ganz so zuversichtlich, aber die Diskussion um die Werte zeigt eins: Nicht nur die Reaktoren sind überhitzt, sondern auch die Gemüter: Die Regierung meint, da ist doch noch Platz mit den Grenzwerten, während einige Verbände erbost einen Grenzwert von 1 Millisievert / Jahr fordern.
It can’t rain all the time… ein Song von Jane Siberry zum Film “The Crow”. Fällt mir dazu ein. Sind denn durch die Taifune noch Beschädigungen aufgetreten an den AKW? Auch wenn nicht Fukushima I betroffen war. Ich bin gespannt, was nun mit den Werten im Grundwasser passiert, nach diesem enormen Regen.
Danke für den Artikel.
Danke für den Bericht. Auch bei uns gab es die letzte Woche bis Sonntag abend Dauerregen. Es gab wohl auch Hochwasserwarnungen für unser Land Brandenburg. Aber was ist das schon, zu euren Problemen. Ich habe Deinen blog
auch bei mir auf der Seite verlinkt, damit vielleicht doch der eine oder andere mal bei Dir liest.
Ich finde es schlimm, dass Japan aus den Neuigkeiten bei uns vollkommen raus ist, es ist mir unverständlich. Es wird einfach so zur Tagesordnung übergegangen. Und sicher werden noch viele Menschen bei euch keinen Wohnraum haben.
Dir noch eine gute Woche.
In Fukushima wurden zwischen 2 Blöcken jetzt 10 Sievert gemessen. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, daß es bei diesen hohen Werten auf Dauer zu keiner oder nur geringer Belastung für Rest-Japan kommt.
Ich wünsche Dir und Deier Familie alles Gute!
Bei solchen Meldungen in der Medien würde ich so langsam nervös werden :
http://www.handelsblatt.com/technologie/energie-umwelt/umwelt-news/was-tun-sie-da-eigentlich/4456648.html
Nun, wenn man erstmals an einer Verbindungsröhre zwischen zwei Blöcken mit vorheriger Kernschmelze Radioaktivität misst, ist es kein Wunder, solche und noch höhere Werte festzustellen. Diese Meldung ändert nichts, und ich habe keine Ahnung, warum gerade diese Meldung in den ausländischen Medien plötzlich aufgegriffen wird. Dass die Strahlenwerte in unmittelbarer Nähe der Reaktoren tödliche Werte erreichen, ist doch wohl selbstverständlich.
Sauregurkenzeit. Es liegt gerade scheinbar nichts vor, womit man die Bevölkerung hier in Deutschland derzeit noch so richtig schocken kann. Die Ereignisse in Norwegen klingen in der Presse gerade ab, da musste was anderes her. Manchmal frage ich mich was in den Köpfen der Pressemenschen so vorgeht.
Das ist nicht ganz richtig, margit.
Im Telepolis Forum gehen die Leute sich gerade wegen der 10Sv/h Meldung auf SPON wieder mal verbal an die Wäsche. Auf einer völlig unzureichenden Datenbasis, versteht sich. Die Verschwörungstheorien treiben da gerade schon wieder sehr merkwürdige Blüten. Der Reisende müsste demnach eigentlich schon an der Strahlenkrankheit eingegangen sein.
Offensichtlich sind sachliche Diskussion derzeit kaum mehr möglich. Ich freue mich schon auf das Gespräch mit meiner greisen Grossmutter, wenn sie erfährt, dass ich eigentlich nächste Woche nach Fukuoka fliege. Das wird ein Spass.
Naja, warum diese 10Sv/h Meldung aufgegriffen. Weil mal erst mal gar nichts “gefährlich” war. So ein Begriff wie “Super Gau” wurde schon attackiert. Dann schickt man diese “Freiwilligen” dahin. Gefahr wird erneut runtergespielt. Es kommt raus, Kernschmelze bei mehreren Reaktoren. Dann sollen die Werte nicht so schlimm sein… jetzt misst man so was. Als nächstes kommt eine Plutonium Meldung (…).
Fazit ist halt, man bekommt das Gefühl, dass die Menschen bewusst getäuscht werden. Ich gebe mal ein Beispiel. Tschornobyl nach München sind sicher über 1500 KM. Man kann klar sagen, dass die Strahlenbelastung deutlich im Süden Deutschland zugenommen hat auf Grund dieses Atomunfalls.
Und in Tokio, ca. 250KM von Fukushima entfernt, werden Stahlenwerte kommuniziert, die auf Niveau natürlicher Stahlung liegen. Werte die man nicht mal ganz Deutschland findet. Wenn ich jetzt mal von historischen Dingen absehe; in einem Land mit über 50? Reaktoren.
Es ist halt alles nicht so realistisch. Ich denke nicht, dass man es dramatisieren sollte. Dennoch sind Folgen denkbar (langfristig gesehen).
Es wird gehr nichts passieren. Klar wird es mit den einen oder anderen Problemen zu kämpfen sein, jedoch früher oder später wird die Gefahr gebannt sein, davon bin ich überzeugt.
So ein hochtechlologisches Land lässt sich auch nicht durch Fukushima unterkriegen.
Servus erst mal.
Ich wohne derzeit im Zentrum von Utsunomiya, was einer Entfernung von ca. 140km Luftlinie der Unglueckskraftwerke liegt.
Klarerweise verfolge ich deswegen auch laufend die Infos, welche von den Medien angeboten werden.
Die Gedanken, die ich mir im Moment am meisten mache (im Bezug auf Gesundheit hier in Japan) ist die Tatsache, dass es schlicht unmoeglich ist, zu wissen, ob man im Supermarkt “gesunde” Lebensmittel kauft.
Hier ist massiver Bedarf an Kontollen notwendig.
Klar ist das mit Kosten verbunden, aber es ist eine Notwendigkeit, um unnoetigen Krankheiten in der Bevoelkerung vorzubeugen.
Sei es nun in der Qualitaetskontrolle im Supermarkt, fuer den Anfang wuerde das auch schon in den Verteilerlagern sinn machen…
Schlechte Lebensmittel gehoeren aussortiert, und die Verantwortlichen entsprechend bestraft.
Es kann ja auch im Sinne der Haendler sein, wenn diese wissen, den Kunden “gesunde” Lebensmittel zu verkaufen. So etwas erwarte ich mir einfach als Service, und der ist ja hier in Japan gross geschrieben.
Ach ja …
@tabibito
… ich finde deinen Blog echt klasse. Danke fuer die (meiner Meinung nach) guten Informationen.
@tabibito
Seit dem 11.3. verfolge ich viele Nachrichten aus Japan. Erst gestern bin ich auf Deinen Blog gestoßen und habe alle Einträge seit Januar gelesen. Tolle Entdeckung. Großes Lob. Er ist interessant, informiert gut über Japan und ich werde ihn weiterverfolgen.
Kurzer Kommentar zur Strahlendosis: 100 mSv/a sind die Dosis, ab der ein erhöhtes Krebsrisiko nachgewiesen ist. Es gibt keine Studien, ob für Kinder eine kleinere Dosis gelten müsste. In Deutschland gilt eine maximale Begrenzung auf 20 mSv/a für beruflich strahlenexponiertes Personal. 250-400 mSv sind die Schwellendosis, ab der klinische Strahlenkrankheitssymptome auftreten. Ich halte 100 mSv/a für heftig und die Aussage “Dazu sprach unter anderem der Chef der Internationale Strahlenschutzkommission, der nur lapidar meinte, dass Japan den untersten Grenzwert gewählt hat und alles unter 100 Millisievert pro Jahr eine “blackbox” ist” für beschwichtigend und nach aktuellem Wissenstand nicht für haltbar.
Für schnelle Vergleiche für radiologische Laien gint es zwei gute Diagramme:
http://xkcd.com/radiation/
http://fukushima.grs.de/sites/default/files/Natuerliche_und_kuenstliche_Strahlenexposition.pdf
(Bei der englischen muss man wissen, dass Radioaktivität überall vorkommt, auch in Bananen oder im geliebten Partner neben einem. Die Dosen, die man hier abbekommt gelten als die kleinsten Einheiten, als harmlos und heißen Bananendosis. Ich bin beim erstenmal auch über diese Banane gestolpert.)