Die meisten Japanbesucher sind meistens von der gleichen Sache begeistert — dem berühmten Kundenservice. Stets lächelnd, reißen sich die meisten Angestellten ein Bein aus, um Kunden zufriedenzustellen. Kenner wissen dabei natürlich, dass es auch Grenzen gibt, denn wenn nach etwas gefragt wird, was nicht von der “Betriebsanleitung” gedeckt wird, kann auch japanisches Personal schnell auf stur schalten. Doch im Großen und Ganzen ist der Kunde sehr wohl König, und patziges oder anderswie mißgelauntes Personal eher selten.
Das scheint sich jedoch nach und nach zu ändern – so zumindest meine subjektive Meinung, aber mit der bin ich nicht völlig allein. Meine Frau nennt das politisch einwandfrei unkorrekt die Ukrainisierung des japanischen Kundenservices. Der Grund: Als wir zusammen in der Ukraine unterwegs waren, kamen wir mehrfach in den Genuss traditioneller sowjetischer Angestelltenfreundlichkeit. Und da sie noch nicht in Russland war und von daher auch nicht wissen kann, dass dies in Russland genauso häufig anzutreffen ist, zieht sie eben den Vergleich mit der Ukraine.
Beobachtungen, die auf Veränderungen hindeuten, habe ich reichlich gemacht — so erst am Sonntag. Ziel war der Erwerb einer neuen Kamera — bei einem der japanischen Elektronikriesen, genannt Bic Camera. Man beachte das “Camera” im Namen. Bei einem Besuch der Filiale in Machida, einem ziemlich großen Unterzentrum von Tokyo, sahen wir aber nur eine Handvoll gebrauchter Kameras. Offenbar wurde die Hauptfiliale der Kette in Machida irgendwann dichtgemacht, und was blieb, war ein Laden, der gemeinsam mit Sofmap, einem Händler gebrauchter Elektronik, zusammen betrieben wird. Neue Kameras gäbe es in dem mehrstöckigen Kaufhaus nicht, wurde mir versichert, selbst als ich nachhakte: “Big CAMERA verkauft also keine Kameras mehr?”. Der gelangweilte Verkäufer zuckte mit den Achseln. Die Frage, ob man denn irgendwo anders in Machida noch Kameras kaufen könne, beantwortete er aber ziemlich schnell: “Nein. Das nächste ist in Sagami-Ono, eine Station von hier entfernt”.
Kollege Google war da anderer Meinung — und siehe da, 200m entfernt existierte noch Yodobashi Camera, ein anderer Spezialist für alle möglichen elektrischen und elektronischen Produkte, mit einer kompletten Etage nur für Kameras.
Auch die Bedienung im Convenience Store nahe meines Büros sieht tagtäglich sehr übel gelaunt aus. Als zu lange in Japan Lebender schaut man natürlich sofort auf das Namensschild und denkt sich dann umgehend “kein Wunder, sie ist keine Japanerin” – und schämt sich dann gleich dafür, sich bei diesem Gedanken ertappt zu haben. Doch lächelfreie japanische Fachkräfte sind ebenso sehr stark im Kommen. Ich bin mir sicher, dass auch immer mehr Touristen Zeugen unfreundlicher Bedienung werden, da es einfach sehr, sehr viele Touristen gibt, von denen sich ein gewisser Anteil auch anmaßend benimmt.
Das Problem ist aber sicherlich eher die hohe Dynamik im Jobsektor. Immer mehr Angestellte sind nicht fest angestellt, sondern nur auf Vertragsbasis. Und wenn ihnen was nicht passt, kündigen sie ganz schnell. Da fehlt dann sicher schnell mal die Motivation, sich für Kunden richtig ins Zeug zu legen, denn das Gehalt wird davon auch nicht besser. So zumindest die kurzfristige Denkweise.
War es nicht schon immer so, dass die meisten Verkäufer halt doch keine Fachkräfte sind und manchmal bekommt man schon den Eindruck, dass die eigentlich gar nicht verkaufen wollen. Für Touristen seh ich da keine Probleme, die denken sich dann halt, das lag an den Sprachkenntnissen. Was mir auffällt, im Combini gibt es in Kyoto noch wenig ausländische Verkäufer, aber hallo! die sind sowas von freundlich und lächeln von Herzen, nicht nach Manual.
Seit 2020 hab ich so oder so keine lächelnden Konbini o. andere Verkaufer mehr gesehen. Sie verstecken sich doch eh bis heute noch alle hinter ihren Masken. (Und ja, das war davor noch anders)
Immer mehr Katakana auf den Namensschildchen fiel mir aber auch schon auf, in den Jahren.
vorab, bei “Ukrainisierung” habe ich laut gelacht……..
nun zum Thema, im Einzelhandel bemerkte ich eigentlich keine Verschlechterung, was wohl auch an den wenigen Einkäufen bei 3 Wochen Japan liegt. Aber sonst schon, in einem Hotel gab man mir ein Zimmer, es war noch nicht gemacht! Recht laue Entschuldigung. In einem anderen Hotel mühten sich die Experten an der Rezeption mit mehreren Versuchen ab, mir ein Telefonat zum Zimmer durchzustellen, gefühlte Dauer 10min. Dann vor ein paar Tagen (aus den Nachrichten) ein Shinkansenzug blockiert, glaube wegen Ölverlust, in Fukushima stundenlang die Strecke. So etwas gab es früher nicht bei JR. Von nun an geht’s bergab, sehr schade.
Ah, dann sind meine Frau und ich mit diesem Eindruck nicht allein. Uns fiel ebenfalls aus, dass die Herkunft dabei weniger eine Rolle zu spielen scheint. Aber vor allem die jungen patzigen Japaner regen meine Frau besonders auf und diese ist aus Berlin bzw. Deutschland ja einiges gewohnt.
Musste sie mehr als einmal an der Hand nehmen und aus dem Land führen, damit es keine Szene gab. Denn, sie hat in Deutschland gelernt, dass man durchaus auch mal laut werden darf.
Aus dem Laden, nicht aus dem Land. Man entschuldige bitte die Wurstfinger.
Hier auf Hokkaido habe ich noch keine schlechten Erfahrungen gemacht. In den beiden Elektronik-Laeden in unserer relativen Nachbarschaft wurden wir stets freundlich und fachkundig bedient, auch vom juengeren Personal. Auch in den Konbinis und auf der Post, ja sogar beim Shiyakusho sind alle freundlich und professionell, und die Kroenung ist natuerlich die tiefe Verbeugung nach Abgabe der Steuererklaerung auf dem Finanzamt… ;-) Man suche das mal im besten Deutschland aller Zeiten…
Eine (!) negative Erfahrung hatte ich mit der Post, allerdings schon 1999. Ich hatte damals mein Buero noch in Yokohama, und meine Kreditkartenrechnung von der Citibank ging als “unzustellbar” zurueck, obwohl mein Name in Romaji und Katakana an der Buerotuer prangte… Die Citibank hat, obwohl der Betrag abgebucht worden war, vorsichtshalber die Karte gesperrt, was mir allerdings erst ein paar Tage spaeter in Hiroshima auffiel, als ich meine Hotelrechung bezahlen wollte. Zurueck in Yokohama habe ich das sofort klaeren koennen und dem Zustellpostamt ein paar passende Worte gesagt. Es stellte sich heraus, dass der Postbote zu faul gewesen war, die Treppe in den ersten Stock hochzulaufen. Zwei Stunden nach meinem Anruf lief der stellvertretende Vorsteher des Zustellpostamts mit zwei Untergebenen bei mir im Buero auf, um es heftig moushiwackeln zu lassen, eine Schachtel Senbei und diskret einen Umschlag mit Barem dazulassen, um mich davon abzubringen, mich bei der zustaendigen OPD zu beschweren, was ich telefonisch angekuendigt hatte (und ich war richtig sauer, weil es nicht gerade angenehm ist, wenn zwei Geschaeftspartner mitkriegen, dass die Kreditkarte nicht funzt!)…
Das war in mehr als 30 Jahren meine einzige schlechte Erfahrung mit Service in Japan. Ansonsten ist zwischen Service in Deutschland und Service in Japan ein Unterschied wie Tag und Nacht!