Mit den Verpackungen ist das so eine Sache in Japan. Alles muß schön verpackt sein, wenn möglich mehrfach, denn nur so taugt das ganze auch als Mitbringsel. Das war so, bevor das Wort Umweltschutz auftauchte, und das ist noch immer so. Einzig bei den Plastikeinkaufstüten hat es sich mittlerweilen eingeschlichen, dass man oft nicht mehr ungefragt mit den Tüten nach den Kunden wirft, sondern erst fragt, ob wirklich eine gebraucht wird. Wenn man auf eine Tüte verzichtet, bekommt man sogar vielerorts 2 Yen Rabatt auf seinen Einkauf – ob der eine Artikel nun 20 Yen kostet oder 2’000 Yen. Das ganze ist freilich, wie kann es anders sein, durchaus skurril: Damit man nicht mit dem gemeinen Volk, das da Registrierkasse bedient, kommunizieren muss, hängen kleine Karten an der Kasse, auf denen steht: “Ich brauche keine Tüte”. Die legt man dann in seinen Korb, und schon muss man nicht mit dem Kassenknecht kommunizieren. Natürlich läuft das Ganze dabei natürlich genau nach Kundenhandhabungshandhabe ab. Wer kein “Ich-brauch-echt-keine-Tüte”-Schild im Korb liegen hat, wird vorsichtshalber nochmal verhört: “Brauchen Sie eine Tüte?” Da steht man dann also, der Korb randvoll, und rein gar nichts am Mann, was darauf hindeuten könnte, dass man die Sachen irgendwo verstauen könnte. “Wenn ich den Einkaufskorb mit nach Hause nehmen kann, nicht!”, möchte man da gerne antworten.
Aber es geht ja um Erdbeeren. Was ich da neulich im örtlichen Supermarkt (200 m von mir entfernt) sah, ließ selbst mich erstaunen. Besondere Melonen für 50 Euro und mehr oder bilderbuchmäßige Weintrauben für 20 Euro pro Rebe usw. kenne ich ja zur Genüge, aber einzeln in einer Plastikglocke verpackte Erdbeeren waren mir neu. Mit Rosatuch darunter. Und nochmal in weißem Krepp eingehüllt. Für 150 Yen pro Erdbeere – also rund 1,20 Euro. Aber schauen wir mal genauer hin: Grad Brix (salopp gesagt – der Zuckergehalt): 9°Brix. Rechts daneben ein Hinweis: 9°Brix = mäßiger Geschmack, 10°Brix = guter Geschmack, 11°Brix = sehr guter Geschmack. Klasse, da soll man also 1,20 Euro für eine dreifach verpackte Erdbeere ausgeben – die dann laut Auszeichnung nur mäßig schmeckt. Interessant ist zudem, was man zum Thema bei Wikipedia findet: Laut Beitrag sind Erdbeeren mit 12°Brix mäßig, mit 16°Brix gut und mit 18°Brix hervorragend. Ein Wert von 8 hingegen ist “Schlecht”.
Wer kauft denn bloß sowas? mag der eine oder andere fragen. Nicht wenige! Aber sicher kaum jemand für sich selbst. In Japan herrscht, mehr noch als in Europa, eine Kultur der Gefälligkeiten. Für alles revanchiert man sich auf die eine oder andere Weise. Und egal wie groß der Gefallen war: Die kleine Dankbarkeit muß auf die eine oder andere Weise etwas Besonderes sein. Und wenn es eine mäßig schmeckende, weil überdimensionierte Erdbeere ist.
Rabatt, zuerst, aber dann nach einiger Zeit bekommt man vielerorts nicht mehr 2 Yen Rabatt, sondern muss 2 Yen oder mehr für die Tüte zahlen.
Was natürlich eine versteckte Preiserhöhung aller Artikel ist ist.
Aber alles der Umwelt zuliebe, nicht wahr?!
Vielleicht dient die Erdbeere ja im japanischen Höflichkeitswahn der Aussage: “Deine Tat ist eigentlich keine Gefälligkeit wert”. Der andere merkt es am schlechten Geschmack.
So gesehen könnte man sich gegenseitig auch Kakteen schenken. Wobei das in Japan keinen negativen Beigeschmack hat. Danke für deine Mittelmässigkeit oder so. Auch das hat keinen negativen Beigeschmack, siehe AKB48.
Hab den Verdacht man will auf der Erdbeerenwelle reiten, angeführt von den Sorten スカイベリー und 美人姫. Letztere kann doppelte Hühnereigrösse bei 80-100g Gewicht erreichen – und wird entsprechend für 10’000 Yen pro Stück(!), also ca. 80 Euro, landesweit versendet (zzgl. Porto). Dann bestellen wir uns heute doch mal eine (1) Erdbeere!
Wenn ich bei der Bäckerei um die Ecke ein 50cm Baguette kaufe, leg ich es vorschriftsgemäss mit der Minibrotzange auf das 20x20cm Tablett, und sofern es mir bis dahin nicht aus der Zange und danach vom Tablett gerutscht ist, fragt mich der Kassenknecht ob ich eine Papiertüte für das Brot in der Plastiktüte will. Die Papiertüte ist natürlich 20x25x20cm, ideal also damit mir das Baguette auf dem Nachhauseweg rausfällt. Dazu gibt’s eine zusammengerollte Plastiktüte um zuhause das angeschnittene Baguette, welches bereits in einer Plastiktüte steckte, aufbewahren zu können, damit es auch schön gummig wird.
Zur Verteidigung muss man allerdings sagen dass Japan weltweit mit Abstand führend ist in Plastikrecycling. Wenn ich mich recht erinnere etwas über 75% (UK ~40%, USA ~20%). Wobei sie auch in dessen Erzeugung weltweit führend sein dürften…
Haha! Ja genau. Mit 75% meinst du wohl, das 75% der Plastikabfälle verbrannt werden. Bis vor 5 Jahren gab es in ganz Japan nicht eine einzige moderne PET-Recyclinganlage. Die erste Anlage wurde von meiner Firma nach Japan geliefert und auch diese arbeitet nur mit 30% der möglichen Kapazität, weil aus den Kommunen einfach nichts zum Verarbeiten angeliefert wird. Und aus den paar Tonnen, die verarbeitet werden, macht man hinterher so tolle Sachen wie Blumentöpfe, oder mischt es zum Asphalt. Recycling dürfte sich das eigentlich nicht nennen…..
Bei uns in Yamanashi haben vor einigen Jahren die Supermaerkte zusammen beschlossen, keine Tueten mehr auszugeben. Seitdem haengen keine “Ich-brauche-keine-Tuete” Karten, sondern “Eine-Tuete-bitte” Karten an der Kasse, die auch darauf hinweisen, dass eine Tuete 5 Yen kostet.
Das mit den Karten ist glaube ich ein Service fuer die Kunden, die sich schaemen, irgendetwas an der Kasse zu sagen – man will ja nicht auffallen!
Letzte Woche gab es im örtlichen Super-Supermarkt 1kg Erdbeeren für 0,99 €. Die haben sogar geschmeckt! Um diese Jahreszeit und mit ca. 2.000 km Reiseweg im Gepäck. Na, willst nicht doch wieder Heim?
Hinsichtlich des Geschmackes könnte selbiger beim Japaner ein anderer als beim gewöhnlichen Europäer sein. da kann ein 9° Brix Erdbeere durchaus lecker sein. Vielleicht.
Wie siehts denn sonst so mit der Kommunikation zwischen den Japanern außerhalb der vier Wände und des Arbeitsplatzes aus? Man liest und sieht hier auch viel über Vergnügungs- und Geselligkeitslust des Japaners. Da will die Kommunikationsunlust nicht so recht ins Bild passen.
Ich frage mich sowieso immer schon, wer sich solche teuren Früchte tatsächlich kauft oder ob die dann entweder vergammelt weggeschmissen werden müssen …
Das mit den Einkaufstüten hier wird überall ein wenig anders geregelt.
In meinem alten Kaff haben sie es wie in Deutschland gemacht: wer eine Tüte will, muss bezahlen.
In meinem jetzigen Ort wird man an der Kasse gefragt, ob man eine Tüte möchte.
Ich habe mir schon in Deutschland damals angewöhnt immer dieselben Tüten zu verwenden bis sie auseinanderfallen.
Dass immer alles einzeln verpackt ist auch wenn es oft gar keinen Sinn macht, geht mir schon seit Jahren ziemlich auf die Nerven!
Hier in Westtokyo haengt es vom jeweiligen Supermarkt ab.
Bei Seiyu (Walmart) muss ich 2 Yen fuer eine kleine und 3 Yen fuer eine grosse Tuete bezahlen.
Beim Gourmet City (Japanisch: Gourmet Shitty) um die Ecke bekomme ich Tueten noch umsonst.
Bei meiner J-Reise letztens wurde fast immer gleich in die Tüte gepackt (Combini, Book-off etc.), ohne zu fragen. Manchmal gabs einen fragenden Blick, aber bezahlen musste dafür ich nirgends. Allerdings habe ich auch sehr häufig abgelehnt.