BlogPressefreiheit in Japan

Pressefreiheit in Japan

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In letzter Zeit wird viel über die Pressefreiheit beziehungsweise über die Beschneidung selbiger berichtet – unterlegt vom aktuellen Report der Vereinigung „Reporter ohne Grenzen“, die eine prinzipielle Verschlechterung der Lage im diesjährigen Report beklagten¹. Mit besonderer Sorge werden da die Entwicklungen in den USA, der Türkei, Ungarn und einigen anderen Ländern gesehen. Doch wo steht da eigentlich Japan?
Nun, die gute Nachricht ist, dass Japan auf dem gleichen Platz steht wie im vergangenen Jahr. Die schlechte Nachricht: Es ist der 72. Platz. Damit steht Japan ziemlich weit im Mittelfeld – für eine Demokratie, die seit 72 Jahren Bestand hat, eigentlich eher traurig. Burkina Faso, Papua Neuguinea und Haiti können das offensichtlich wesentlich besser. Die Lage wird auch nicht besser – im Gegenteil. Seit 2012 bemüht sich die Regierung unter Abe, die Pressefreiheit zu beschneiden, indem man zum Beispiel ein Gesetz verabschiedete, das Geheimnisverrat mit bis zu 10 Jahren Gefängnis ahnden kann (siehe Beitrag Angriff auf die Meinungsfreiheit in Japan im Verzug) – selbst die UNO protestiert(e) gegen dieses Gesetz – erfolglos. Hinzu kommen Vorfälle wie dieser hier: Sendeunfall bei Asahi: Vergreift sich der Staat an den Medien?.

Standarte des prestigeträchtigen Foreign Correspondence Club of Japan
Standarte des prestigeträchtigen Foreign Correspondence Club of Japan

Doch nicht nur das: Reporter werden von Regierungsbeamten gegängelt und teilweise unverhohlen verbal angegriffen – so erst geschehen in der letzten Woche bei einem Pressetermin des Wiederaufbauministers Imamura. Ach ja: Imamura ist nun seit vorgestern weg vom Fenster, nachdem er noch einen vom Stapel gelassen hatte: Bei einem offiziellen Empfang verlautete er nämlich, dass man „…Glück hatte, dass die Erdbeben- und Tsunamikatastrophe die Tohoku-Region getroffen hatte“. Klar, er meinte damit, dass es auch stärker besiedelte Gegenden hätte treffen können, aber die Betroffenen waren verständlicherweise nicht begeistert von der Aussage ihres Wiederaufbauministers.
Nicht zu unterschätzen ist auch die Gefahr, die Reportern durch die sehr starke und einflussreiche politische Rechte droht. Sofort wird dort auf allen Kanälen von Vaterlandsverrat und Nestbeschmutzung gesprochen und Zeter und Mordio geschrien. Morddrohungen gehören wie selbstverständlich zum Repertoire und gehen den Reportern schnell an die Nieren.
Ein anderes, älteres Problem sind die 記者クラブ Kisha kurabu – die „Reporterclubs“. Ein freier Reporter kann in Japan nicht einfach so in eine Pressekonferenz marschieren – er muss Mitglied im Club sein, und der Club entscheidet auf eigene Faust, wer rein darf und wer nicht. Oder wer fliegt.
Eine Verschlechterung der Pressefreiheit bringt zum Anfang auch immer ein besonders trauriges Phänomen mit sich – nämlich das der Selbstzensur. Und wenn man sich die Nachrichtensendungen in Japan so anschaut, dann sind so ziemlich alle Sender voll bei der Selbstzensur dabei (siehe Artikel zum Niedergang der japanischen Fernsehnachrichten). Nach Besserung sieht es leider nicht aus: Auf jeden Fall nicht unter der jetzigen Regierung.
Ach ja: Im Jahr 2010 rangierte Japan beim gleichen Index übrigens auf Platz 11².

¹ Siehe hier
² Siehe hier

tabibito
tabibitohttps://japan-almanach.de
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei der Tabibitos Blog empfohlen.

1 Kommentar

  1. „Vaterlandsverrat und Nestbeschmutzung“
    Zitat:
    Das Volk kann mit oder ohne Stimmrecht immer dazu gebracht werden, den Befehlen der Führer zu folgen. Das ist ganz einfach. Man braucht nichts zu tun, als dem Volk zu sagen, es würde angegriffen, und den Pazifisten ihren Mangel an Patriotismus vorzuwerfen und zu behaupten, sie brächten das Land in Gefahr. Diese Methode funktioniert in jedem Land. – Hermann Göring

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