BlogNeue Radfahrgesetze – und getunte e-Bikes

Neue Radfahrgesetze – und getunte e-Bikes

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Seit dem 1. November 2024 gilt gemäß des erweiterten Straßenverkehrsgesetzes (改正道路交通法, fortan StVG) ein neuer Bußgeldkatalog für Fahrradfahrer. Dem Katalog zufolge unterscheidet man in 17 Kategorien, die wiederum insgesamt 113 Vergehen beinhalten. Das Gesetz hat es in sich, denn von nun an können Radfahrer tatsächlich strafrechtlich belangt werden. Zwei Verstöße, die bisher mit etwas Glück nur mit einer Ermahnung oder ein bißchen Bußgeld bestraft wurden, werden nun ernsthaft geahndet. Aber zunächst einmal eine Liste der 17 besagten Kategorien – 16  und 17 sind im November 2024 neu hinzugekommen:

# Japanischer Begriff Sinngemäße Übersetzung Ticket
1 信号shingō無視mushi Missachtung von Ampeln Ermahnung oder Blau
2 遮断shadan踏切fumikiri立入りtachiiri Missachtung beschrankter Bahnübergänge Ermahnung oder Blau
3 指定shitei場所basho一時ichijifu停止teishi Missachtung erforderlicher kurzer Stopps Ermahnung oder Blau
4 歩道hodō通行tsukōjino通行tsukō違反ihan Missachtung der Regeln für das Queren von Fußgängerwegen Ermahnung oder Blau
5 制動seidō装置sōchi不良furyō自転車jitensha運転unten Fahren mit defekten oder fehlenden Bremsen Ermahnung oder Blau
6 酒酔いsakeyoi運転unten Betrunkenes Fahren Rotes Ticket
7 通行tsukō禁止kinshi違反ihan Fahren in Bereichen mit Fahrverbot Ermahnung oder Blau
8 歩行者hokōsha道路dōroniおけるokeru車両sharyō義務gimu違反ihan Missachtung der Regeln für Bürgersteige Ermahnung oder Blau
9 通行tsukō区分kubun違反ihan Falschfahren (falsche Seite, Fußgängerwege usw.) Ermahnung oder Blau
10 rosokutai通行tsukōjino歩行者hokōshano痛苦tsūku妨害bōgai Behinderung oder Kontakt mit Fußgängern beim Fahren am Straßenrand Ermahnung oder Blau
11 妨害bōgai運転unten Gefährdung des Straßenverkehrs Ermahnung oder Blau
12 交差点kōsaten安全anzen進行shinkō義務gimu違反ihan Missachtung der Regeln beim Befahren einer Kreuzung Ermahnung oder Blau
13 交差点kōsaten優先yūsen妨害bōgai Missachtung der Vorfahrtsregeln Ermahnung oder Blau
14 環状kanjō交差点kōsaten安全anzen通行tsukō義務gimu違反ihan Missachtung der Regeln für Kreisverkehre Ermahnung oder Blau
15 安全anzen運転unten義務gimu違反ihan Verstöße gegen die Pflicht zum sicheren Fahren (z.B. fahren mit Regenschirm) Ermahnung oder Blau
16 酒気帯びshukiobi運転unten Fahren unter Einfluss von Alkohol Rotes Ticket
17 ながらnagara運転unten Benutzung von Mobilfunktelefonen beim Fahren Rotes Ticket

Bei laut dem Gesetz schwerwiegenden Verstößen ist es demnach nicht damit getan, eine Geldstrafe zu bezahlen, sondern man kommt womöglich vor Gericht – und damit bei (da in Japan ziemlich sicherer) Verurteilung gar einen Eintrag ins Vorstrafenregister. Dies betrifft insbesondere das Fahren unter dem Einfluss von Alkohol, 飲酒inshu運転unten genannt. Wer mit 0,15 Promille Alkohol im Atem oder 0,3 Promille Alkohol im Blut erwischt wird, kann strafrechtlich belangt werden – egal ob mit dem Auto unterwegs oder mit dem Fahrrad. Hierbei wird interessanterweise in zwei Kategorien unterschieden wird.

Fahren unter Alkoholeinfluss (酒気帯びshukiobi運転unten)

Wer oben genannte Werte überschreitet, kann mit einer Geldstrafe bis zu 500’000 Yen (rund 3000 Euro) oder bis zu 3 Jahren Gefängnis belegt werden (StVG §117 Absatz 2-2 Abschnitt 1 Punkt 3). Der gleiche Paragraph besagt zudem, dass möglicherweise Mitfahrende sowie der Ort, der dem Fahrer Alkohol ausgeschenkt hat, mit bis zu 300’000 Yen oder 2 Jahren Gefängnis belegt werden können. (Autofahrer bekommen in diesem Fall bei einer Atemalkoholkonzentration zwischen 0.15 und 0.25 Promille 13 Punkte und 3 Monate Führerscheinentzug; bei mehr als 0.25 Promille werden daraus 25 Punkte und 2 Jahre Führerscheinentzug).

Betrunkenes Fahren (酒酔いsakeyoi運転unten)

Wenn Alkohol festgestellt wird UND die Polizei der Auffassung ist, dass die Fahrtüchtigkeit eingeschränkt ist (durch Ausfallerscheinungen – zum Beispiel man fährt Schlangenlinien, kann nicht gerade aus laufen, antwortet wirres Zeug usw.), erhöht sich die Strafe auf bis zu 1 Million Yen (6000 Euro) oder 5 Jahren Gefängnis. (Autofahrer erhalten in diesem Fall 35 Punkte und 3 Jahre Führerscheinentzug).

Vergleicht man die Strafen mit Deutschland1, so ist man in Japan extrem streng geworden: Wer in Deutschland mit bis zu 1,59‰ Blutalkohol keine Schlangenlinien fährt, bezahlt weder Bußgeld noch bekommt man Punkte. Wer mit bis zu 1,09 ‰ Auto fährt, bekommt einen Monat Fahrverbot und bezahlt ein Bußgeld von 500 Euro. Im Gegensatz dazu Japan: Schon bei 0.3‰ ist der Führerschein für 2 Jahre weg.

Benutzung von Mobiltelefonen beim Fahren

Eine weitere Verschärfung gibt es bei der Benutzung von Mobilfunktelefonen beim Radfahren, das auf Neujapanisch ながらnagaraスマホsumaho genannte Delikt. Dieses Wort-Unding setzt sicht aus dem eigentlichen Suffix -nagara für (etwas machen, während man etwas anderes macht) und dem Akronym sumaho (von SUMAato HOon = Smart Phone) zusammen.

Wer dabei erwischt wird, während des Fahrens (nicht des Stehens) entweder mit dem Gerät zu telefonieren oder auf den Bildschirm zu schauen, kann mit einer Geldstrafe von 100’000 Yen (600 Euro) oder 6 Monaten Gefängnis belegt werden (§71 Punkt 5-5, §118 Abs.1 Punkt 4).

Wer wegen eines Vergehens (was also das alkoholisierte Fahren nicht beinhaltet) angehalten wird, bekommt ab dem 1. November ein blaues Ticket und muss die darauf festgehaltene Geldstrafe innerhalb einer Woche bezahlen – ansonsten droht ein Strafverfahren.

Wer wegen grober Vergehen, inklusive Fahren unter Alkoholeinfluss, belangt wird, erhält ein rotes Ticket, aka切符kippu genannt. Wer innerhalb von zwei Jahren zwei Mal erwischt wird, muss an einer kostenpflichtigen, dreistündigen Schulung teilnehmen.

In vielen Fällen gilt für Radfahrer eigentlich, dass man mit einer Ermahnung davonkommt. Das gilt zum Beispiel für die Missachtung von Ampeln. Aber das liegt im Ermessen der Polizei, denn wie das Verhalten als böswillig einstuft, kann das durchaus ein blaues Ticket bedeuten, was dann in vielen Fällen 50’000 Yen Strafe bedeutet.

Ausländer sind hier übrigens etwas benachteiligt, denn während für Japaner das Tragen eines Ausweispapiers nicht zwingend ist (es gibt ja auch kein Personalausweis), müssen Ausländer immer ihre Zairyu-Karte, eine Art Personalausweis für Ausländer, bei sich tragen. Allerdings kann die japanische Polizei auch auf die Daten der Diebstahlregistrierung (防犯bōhan登録tōroku) zurückgreifen, denn die ist Pflicht für alle Fahrradfahrer. Wer bei einer Kontrolle nicht nachweisen kann, der Halter des Fahrrads zu sein, kann deshalb möglicherweise sogar des Diebstahls verdächtigt werden, und dann wird es ernst.

Mal davon abgesehen das die Hälfte der japanischen Radfahrer, allen vorneweg Senioren, Mütter und Oberschüler bereits Schlangenlinien fahren, ohne irgendetwas getrunken zu haben, gibt es vor allem im Zentrum von Tokyo ein relativ neues Phänomen: Generische junge Männer, die irgendwie alle exakt gleich aussehen (braun gebrannt, leichter Bart) rauschen mit frisierten e-Bikes durch die Straßen. Eigentlich dürfen Scooter und e-Bikes nur bis 20 km/h fahren, doch die “fat bikes” mit Motor sind manchmal so frisiert, dass sie bis zu 50 km/h erreichen. Wie Lord Kacke rauschen die Helden dann – kaum hörbar und mit nur sehr leichtem Tritt – plötzlich an einem vorbei. Ich fühle mich immer versucht, einen anzusprechen: “Also bei uns fahren nur alte Omas mit Batterie” – aber das ist heutzutage vielleicht auch nicht mehr wahr. Ich bin jedenfalls schon mehrmals vor meinem Büro beinahe über den Haufen gefahren worden, denn die e-Bikes hört man wirklich nicht – dabei könnte ein Zusammenprall wirklich fatale Folgen haben, denn 1) sind 50km/h sehr schnell, 2) wiegen allein die Fahrräder schon über 30 Kilogramm und 3) tragen die Schnösel natürlich keinen Helm. Die Frisur könnte ja kaputt gehen.

e-Bike in Japan
e-Bike in Japan

Laut dieser Meldung2 wurden am 17. Oktober erstmals 3 Menschen in Osaka festgenommen, die frisierte e-Bikes anboten. Die Anklage lautet allerdings nicht auf Gefährdung des Straßenverkehrs, sondern auf Verletzung der Markenrechte, da sie die gepimpten Fahrräder natürlich unter dem Namen des Herstellers verkauften.

  1. laut ADAC Promillerechner, Stand 2024
  2. siehe hier
tabibito
tabibitohttps://japan-almanach.de
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei der Tabibitos Blog empfohlen.

1 Kommentar

  1. “Wer in Deutschland mit bis zu 1,59‰ Blutalkohol keine Schlangenlinien fährt”
    Ich glaube, da hast du dich vermacht.

    ” “Also bei uns fahren nur alte Omas mit Batterie” – aber das ist heutzutage vielleicht auch nicht mehr wahr. ”
    Allerdings. Ich hab jetzt auch ein Elektrisches. Das ist wunderbar! Jetzt müssten hier nur noch vernünftige Wege sein.
    Daran mangelt es in Japan ja auch, sonst wäre z.B. mal kurz auf das Handy schauen zwecks Richtung auch kein Problem.

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