Seit etlichen Wochen schiesst sich die japanische Presse auf eine angeblich biologische, aber Untersuchungen zufolge wohl doch eher synthetische Droge namens Spice ein. Die ist in Japan seit ein paar wenigen Jahren zunehmend populär, wobei jedoch zunehmend populär nicht bedeutet, dass Millionen Menschen darauf “fliegen”. Spice ist hierzulande übrigens unter dem holprigen Namen 脱法ハーブ dappō haabu bekannt – wörtlich “Gesetz – fliehen – Kräuter”, bzw. Gras, dass das Gesetz umgeht. Den Spicehändlern ist der Name natürlich unangenehm – man bevorzugt die Bezeichnung 合法ハーブ – gōhō haabu, wörtlich “legales Gras”.
Entwicklungen dieser Art sind vor allem in Japan interessant zu beobachten. Schliesslich stellen Gesetz und öffentliche Meinung hier bereits Marihuana auf eine Stufe mit Heroin, Kokain und Co. Drogen sind in Japan Drogen und als solche allesamt absolut abzulehnen (ungeheure Mengen von Alkohol und Nikotin sind hingegen völlig in Ordnung – man muss natürlich Prioritäten setzen und klare Grenzen ziehen). Doch die Legislative in Japan ist, gelinde gesagt, relativ träge, und so dauert es jeweils eine ganze Weile, bis der Gesetzgeber der Stimme des Volkes (besser, der Stimme der Presse) folgt und handelt. Das war dereinst schon mit den magic mushrooms so – die wurden bereits 1993 in Deutschland verboten; waren aber in Japan erstaunlicherweise bis 2002 völlig legal. In Deutschland wurde der Handel mit Spice 2009 verboten – in Japan wird es bis zum Verbot wohl noch ein bisschen dauern. Sollten sich jedoch Unfälle wie der in der vergangenen Woche mehren, bei dem ein unter Spice stehender Autofahrer auf einer belebten Strasse die Kontrolle über sein Auto verlor, einen Passanten tötete und 6 zum Teil schwer verletzte, wird die Politik schneller als üblich reagieren müssen. Bis dahin werden diverse Spice-Automatenaufsteller oder Online-Versandhändler wie dieser hier noch versuchen, Kasse zu machen.
Da Spice aber bereits mit dem Namen “脱法” – dem Gesetz entrinnen – einen nach Illegalität riechenden Namen verpasst bekommen hat, wird die Droge (oder Nichtdroge, wie man es eben betrachtet) sowieso nicht weit kommen in Japan. Da bleibt man dann doch eher beim Alkohol.
Wie sieht es denn in Japan mit Crystal aus, spielt das dort eine große Roller oder eher nicht? Hier in Sachsen scheint es (durch die Grenznähe) massiv auf dem Vormarsch zu sein.
Das ist seit jeher in Japan verboten und wird ziemlich streng gehandhabt. Man hört aber gelegentlich – vor allem von bekannten Künstlern – Fälle, in denen Leute deshalb verhaftet werden. Die Rede ist dann aber immer nur von 覚醒剤 (kakuseizai), Aufputschdrogen. Ob das nun Speed war oder Crystal oder was auch immer, erfährt man dabei nicht.
In letzter Zeit finde ich bei NHK häufiger Artikel mit dem Stichwort 脱法ドラッグ, was ja suggeriert, dass das zwar ‘pfui’ aber nicht strafbar sei. Oft steht aber im weiteren Text, dass die Betroffenen verhaftet werden wegen Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz … 薬事法違反の疑いで逮捕されました, weil dann wohl doch etwas Verbotenes (危険ドラッグ / 指定薬物)druntergemischt war.
覚醒剤ねえ。Fuer mich klingt das Wort allein schon falsch. Da wird einfach alles unter einen Hut gepackt, damit Taro Yamada sich schoen vor den ganzen boesen Drogen gruseln kann, waehrend er sich in der Izakaya um die Ecke mit billigem Fusel in die Bewusstlosigkeit laeuft. (Wie du schon bemerkt hast.)
Der Kotzfleck am Einstieg zu meinem morgendlichen Zug zur Arbeit laesst schoen gruessen.
Aber mal im Ernst: Die ganze Drogengeschichte klingt mir extrem nach einer Mischung aus Moral Panic und Nebelkerze. Der LDP passt die Ablenkung sicher gut in den Kram.