Was sahen da meine entzündeten Augen heute beim Videoverleih: Ein neuer Film aus Hollywood, mit dem Titel 終戦のエンペラー shūsen no emperaa (Wörtlich: Der Kaiser zum Ende des Krieges), mit Tommy Lee Jones als General MacArthur. Uninformiert wie ich bin, war mir das Herannahen dieses Filmes völlig entgangen. Nun kenne ich zwar die gesamte Hintergrundgeschichte, aber natürlich war ich trotzdem – oder gerade deshalb – neugierig, wie das Thema verpackt wurde. MacArthur kennt in Japan jedes Kind, denn der General spielte die zentrale Rolle im Nachkriegsjapan. Im wesentlichen ging es im Film um die Kriegsschuld des japanischen Kaisers. Es gab während und nach des zweiten Weltkrieges genügend Stimmen, die den Kaiser wenn nicht am Galgen, so doch wenigstens vor dem Kriegsgericht sehen wollten. Schliesslich waren ja alle japanischen Soldaten quasi im Namen des Kaisers “unterwegs”. Um es vorwegzunehmen: Der Kaiser blieb unangetastet, verlor aber seinen Götterstatus. Sicherlich zurecht war befürchtet worden, dass das Entfernen des Kaisers Japan vollends gegen die Gewinner des Krieges aufgebracht hätte.
Nun, der Film beginnt, wie er beginnen musste: Mit historischen Aufnahmen des Atombombenabwurfs auf Hiroshima. Kurze Zeit später tritt Tommy Lee Jones in Szene – als bärbeißiger, selbstverliebter aber weitblickender General MacArthur. Und er spielt seine Rolle gut. Die Szenen mit ihm sind erfrischend und interessant. Auch Toshiyuki Nishida, ein sehr bekannter Schauspieler in Japan, brilliert als General Kajima. Früher war ich kein Fan von Nishida, aber ich habe meine Meinung schon vor einer Weile geändert, und dieser Film ist für mich ein weiterer Beweis, dass Nishida vorzüglich geeignet ist für solche Rollen. Auch Masatō Ibu als Lordsiegelbewahrer Kido spielt seine Rolle hervorragend und ist ebenfalls in Japan sehr bekannt.
Soweit, so gut. Die Bilder Tokyos in den ersten Wochen nach Kriegsende sind erwartungsgemäß apokalytpisch und erinnern an historische Fotos aus der Zeit. Es gäbe bestimmt auch ganz viele weitere interessante Dialoge und Szenen, die die damals Beteiligten und die historischen Hintergründe stärker hätten ausleuchten könnten. Doch oh weh – stattdessen entschied man sich, in die Handlung auch noch eine Liebesgeschichte einzubauen, und zwar die zwischen Brigadegeneral Bonner Fellers, gespielt von Matthew Fox, und einer japanischen Lehrerin namens Aya, die Fellers vor Ausbruch des Krieges in Amerika kennenlernte. Und so wird der vom Gesprächsstoff her auf jeden Fall interessante Film mit zahlreichen Rückblenden in die Liebesgeschichte zwischen Aya und Bonner regelrecht zerstückelt. Brennende Trümmerwüste Tokyo – Schnitt – Aya rennt, vo Sonnenlicht geblendet, durch einen Bambushain. Das ist grausam und verstörend. Diese Rückblenden, beziehungsweise AYA an sich braucht kein Mensch. Schade eigentlich, denn mit dieser Besetzung und diesem Thema hätte daraus wirklich ein guter Film werden können.
Randbemerkung: Interessanterweise wird der 宮城事件 Kyūjō Jiken – Palastzwischenfall im Film relativ ausführlich erklärt: Nachdem Gerüchte die Runde machten, dass der Tennō bereit sei, zu kapitulieren, versuchten Kreise der Armee einen Militärputsch, der sich direkt gegen den Kaiser richtete. Nachdem sich jedoch weite Teile der Armee weigerten, sich anzuschliessen, beging der Anführer, General Tanaka, Selbstmord. Viele andere begingen ebenfalls Selbstmord und der Putschversuch scheiterte. Zum Glück, muss man wohl sagen, denn hätte Japan nicht kapituliert, wären die Dinge für Japan sicher nicht besser geworden. Durch die Kapitulation entging das Land womöglich sogar dem Schicksal Deutschlands – will heissen, eine Teilung des Landes. Dieser Putschversuch fehlt (wie viele anderen Vorkommnisse auch) in japanischen Schulbüchern, und so ist es durchaus begrüßenswert, dass dieser Film diesbezüglich ein klein wenig Aufklärungsarbeit leistet.
Das Titelbild erinnert irgendwie an einen typischen Tom Cruise-Film. Nun gut, wird mal angesehen demnächst.
Schönes Weihnachtsfest wünsche ich, falls es denn eines gibt bei euch. oノ