BlogStriktes Japan: Tischmanieren

Striktes Japan: Tischmanieren

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ogasawara-ryuHeute bin ich über ein Buch gestolpert mit dem schlüssigen Titel „Ogasawara-ryu Etiquette for Washoku, the Cuisine of Japan -The Etiquette of the Samurai“¹ – ein Ratgeber zur Etikette bei Tisch in Japan. Mit 24 Seiten ist das ganze eher eine Broschüre als ein Besuch, verfasst von zwei Ogasawaras – ein Clan, der seit 32 (!) Generationen in Japan bestimmt, was wie gemacht werden darf und was nicht – von Tischmanieren bis zur hohen Kunst des Bogenschiessens. Entsprechend sind diese „Kniggen“ als 小笠原流 – Ogasawara-Schule bekannt.
Die Washoku-Knigge (和食 washoku – traditionelle Japanische Küche) bestimmt zum Beispiel, dass man nicht aus der Suppenschale trinken und gleichzeitig mit den Stäbchen darin rumrühren soll (sieht man sehr oft). Ebenso soll man nicht die Suppenschale am Rand anfassen, sondern sie auf der flachen Hand halten. Soweit, so gut. Gleichzeitig gilt es aber auch als Frevel, wenn man in einem reservierten Restaurant zu spät aufkreuzt oder während des Essens auf Toilette geht – das ist dem Koch gegenüber unhöflich (und da wird die Knigge auch schon recht elitär, denn man muss schon eine ordentliche Stange Geld ausgeben, um in ein Restaurant zu gelangen, in dem man dem Koch gegenüber so viel Respekt bezeugt).
Der Shanghaiist mutmasst dabei – nicht ganz zu unrecht – das das Buch vor allem auf chinesische Besucher abzielt. Demzufolge gab es bereits die ersten Berichte, wonach chinesischen Kunden aufgrund schlechter Tischmanieren der Zutritt zu japanischen Edelrestaurants verwehrt wurde. Das ganze kennt man bereits von heissen Quellen – eine Zeit lang wurde zum Beispiel Ausländern (vor allem aber Russen) – der Zutritt zu heissen Quellen (onsen) auf Hokkaido verwehrt, da es wohl zu viele Beschwerden von Onsen-versierten Japanern gab. Es fällt dabei schwer, die heissen Quellen und Restaurants pauschal zu verurteilen, denn regelmässiger Besuch ausländischer und nicht selten unkundiger Kundschaft kann in der Tat geschäftsschädigend wirken, da die (in der Regel zahlreichere) japanische Kundschaft schnell deswegen wegbleiben kann. Ein generelles Verbot ist natürlich trotzdem Blödsinn – schliesslich kann man die Kundschaft „erziehen“, indem man zum Beispiel ein Merkblatt in Englisch, Chinesisch oder Russisch anbietet.
Doch um auf das Essen zurückzukommen: Sicher, es gibt eine Handvoll eiserner Regeln, die man sich in der Tat unbedingt merken sollte – vor allem was den Umgang mit Stäbchen anbelangt, da gewisse Handhabungen an ein Beerdigungsritual erinnern. Andere Regeln kann man erahnen: So zum Beispiel, dass es sich nicht geziemt, Miso-Suppe in den Reis zu kippen oder andersrum (das Ergebnis nennt man 猫飯 nekomeshi – „Katzenreis“, und man muss kein Japan-Experte sein, um zu verstehen, warum das so heisst). Schwieriger wird es bei der Frage, was man nun alles wirklich essen kann und was nicht (da Garnitur): Kann man zum Beispiel die kleine Chrysanthemenblüte essen, die da im Sashimi herumlungert? Spontan würde man natürlich eher auf „Nein“ tippen, aber die richtige Antwort lautet: „Klar. Immer rein damit“. Im Zweifelsfall sollte man aber doch lieber die Finger davon lassen: Es gab wohl in Japan einen Fall, in dem man in einem teureren Restaurant ein Gericht auf Gartenhortensienblättern servierte. Gartenhortensien sind allgegenwärtig während der Regenzeit in Japan. Ein Kunde (Japaner wohlgemerkt) ass die Garnitur mit und verstarb daraufhin, da Gartenhortensien nicht nur schön, sondern auch hochgiftig sind.
Ich hoffe jedoch, dass auch mehr und mehr Japaner Kniggen zum Thema ausländisches Essen lesen. Intolerant wie ich bin, stehen mir jedes Mal die Nackenhaare zu Berge, wenn japanischer Kunden bei meinem Lieblingsitaliener Pasta schlürfen als äßen sie eine japanische Nudelsuppe.
Siehe hier. Offensichtlich nur als Kindle-Version erhältlich.

tabibito
tabibitohttps://japan-almanach.de
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei der Tabibitos Blog empfohlen.

4 Kommentare

  1. „… ass die Garnitur mit und verstarb daraufhin, da Gartenhortensien nicht nur schön, sondern auch hochgiftig sind.“
    Gut, dass du das schreibst. Ich esse nämlich immer alles mit, was auf meinem Teller liegt… Dann muss ich da bei meinem nächsten Japanbesuch besser aufpassen – und hoffen, dass sie in meiner günstigeren Preisklasse solche Späße nicht auf den Teller legen.

  2. hm. ist schon schwierig.
    Problem ist vor allen Dingen, daß es in China wirklich kaum Tischmanieren gibt bzw. die so wirklich _ganz_ anders als z.B. im Westen oder in Japan.
    Ganz typisch: Chinese tendieren dazu, ihren Kopf zum Essen hinzubeugen; in Deutschland führt man mit Gabel o.ä. Essen vom Teller zum Mund, in Japan ebenfalls bzw. man nimmt im Zeifelsfall die Schüssel/Teller mit der Hand, und hält sie näher zum Mund (Ausnahmen wie Ramen gibt es natürlich).
    Wenn man dann so Chinesen in der Mensa „mit dem Kopf in der Schüssel“ schlürfend sieht, weckt das halt schon die Assoziation zu Tieren, die am Trog essen. Nicht das das schlechte Manieren sind, es sind halt nur völlig andere, und da fällt das Gewöhnen schwer wenn mans nicht kennt.
    Auf der anderen Seite natürlich alles völliger Quatsch, da chinesische Touristen das Buch bestimmt nicht kaufen oder lesen werden…

  3. Eine Erziehung in diesem Sinne kann im Prinzip niemandem schaden und bei ungezogenen und unkundigen Besuchern erst recht. Man sagt im Russischen, dass man nich mit der eigener Bibel in eine andere Kirche kommen soll – so dem Sinne nach, jedoch verhalten sich die Russen oft in vielen orten sehr auffaellig. Die Russen, die nach Japan kommen sind zur Mehrheit meiner Meinung nach eher von Japan begeistert und machen Fehler im Umgang beim Essen oder ueberhaupt eher aus Unwissen und nicht auf Grund, dass Ihnen alles egal ist

  4. Ich denke die meisten Menschen denken einfach nicht wirklich darüber nach was sie so alles täglich unbewusst tun.
    Erst kürzlich sass eine kleine Gruppe von chinesische Geschäftsleute neben mir im Zugrestaurant und einer davon aß laut schmatzend einen mitgebrachten Fruchtbecher. Was in China ein Zeichen dafür sein mag, dass es gut schmeckt, ist in Deutschland eher ein Zeichen für ziemlich schlechte Erziehung. Der Hinweis wurde erstaunt aufgenommen und danach wurde mit geschlossenem Mund gegessen.
    Insgesamt fallen mir die Chinesen besonders auf, aber ich denke das ist eine rein subjektive Sache. Ich denke wir Deutschen dürften kaum ein besseres Bild im Ausland abgeben. Mir waren ja damals in meiner japanischen Sprachschule die Mitschüler schon immer recht peinlich.

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