BlogPraktisch: Ringlinien

Praktisch: Ringlinien

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Letzten Sonntag bin ich mit Kind und Kegel in der Yamanote-Linie (eine Ringlinie, die in exakt 60 Minuten ein Mal um das Zentrum von Tokyo fährt) von Shinjuku nach Ueno gefahren. Rein mit Mutter, Kind und Kinderwagen und Gepäck. Da in vollen Bahnen Rucksäcke, geschulterterweise, stören, lege ich also den Sack auf die Ablage über den Sitzen (und denke mir dabei noch so “Na, den lass ich bestimmt liegen”).
Gesagt, getan. In Ueno ausgestiegen, Kinderwagen die Treppe heruntergetragen, auf Schwiegereltern gewartet… und nach etlichen Minuten gewundert, wo mein Rucksack ist. Fühlte sich irgendwie nackt an auf dem Rücken. Also zu den Bahnsteigwächtern. Kreuzverhör: Wann abgefahren? (Die fahren alle zwei Minuten, deshalb eine schwierige Frage – konnte mich aber gottseidank erinnern). Dann: Welcher Wagen? Ähm. Och. Pfff. Weiss nicht, sahen alle gleich aus. Irgendwo in der Mitte. Glaube ich.
Wir einigten uns auf Abfahrt 14:57, Wagen 2 oder 3. Der Kollege auf der anderen Seite des Rings wurde informiert. “Der hat am Bahnhof Shibuya eine Minute Zeit, da geht er schnell schauen.” 10 Minuten später wird der Kollege angerufen: “Sorry, nichts gefunden”.
In allen Bahnen in Tokyo wird seit langem (Stichwort Giftgas und 9-11) vor unbeaufsichtigtem Gepäck gewarnt. Aufdringlichst. Also hat wahrscheinlich schon ein aufmerksamer Blockwart Passagier den Rucksack reklamiert und bei der Polizei abgegeben. Man gab mir noch die Nummer des allgemeinen Fundbüros und sagte mir, ich solle abends da mal anrufen.
Dann kam die zündende Idee (und das am Sonntag!): “Hey, das ist doch ‘ne Ringbahn!”. Also fragte ich den Stationsvorsteher: Der Zug kommt doch bestimmt hier wieder vorbei, oder? So in 60 Minuten? Der Gutste schaute mich kurz verdutzt an, dann erhellte sich sein Gesicht: “Oh, ja, stimmt! Dann könnten sie ja theoretisch eins, zwei Stationen mitfahren und selber suchen!”. Tja, ein Genie muss man sein (hüstel). Gesagt, getan. Und siehe da, der Rucksack war noch da. In Wagen 4. So viel zum Thema wachsame Bürger.
Das Wort des Tages: ドジ – doji – umgangssprachlich für Missgeschick, Fehltritt. Meinerseits in diesem Fall.

tabibito
tabibitohttps://japan-almanach.de
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei der Tabibitos Blog empfohlen.

8 Kommentare

  1. Ich nenne das mal unheimliches Glück. Hierzulande hätte dein Rucksack sicher keine Rundreise mitgemacht. Irgendjemand hätte sicher die Tasche gut gebrauchen können.

  2. @terry: Da kann ich nur Zustimmen. Man hat in Deutschland ja schon ungeheures Glück, wenn etwas abgegeben wird, aber das die Tasche nach einer kompletten Rundfahrt noch da lag… Anständige Leute, oder einfach verpennte *g*

  3. Ich hatte meine Kreditkarte mal am Bankautomaten in ner JP-Filiale liegen lassen. Es war zwar irgendwo im Nirgendwo, aber trotzdem glaube ich nicht, dass sie in einem vergleichbaren Nest in Deutschland nach 2h noch da gewesen wäre.
    Unberührt lag sie da auf dem Automaten und die Frau, die gerade Geld abhob, entschuldigte sich noch, dass sie im Weg stand, als ich meine Karte nahm.

  4. Ich hab auch mal einen Japaner aufgeklärt der u.a. Rom bereisen wollte, am besten einen Umhängegeldbeutel zu benutzen. Er schein völlig überrascht, dass dort so viel geklaut werden soll.

  5. Angenommen die Yamanote würde sich in Deutschland befinden mit genau der selben Fahrgastdichte, ich würde auch hierzulande gute Chancen einräumen, dass die Tasche die Runde geschafft hätte.

    Der Grund: In den Zügen ist immer was los! Wer fährt (in diesem Fall) 60 Min. um zu schauen, ob der Taschenbesitzer noch da ist?

    Meine Eltern haben auch mal eine Tasche im Zug liegengelassen als sie vom Münchner Flughafen in die Stadt fuhren. Auch so eine Linie, die nie so richtig leer ist. Ende vom Lied: Tasche konnte von einem Bahnmitarbeiter gefunden werden und wurde im Fundbüro bis zur Abholung depotiert. :)

  6. viele leute in korea und japan legen ja ihre taschen in der bahn da oben hin, da die bahn aber immer voll ist, können eventuelle diebe die später den zug betreten gar nich wissen, ob die tasche nich jmd. gehört der grad in der nähe sitzt :) will aber nich abstreiten dass man sich in tokio deutlich sicherer fühlt als in berlin.

    ich hatte mal in korea in der bank auf dem automaten meine digicam, kreditkarte und handy liegen lassen. kam dann nach 30 minuten zurück und die dame die davor neben mir am automaten stand war da und meinte nur “ich wußte doch sie kommen zurück” :)

    aber keine illusionen: geklaut wird auch hier, nur eben anders und weniger :)

  7. Wahrscheinlich würde ein japanischer Dieb sein Gesicht verlieren, wenn er nur all eure liegen gelassenen Kreditkarten und Taschen einsammeln würde ^^ Das ist unter seiner Würde, auf kosten der Gesellschaft zu leben, ohne richtig handwerklich tätig geworden zu sein. ;-)

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