Am Sonntag morgen japanischer Zeit wurde es traurige Gewissheit: Auch 後藤 健二 Gotō Kenji, freier Fotograf, wurde Opfer von ISIS – hingemeuchelt wie etliche andere Geiseln auch. Eine Zeit lang sah es so aus, als ob er seinem Schicksal entkommen könnte: Der Islamische Staat forderte erst 200 Millionen US-Dollar, exekutierte dann Gotōs Freund und Bekannten Yukawa und erklärte sich schliesslich bereit, Gotō freizulassen, wenn Jordanien die dort zum Tode verurteilte irakische Terroristin Sajida Mubarak Atrous al-Rishawi freiliesse. Das brachte die jordanische Regierung in die Zwickmühle, denn der Islamische Staat hält auch einen Jordanier gefangen – einen Piloten, der bei einem Angriff auf den Islamischen Staat abstürzte. Jordanien änderte also die Bedingungen und forderte erstmal ein Lebenszeichen des Piloten. Die Tagesschau meldete daraufhin – fälschlicherweise – dass der Islamische Staat mit dem Austausch 2 gegen 1 einverstanden wäre, aber dem war nicht so. Offenbar wurde das dem Islamischen Staat zu viel, und so wurde Gotō enthauptet. Er hinterlässt unter anderem 3 Töchter – die jüngste wurde erst vor ein paar Wochen geboren.
Gotō war freier und erfahrener Fotograf, der vor allem über das Leid der Frauen und Kinder in Kriegsgebieten berichtete – aus Syrien, Irak, Sierra Leone, Südsudan und so weiter und so fort. Gerade mal 47 Jahre alt wurde er. Sein Tod trat nun in Japan eine Debatte los. Hat die Regierung genug getan, um seinen Tod zu verhindern? Die Lösegeldforderung wurde (zu recht) umstandslos abgelehnt. Nun gibt es Stimmen, die kritisieren, dass die Regierung nicht einmal versuchte, zu verhandeln. Es gibt auch – wenn auch versteckte – Kritik an Jordanien: Hätte Jordanien nicht plötzlich seinerseits Bedingungen gestellt, würde Gotō vielleicht noch leben. Das schlimmste, und das war zu befürchten, ist jedoch die angebliche Lektion, die Ministerpräsident Abe aus dem Vorfall zu ziehen versucht: Er sieht sich in seinem Vorhaben bestätigt, die seiner Meinung nach nicht mehr zeitgemässe, pazifistische Verfassung Japans zu ändern, damit Japan aktiv ins Kriegsgeschehen eingreifen kann. Gotōs Witwe sowie seine Mutter sprachen sich umgehend dagegen aus: Gotō wollte mit seiner Arbeit schliesslich nur eins zeigen: Dass Krieg nur Leid und Unheil über die Schwächsten bringt. Seinen Tod nun zu instrumentalisieren, um Japan zum Krieg zu befähigen, ist Zynismus pur. Und Abes Begründung einfach nur falsch: “So etwas lässt sich nur verhindern, wenn Japan aktiv am Kampf gegen den Islamischen Staat teilnehmen kann”. Weniger Opfer, weniger Gewalt, wenn sich das Land in einen Krieg fernab der Heimat begibt? Das ist schwer vorstellbar.
Es gibt auch Kritik daran, dass Abe ankündigte, den Islamischen Staat und alle Beteiligten bedingungslos zur Rechenschaft ziehen zu wollen. Die Kritiker sind der Meinung, dass Abe mit dieser Äusserung alle im (arabischen) Ausland befindlichen Japaner zur Zielscheibe macht. Über diesen Punkt mag man nun streiten: Propaganda auch in der westlichen Welt hin oder her – der Islamische Staat ist ganz sicher kein Wohlfahrtsverein und seine Taten mit gesundem Menschenverstand schwer zu begreifen. Dazu Stellung zu beziehen ist sicher besser, als stillschweigend alles zu dulden.
Ein paar Fotos und Berichte (leider alles auf Japanisch) kann man auf Gotos Webseite sehen: ipgoto.com.
In diesem Sinne – Rest in Peace, Gotō-san. Ein bewundernswerter Mann mit viel Herz und Mut, der dieses Ende auf keinen Fall verdient hat. Ich wünschte, Ministerpräsident Abe hätte sich ein bisschen mehr mit der Arbeit dieses Mannes auseinandergesetzt.
In dieser Scharade scheint der einzig aufrechte Mensch Goto gewesen zu sein.
Traurig, dennoch sollten wir nie vergessen, dass der IS die alleinige Schuld an Goto’s Tod trägt. Niemand anders.
Ob Japaner wegen Abe’s Worte nun zu Zielscheiben werden? Vielleicht, aber wäre das Lösegeld geflossen, wären Japaner vermutlich ebenso zu lukrativen Zielen geworden.
Der IS entscheidet willkürlich was er mit wem tut, es gibt kein verbindliches, ehrhaftes Verhalten dieser Armee von Massenmördern.
Die alleinige Verantwortung für den Tod von Goto und tausenden anderen, tragen ausschliesslich jene, die sie umbrachten. Kein Abe, kein Japan und auch nicht der Rest der Welt.
Was passiert, wenn man Lösegeld zahlt, hat die New York Times vor kurzem eindrucksvoll dargelegt. http://www.nytimes.com/2014/07/30/world/africa/ransoming-citizens-europe-becomes-al-qaedas-patron.html?_r=0
Abe hat richtig gehandelt und ich glaube auch, dass er die richtigen Konsequenzen zieht. Japan als große Exportnation ist abhängig vom freien Warenfluss in der Welt. Zu glauben, man kann in Anbetracht des Chaos in der arabischen Welt und der Bedrohungen vor der Haustür seinen Kopf in den Sand stecken und die Amis werden es schon richten ist ignorant und dumm.
Nun ja, zur Sicherung des eigenen Warenflusses in Kriege einzugreifen halte ich definitiv für einen Schritt rückwärts. Ich bin kein waschechter Pazifist – ich bin überzeugt, dass es Situationen gibt, in denen ein militärisches Eingreifen gerechtfertigt ist. Aber bitte nicht um sein Erdöl oder anderer Waren zu sichern.
Japan hat sich seit 1945 mehr oder weniger aus Konflikten herausgehalten, und das sollte auch so bleiben.
Nicht um Erdöl oder “anderer Waren” zu sichern? Um was sollte man denn sonst in den Krieg ziehen? Erdöl = Energie = Transport von Waren und Menschen und Nutzung von Technik. Keine Nutzung von Technik, kein modernes Leben. “Anderer Waren” = Arbeiter am Toyota- und Panasonic-Fließband = arbeitslos = Service Industrie pleite = Revolution. Sind doch nun wirklich gute Gründe.
Ich bin bestimmt kein Kriegstreiber, glaube aber, dass Länder wie Deutschland und Japan sich in der Sicherheitspolitik nicht mehr vornehm zurückhalten können, wollen sie langfristig ihr Gesellschafts- und Wirtschaftsmodell beibehalten. Um Japan mache ich mir hier mehr Sorgen als um Deutschland. Letzteres hat keine Feinde als direkte Nachbarn.
Also ich bin da etwas anderer Meinung. Wenn man in sollche Kriesengebiete geht, kennt man das Risiko welches man auf sich nimmt. Und warum muss er ausgerechnet nach der Geburt seiner Kinder in ein solches gefaehrliches Gebiet begeben? Er hat da nix zu suchen, wenn er Wert auf die eigene Familie gelegt haette. Einen Freund zu suchen und zu befreien ist, wie man gesehen hat und vorher weis, nicht moeglich.
Liest man dann noch die Aussagen der Mutter, die mit der Entfuehrung so gar nix zu tun haben, bekommt man den Eindruck, in der Familie ist etwas schief gelaufen.Wie kann man in so einer Situation von Kernenergie reden und das Japan nicht mit dem IS zu tun hat?
Ja, schrecklich ist es, das da einfach Menschen abgeschlachtet werden. Aber was haben die da zu suchen? Das verstehe ich nicht.
Nun, weil es seine Arbeit war. Seine Berufung. Wenn er da nicht hinfährt und mit seinen Bildern zeigt, was dort wirklich geschieht – wer dann? Und Gotō war sich der Gefahren bewusst, das geht auch aus den Artikel auf seiner Webseite hervor.
Es mag zwar hart klingen, aber “bloss” weil er Nachwuchs erwartet, kann er nicht einfach aufhören zu arbeiten, oder plötzlich Reportagen über gutes Essen machen, weil das sicherer ist. Der Mann hat seinen Beruf gelebt, und er kam gut damit zurecht. Bis er auf die falschen traf – nämlich seinen Führer dort, der ihn an IS verraten hat.
Genau – am besten keiner geht dahin, dann erfährt auch keiner, was da so los ist. Ich habe größten Respekt vor diesen Journalisten, die sich in Lebensgefahr begeben, um über die Situation der Menschen in diesen gefährlichen Gebieten berichten.
Hierzulande wude Gestern kommuniziert, dass Goto Kenji und sein Mitstreiter bereits seit Monaten in der Hand des IS waren und keine Anstalten seitens der japanischen Regierung zur Lösung dieser Geiselnahme machte. Bezüglich der möglichen Verwicklung Jordaniens wurde auch vermutet, dass der Pilot bereits getötet wurde und für Jordanien keine Verhandlungsmasse mehr bestand.
Letztlich stimme ich Sascha voll zu: verantwotlich für den Tod sind die selbsternannten Gotteskrieger, welche offensichtlich keinen Glauben haben!