Am Freitag dem 5. Mai 2023 um 14:46 kam es zu einem heftigen Erdbeben auf der Noto-Halbinsel, eine relativ dünn besiedelte Halbinsel im Japanischen Meer und ungefähr in der Mitte der Insel Honshu. Auf der siebenteiligen japanischen Erdbebenskala (die im Gegensatz zur Richterskala Wert auf die potentiellen Schäden legt) erreichte das Beben im Nordosten der Halbinsel eine starke 6 – übersetzt bedeutet dies, dass es zu schweren Zerstörungen an Gebäuden und Infrastruktur kommen kann. Das war auch der Fall bei diesem Erdbeben – es gab mindestens ein Todesopfer, zahlreiche Verletzte und hunderte zerstörte Gebäude.
Der Richterskala nach hatte das Erdbeben “nur” eine Stärke von 6,3. Das “nur” bezieht sich hier auf japanische Verhältnisse – ein Erdbeben dieser Stärke kann in Italien schwere Schäden verursachen; in Japan hingegen ist diese Stärke relativ häufig und richtet in der Regel nur wenige Schäden an. Doch Stärke ist nicht alles – das Epizentrum lag mit ca. 10 Kilometern sehr oberflächennah, und das bedeutet, dass die unmittelbare Umgebung starken Beschleunigungskräften ausgesetzt ist und dementsprechend große Schäden erfährt.
Für die Bewohner der Halbinsel sind Erdbeben ein ständiger Begleiter – seit Dezember 2020 verzeichnete das Meteorologische Amt Japans (JMA) dort insgesamt 313 Erdbeben mit einer Stärke von 1 und mehr (feinfühlige Menschen können ein Beben der Stärke 1 bereits spüren). 11 der Erdbeben hatten eine Stärke von 4 und mehr – das reicht, um sich gehörig zu erschrecken. Das Beben vom Freitag zog bereits zahlreiche Nachbeben nach sich – einige davon so stark, dass sie manch Gebäuden den Rest gaben. Dass es dort häufig bebt, kann ich nur bestätigen – bei meinem letzten Besuch auf der Halbinsel im Dezember 2021 bebte es zwei Mal innerhalb weniger Tage.
Interessant — und für die Bewohner wenig erfreulich — ist der Mechanismus der Erdbeben auf der Noto-Halbinsel. Es handelt sich hier nämlich nicht direkt um plattentektonische oder vulkanische Ursachen. Geologen gehen davon aus, dass hier Wasser aus der nahegelegenen Plattengrenze nach oben dringt, den Untergrund aufweicht und den Boden aufbläht. Durch spontane Kontraktionen entstehen so Erdbeben, die nahe unter der Erdoberfläche geschehen. Und hier liegt das Problem: Bei Erdbeben entstehen verschiedene “Wellen” – die P-Wellen sind dabei mit 5-7 Kilometer pro Sekunde die schnellsten, gefolgt von den S-Wellen mit einer Geschwindigkeit von rund 3-5 Kilometer pro Sekunde. Beide Wellenarten sind gut meßbar, und es sind die S-Wellen, die die Zerstörung anrichten. Da die S-Wellen langsamer sind, benutzt man die zeitliche Verzögerung zur Frühwarnung. Doch wenn der Herd so nah unter der Oberfläche befindet, bleiben nicht einmal 1 bis 2 Sekunden zur Vorwarnung – das ist nicht genug. Aus diesem Grund bleibt den Bewohnern nur eins – möglichst erdbebensicher zu bauen und für den Ernstfall zu trainieren. Schwacher Trost: Erdbeben in der Region dürften nicht wesentlich stärker werden als das Beben vom 5. Mai 2023.
> dass hier Wasser aus der nahegelegenen Plattengrenze nach oben dringt, den Untergrund aufweicht und den Boden aufbläht
Interessanter Beitrag! Gibr es überall Wasser unter Erdplatten (wie tief ist das eigentlich?) oder nur hier speziell?
Und könnte Wasser über lange Zeiträume die Platten durch Bewegung langsam zermürben o.ä.?
Im Erdmantel gibt es auf jeden Fall viel Wasser – es gibt Schätzungen, denen zufolge dort so viel oder mehr Wasser sein könnte als in allen Ozeanen zusammen:
https://www.weltderphysik.de/gebiet/erde/nachrichten/2014/viel-wasser-im-erdmantel/
Dass das Wasser über lange Zeiträume die Platten durch Bewegung langsam zermürbt halte ich jedoch für sehr, sehr unwahrscheinlich. Es ist eher ein Kreislauf – Wasser dringt ein, und wieder aus. Allein der Druck und die Temperaturen dürften ein Mürbemachen durch Wasser schwierig machen…