Es gibt viele dieser Trucks, ich sehe sie fast jeden Tag: Klein, gelb, mit stilisierter Palme und dem Schriftaufzug “Pure Hawaiian Water”. Vor Büros halten sie, aber auch vor Wohnhäusern. Die Fahrer wuchten dann Wassergallonen aus dem Gefährt, um sie am jeweiligen Bestimmungsort abzuliefern.
Auch wenn ich sie täglich sehe – ich komme jedes Mal nicht darüber hinweg, wie man auf die Idee kommen kann, Wasser aus Hawaii über den gesamten Pazifik bis nach Japan zu schippern. Da ist doch etwas grundsätzlich nicht richtig. Der Schriftzug ist scheinbar auch keine Lüge – laut Angaben der Firma wird das Wasser tatsächlich in Hawaii “gezapft”, und zwar direkt vom Grundwasserleiter. Tiefseewasser aus und um Hawaii war auch eine zeitlang ganz “hipp”, aber letztendlich zu teuer. Dabei wurde Wasser aus mehr als 500 m Tiefe aus dem Meer gepumpt, entsalzt und in Flaschen verkauft.
Das traurige an der Sache ist, dass Japan dank üppiger Niederschläge, viel unberührter Natur und des häufig vulkanischen Untergrunds genügend Wasservorräte hat – und oftmals von exzellenter Qualität. So gesehen besteht aus dem Import von Trinkwasser nicht die geringste Notwendigkeit. Das ist aber der Firma TOELL völlig egal, denn mit dem puren Wasser aus Hawaii hat man einen Nerv getroffen. Japaner sind von Hawaii fasziniert – das war auch schon vor Pearl Harbor so. Alles, was Hawaii ist, ist gut und weckt Sehnsüchte. Warum also nicht Wasser aus Hawaii. Aus dieser Geschäftsidee der Firma, die eigentlich lediglich Propangas in der Präfektur Kanagawa vertickte, wurde ein riesiges Netzwerk von Vertrieblern, die sich für keine Masche zu schade sind. Eine Masche: Ein Mensch im japanischen Pendant zum Blaumann klingelt an der Wohnungstür, murmelt irgendwas von Trinkwasser und Kontrolle und schnurt dann umgehend zum Wasserhahn in der Küche. Dort wird das Wasser kurz in einen Becher getan, mehrfach gedreht und dann gekostet, mit einem deutlichen Ausdruck von Unzufriedenheit. Danach kommt eine Predigt darüber, wie schlecht doch das Leitungswasser sei, und dass man – der Kinder zuliebe! – doch lieber einen Wasserspenden mieten und Wasser abonnieren soll.
Die Konkurrenz ist gross. Sucht man auf Japanisch nach “Pure Hawaiian Water” oder gar “Water server”, so wird man von mehreren bezahlten Anzeigen begrüßt, die alle auf sehr schmucke Webseiten leiten, auf denen erklärt wird, wie herrlich doch Wasserspender und das jeweilige Wasser sind. 2007 gab es wohl rund 700,000 Japaner, die einen Wasserspender benutzten – bei einem Gesamtumsatz von über 200 Millionen Euro – 2016 waren es schon 3,7 Millionen, mit einem Umsatz von mehr als 1,2 Milliarden Euro.1. Das Wachstum hält seitdem stetig an – der Markt steigt zwischen 5 bis 10% pro Jahr, so zumindest die jüngsten Zahlen von Yano Report2.
In Sachen Leitungswasser sollte man erwähnen, dass sich die Qualität in Tokyo zum Beispiel spürbar gebessert hat. Vor 20 Jahren hatte das Leitungswasser einen deutlich wahrnehmbaren, penetranten Chlorgeruch, den es so heute nicht mehr gibt. Das war zumindest damals sehr merkwürdig, denn viele in Deutschland lebende Japaner scheuten das deutsche Leitungswasser wie der Teufel das Weihwasser, da sich hartnäckig das Gerücht hielt, deutsches Leitungswasser sei gefährlich. Dabei war die Qualität wesentlich höher als die des Leitungswassers von Tokyo.
Kleine sprachliche Anekdote am Rande: Im Japanischen existiert es das Wort 水商売 mizu shōbai, wörtlich übersetzt “Wasserhandel”. Damit werden seit der Edo-Zeit Gewerbe bezeichnet, die stark von Faktoren wie zwischenmenschliche Beziehung, aber auch Konjunktur, Wetter und dergleichen abhängen. Gemeint waren Orte, an denen man sich verlustierte – der Begriff bezog sich deshalb mehr und mehr auf das horizontale Gewerbe und kann nun quasi schon mit Prostitution übersetzt werden.
Hallo,
interessant, dabei dachte ich man sei Vielerorts in Japan stolz auf sein Wasser und dessen Qualität. Aber mit genug Marketing lässt sich vermutlich alles verkaufen, wenns um Sehnsüchte geht sollte man vielleicht “pure Okinawa Water” versuchen, ich hab gehört das da auch viele Japaner hinwollen, und der Transportweg wäre nicht so weit.
Allerdings gibt es Sinnloses , dass teuer verkauft wird, nicht nur in Japan, so kann man auch hierzulande Meerestiefwasser aus den “Weiten des Nordatlantiks” zum Spottpreis von 52 Euro a 12L kaufen, Naturbelassen, sprich Salzwasser, das man 3 mal täglich verdünnt zu sich nehmen soll….. . Dagegen ist berühmtes spanisches Quellwasser mit gut 30 Euro a 12L fast ein Schnäppchen.
Ich denke es geht dabei auch darum vor anderen damit anzugeben das man eben speziell ist, sich diesen Luxus für die Familie gönnt, usw. , mit Hybris lässt sich eben immer ein Geschäft machen.
Genial! Auf so eine Idee muss man erstmal kommen, in diesem Fall sind die Japaner echt dumm, was wirklich traurig ist, da basht man in Deutschland gegen Nestle die Wasser aufkaufen und in Japan abonniert man Wasser aus Hawai :D
WTF, und dafür soll ich in Deutschland dann CO2 Steuer zahlen?
Ach, wir Deutschen sind doch kaum besser:
Wenn ich hier bei uns in München beim Rewe reingehe finde ich “Fiji Water” im Kühlregal (warum wird das auch noch gekühlt?) Ein von einer Quelle auf den Fidschi Inseln abgefülltes natürliches Mineralwasser:
https://www.google.com/url?sa=t&source=web&rct=j&url=https://shop.rewe.de/p/fiji-water-still-0-5l/476845&ved=2ahUKEwjZkeednL7zAhULBGMBHZDdB8cQFnoECAkQAQ&usg=AOvVaw0Oil1OCA6t0q9hJBTxT6Yp
Die Distanz über die es hergebracht wurde (ich spreche jetzt nur von der Luftlinie) beträgt mit 18000 km fast das dreifache wie Hawaii Tokyo! Und dann wird das Wasser wohl auch noch über die gesamte Distanz und Dauer gekühlt gehalten.
Artikel unnötige Importe sollten wirklich im Rahmen des Klimaschutzes verboten werden.