Vor rund einer Woche, in der Nacht vom 2. zum 3. Dezember, wurden viele Bewohner von Tokyo und der umliegenden Gegend gleich zwei Mal geweckt – kurz nach 2 Uhr nachts durch zwei Beben der japanischen Stärke 3 und 4 (höchste Stufe: 7) und dann noch ein Mal kurz nach halb sieben mit einem Beben mit einer schwachen 5. Alle drei Erdbeben hatten ihr Epizentrum in der Region der 5 Seen des Fujisan (Fuji Goko). Das stärkste Beben hatte eine 4.9 auf der Richterskala, das Epizentrum lag jeweils in rund 20 Kilometer Tiefe.
Stärkere Erdbeben direkt am Fujisan sind relativ selten und lassen deshalb Geologen aufhorchen, denn das könnte zweierlei bedeuten:
- Ein Ausbruch des Fujisan
Den letzten schweren Ausbruch gab es im Jahr 1707 – damals wurde Edo (das heutige Tokyo) mit einer zentimeterdicken Ascheschicht bedeckt. Dass der markante Stratovulkan alles andere als dormant ist, ist hinlänglich bekannt, und ein schwerer Ausbruch kann katastrophale Folgen haben. So veränderte der Fuji-san bei einem Ausbruch im Jahr 864 u.Z. die komplette Landschaft nördlich des Vulkans – die 5 Seen, wie man sie heute kennt, entstanden erst zu jener Zeit. Da ein Ausbruch für die Hauptstadtregion große Konsequenzen haben könnte, wurde erst vor ein paar Wochen eine Neuausgabe der “Hazard Map” erstellt – zum ersten Mal seit 17 Jahren.
Die Karte beschäftigt sich vor allem damit, wo überall Lava fließen könnte, denn diese Gegenden müssen im Fall der Fälle umgehend evakuiert werden. Auch die Simulation des Ascheregens wurde überarbeitet – in Tokyo könnten demzufolge je nach Stadtgebiet zwischen 1 und 30 cm Asche niedergehen. Das klingt zwar erstmal nicht nach sehr viel, aber schon ein paar wenige Zentimeter würden reichen, den Verkehr komplett lahmzulegen.
Es droht jedoch noch eine andere Gefahr, und die würde alles in den Schatten stellen:
2. Nankai-Erdbeben
Parallel zur japanischen Ostküste verläuft der sogenannte 南海トラフ Nankai-Graben – hier grenzen zwei Platten aneinander, und die Gegend ist seismisch sehr aktiv. Ein schweres Erdbeben entlang dieser Plattengrenze kann genau so stark sein wie das, das 2011 den Nordosten von Japan verwüstete, doch während die Katastrophe vor 10 Jahren nur dünn besiedeltes Gebiet traf, würde ein Nankai-Beben einen starken Tsunami verursachen, der die halbe japanische Ostküste verwüsten würde – von Kyushu über Shikoku und Nagoya bis nach Tokyo. Das letzte schwere Erdbeben (Stärke 8.7) gab es hier 1707 – und der Ausbruch des Fujisan im selben Jahr wird nicht als Zufall, sondern als Folge betrachtet.
Die Behörden bereiten sich seit Jahrzehnten auf ein Nankai-Beben vor, doch das ist aufgrund der extrem dichten Besiedlung der Ostküste nur bis zu einem gewissen Grad möglich. Die wirtschaftlichen Folgen kann man sich nur schwer ausmalen, denn die Region von Osaka bis Tokyo ist die wirtschaftliche Achse Japans, und eine Überflutung der Küstenregion würde umgehend Wirtschaft und Verkehr lahmlegen – von möglichen Todesopfern ganz zu schweigen. Hier kann man nur hoffen, dass das ganze nicht bald, sondern erst in ferner Zukunft geschehen wird.
Früher habe ich mich immer gefragt, wie die Menschen mit dem Wissen leben können, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis das befürchtete Szenario eintritt. Und tatsächlich frage ich mich das bis zu einem gewissen Grad immer noch. Natürlich weiß ich, dass man Metropolregionen wie Osaka, Tokyo und Nagoya nicht einfach umsiedeln kann. Und vermutlich fehlt für dieses Gedankenspiel ohnehin der Platz. Ich hoffe natürlich auch, dass Japan ein großes Nankai-Erdbeben so lange wie möglich erspart bleibt.
Vielleicht sollte ich aufgrund dieser Informationen meinen nächsten Japanurlaub, der mittlerweile mehrmals auf nächstes Jahr verschoben werden musste, absagen. Ich möchte nämlich sehr, sehr gerne wieder mal hin. Als ich das erste Mal genauso unbedingt hin wollte, wäre mein Flug am 14.03.2011 gegangen…