Man ist ja in Japan einiges gewohnt in Sachen Naturgewalten, aber die Häufung der Ereignisse in den letzten 4 Tagen ist selbst für Japaner etwas Besonderes. Das ganze begann am 10. September. Taifun Nummer 18 und Taifun Nummer 19 nahmen Japan in die Zange. Nummer 18 war zwar relativ schwach und Nummer 19 traf gar nicht erst aufs Land, aber diese besondere Wetterlage hatte zur Folge, dass ein dünner Streifen sehr warmer und feuchter Luft zwei Tage lang vom Süden her über Tokyo gen Norden zog und sich dort in den Bergen in sintflutartige Regenfälle entlud. In den Bergen von Tochigi an der Grenze zur Präfektur Ibaraki fielen so rund 600 mm Regen in weniger als zwei Tagen. So viel Niederschlag fällt in Berlin nicht mal in einem Jahr. Das Wasser will natürlich erstmal abfliessen – doch die Menge war so gross, dass es in der Stadt 常総市 Jōsō-shi 50 Kilometer nördlich von Tokyo – fast genau zwischen Tokyo und Nikkō – zum Deichbruch kam. Das Gebiet links vom Kinugawa-Fluss lief danach binnen weniger Stunden voll wie eine Badewanne, und da Holzhäuser ohne Keller und allem den Wassermassen nicht viel entgegenzusetzen haben, ähnelten die Bilder denen nach dem Tsunami 2011. Ein paar Menschen kamen dabei ums Leben, und es werden immer noch Menschen vermisst.
Das pikante am 決壊 kekkai Deichbruch war, dass für die Gegend an der Stelle des Bruches keine Evakuierungsanordnung galt. Evakuierungsanordnungen gab es zwar – aber eben nicht an jener Stelle. Die Begründung dafür war, nun ja, interessant: Man hat nur dort evakuiert, wo besorgte Anrufe von Anwohnern eingegangen waren. Wenn also zwei, drei Leute eines Bereiches anriefen und sagten “Der Fluss scheint hier bald über die Ufer zu treten”, wurde eine Evakuierung angeordnet. Es gab aber keine Anrufe von der Bruchstelle – und damit hatten die Menschen sich ergo ihre Lage selbst eingebrockt.
Auf den Bildern war jedoch klar zu erkennen, dass das Wasser nur noch weniger als einen Meter unter der Deichkrone stand. Dass bei dieser Lage und anhaltendem Starkregen keine Deichläufer oder zumindest Luftüberwachung angeordnet wurden, grenzt an Fahrlässigkeit.
Nummer 2 folgte am Sonnabend, kurz vor 6 Uhr morgens: Ein Erdbeben der Stärke 5.2 weckte so ziemlich ganz Tokyo auf, denn es hatte nahezu überall in Tokyo, Kawasaki, Chiba und Yokohama die Stärke 4. Es wackelte also sehr deutlich. Grössere Schäden gab es nicht, aber das Besondere an diesem Beben war das Epizentrum: Es lag in der Bucht von Tokyo, oder, um genauer zu sein, fast genau unterhalb des Flughafens Haneda. Und das ist relativ selten. Seit Jahren wartet man ja nun auf das 直下型 chokka-gata – das grosse Erdbeben direkt unter Tokyo. War dies das Vorspiel? Oder war es gar ein Entlastungsbeben, dank dessen das große nun um ein paar Jahre nach hinten verschoben wurde? Diese Fragen kann die Seismologie leider noch nicht gewissenhaft beantworten. So richtig vorstellen möchte es sich jedoch niemand – das grosse Beben könnte nämlich, rechnerisch zumindest, bis 8-komma-nochwas stark sein. Und das ist hunderte Male stärker als die läppischen 5.2 am Sonnabend.
Das Mass voll machte heute, am 14. September, der Vulkan Aso auf Kyushu, der mal eben plötzlich eine 2 Kilometer hohe Aschewolke in den Himmel schickte. Das kam etwas überraschend – die Warnstufe ist lediglich 2 (von 5), aber das ist dem Aso offensichtlich egal. Den Livestream kann man sich hier ansehen – bei ca. 3h 25m geht es richtig los:
Das reicht dann auch erst einmal für die nächsten Wochen. Hoffen wir zumindest.
ja, das wirklich viel auf ein Mal in so kurzer Zeit
Danke für’s teilen der beeindruckenden Videos!