Rund 80’000 Rolltreppen gibt es in ganz Japan (nur am Rande: und fast zehn Mal so viele Aufzüge) – das sind in etwa doppelt so viele wie in Deutschland, doch zumindest in den Großstädten erscheint die Anzahl niedrig, denn dort wimmelt es nur so vor Rolltreppen. Und bisher war es in Japan üblich, dass die Menschen, die auf der Rolltreppe stehenbleiben, entweder links (Ostjapan) oder rechts (Westjapan) stehen, um so eine Gasse zu bilden für diejenigen, die es eilig haben. Das ist übrigens eine interessante Angelegenheit, denn es gibt keine klar definierte Grenze ab der alle rechts stehen oder links, doch Fakt ist, dass im Großraum im Prinzip so gut wie jeder rechts steht – und im Rest des Landes meistens links.
Die Behörden sind nun jedoch immer mehr zugange, die Allgemeinheit dahingehend zu erziehen, dass es egal ist, wo man steht – Hauptsache ist, dass man steht, denn zur Vermeidung von Unfällen will man nun das Laufen auf Rolltreppen zum neuen Rauchen erklären. Die Stadt Nagoya hat zum Beispiel mit Wirkung zum 1. Oktober 2023 beschlossen, das auf Rolltreppen nicht mehr gelaufen werden soll1.
Das japanische Fachblatt “Elevator Journal” (siehe hier) – der herausgebenede Verband ist auch für Rolltreppen zuständig – vermeldet seit Jahren eine Zunahme von Unfällen, bis zu 1500 pro Jahr. Das ist allerdings nicht weiter verwunderlich, denn pro Jahr werden um die 3000 neue Rolltreppen installiert, und mehr Rolltreppen – und eine immer älter werdende Bevölkerung – führen zwangsläufig zu mehr Unfällen, wenn alle anderen Parameter gleich bleiben.
Zwar spricht sich die neue Richtlinie allmählich herum, aber der Wandel wird lange dauern: Auf kürzeren Rolltreppen, zum Beispiel in Kaufhäusern, kommt es in der Tat immer häufiger vor, dass die Leute auf beiden Seiten stehenbleiben. Auf längeren Rolltreppen, vor allem in Bahnhöfen, bei denen eine Rolltreppe oft mehrere Etagen überspannt, halten fast alle eine Spur frei, dabei wäre es logisch betrachtet in der Tat besser, wenn alle stehenbleiben würden, denn dann könnten ja fast doppelt so viele Menschen die Rolltreppe benutzen – doch noch immer bildet sich eine lange Schlange auf der Standspur, um die Raser vorbeizulassen. Andererseits: Zwar benutze ich, so weit es geht, Treppen (und damit bin ich hier in der absoluten Minderheit) – selbst wenn diese 80 oder mehr Stufen hat – doch auf einer langen Rolltreppe bevorzuge ich auch zu gehen, da ich einfach keine Lust habe, mehrere Minuten auf der Rolltreppe zu verplempern. Das hat auch mit der Geschwindigkeit zu tun: Die durchschnittliche japanische Rolltreppe bewegt sich mit einer Geschwindigkeit von 0.5 Metern pro Sekunde – während zum Beispiel die U-Bahn-Rolltreppen in Moskau, Prag oder Tiflis fast doppelt so schnell sind.
Das angehende Verbot, auf Rolltreppen zu laufen, reiht sich in eine unendliche Liste anderer Verbote ein, bei denen nicht selten mit Kanonen auf Spatzen geschossen wird: Dazu gehört auch die neue Verordnung, dass Radfahrer, die auch nur ein kleines Bier getrunken haben, festgenommen werden sollen. Sicher, Unfälle können und sollten vermieden werden, aber allzu viele Verbote sollten verboten werden.
- siehe hier
Ich finde es schon sinnvoll das Überholen auf Rolltreppen zu vermeiden. Wie du schon sagtest, ohne Standspur könnten doppelt so viele Menschen gleichzeitig hochfahren. Wer es eilig hat, kann auf der Treppe tatsächlich schneller sein. Im Frühjahr hatten wir schon viele Rolltreppen gesehen, auf denen nicht mehr überholt werden soll.