BlogKuidaore - ein Nachruf (?)

Kuidaore – ein Nachruf (?)

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Cirka 60 Jahre lang war es eine feste Institution in →Ōsaka – das くいだおれ. Das ist ein 8-Geschosser voll mit Restaurants und Trinkhallen – von oben bis unten. Und das mitten in der 道頓堀 (dōtonbori) – Osaka’s Fressmeile Nummer Eins.
Zwei Sachen fallen in besagter Strasse auf – riesengrosse , winkende Krabben an den Häuserwänden… und ein überlebensgrosser Clown, der vor einem Laden steht und trommelt. Letzterer ist das Markenzeichen des Kuidaore. Jenes schreibt sich übrigens mit lateinischen Buchstaben Cui daoré, was richtig modern und exquisit klingt – dabei aber nur wahrscheinlich von der eigentlichen Bedeutung ablenken soll: Kuidaore bedeutet nichts anderes als Fressen bis zum Umfallen.
Die Besitzer, eine Familie, haben nun leider beschlossen, die Pforten zu schliessen – und zwar im Juli. Grund ist die Baufälligkeit des Gebäudes und sinkende Besucherzahlen. Nun, in meinem Büro gibt es auch Zugewanderte aus Osaka. Und aus dem hohen Norden. Und dem wilden Westen. Alle kennen das Kuidaore – aber niemand hat jemals da gegessen. Kein Wunder also. Ich war dann wohl der Einzige, der ein paar Mal dort war.
Kaum wurde die traurige Nachricht bekannt, versammelten sich Menschen vor dem Lokal – aus nostalgischen Gründen. Erste Stimmen wurden laut, dass der くいだおれ太郎 (Kuidaore-Tarō, also der “Kuidaore-Hans”), die trommelnde Puppe, hernach ins Museum soll.


Fressmeile Dotonbori in Osaka
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Ach ja, die →Webseite ist noch online und hat sogar eine englische Fassung.
Das Wort des Tages: 食う (ku-u, auch: 喰う). Das gleiche Zeichen wie für “tabe-ru”, nur das “taberu” essen bedeutet und “kuu” fressen. Obwohl man letzteres gern auch für Menschen benutzt. Dann heisst es ebend nicht “ご飯食べた?” – gohan tabeta (hast du schon gegessen?) sondern “飯食った?” – “meshi kutta?”. Gleiche Bedeutung, nur Umgangssprache.

tabibito
tabibitohttps://japan-almanach.de
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei der Tabibitos Blog empfohlen.

7 Kommentare

  1. mhhh … ich war heute auf dotonbori unterwegs und da hat der clown lustig vor sich hergetrommelt… ich bin gerade den 4. tag in osaka und kannte den laden bisher nicht. ich habe mich nur gefragt, warum alle den doch recht unscheinbaren clown fotografieren. nun bin ich um einiges schlauer…

    Immer wieder sehr erhellend dein Blog… *Lob*

  2. Bin selbst nicht dort gewesen, aber leid tut es mit trotzdem. Diese Fresstempel, die mehrere unterschiedliche Restaurants vereinen, fand ich auf meiner Reise durch Japan wegen der großen Auswahl richtig angenehm. Bin oft tagsüber mit dem Rad unterwegs gewesen, hab oft anschließend ein Hotel suchen müssen, dann baden und zum Schluss abends noch nach einem Restaurant gesucht. Hier muss man einfach durchgehen, die Auslagen anschauen und dann entscheiden auf was man Lust hat. Besonders gefallen hat mir z.B. das “The Cube” im Isetan in Kyoto. Eigentlich in jedem großen Kaufhaus findet man diese Restaurants, nur das rauskommen nach Ladenschluss ist manchmal etwas schwierig, da Fahrstühle und Rolltreppen abgeschaltet werden :-)

  3. Schade. Dachte ich hätte so eben ein kurzes Reiseziel für meinen Aufenthalt in Osaka gefunden. Aber der ist erst 2 Monate später :(
    Aber nun weiß ich, wo diese große Krabbe herkommt. Habe sie schon einmal in einem Video gesehen. :D

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