BlogRassistisch? Ein Sturm im Wasserglas

Rassistisch? Ein Sturm im Wasserglas

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Japanern wird oft mehr oder weniger latenter Rassismus nachgesagt. Und der neue Werbespot von ANA, einer der beiden großen japanischen Airlines, ist angeblich ein hervorragender Beweis dafür. Da stehen also zwei Japaner im Flughafen von Haneda und unterhalten sich über selbigen. Letztendlich sagt einer der beiden „Soll ich Dich umarmen?“, worauf der andere verdutzt aus der Wäsche schaut. Daraufhin sagt der potentielle Umarmer: „Das ist eine so typisch japanische Reaktion“, worauf jener natürlich erwidert: „Ich bin ja auch Japaner“. Die Antwort darauf: „Dann lass uns ändern, wie Japaner im Ausland betrachtet werden“. Und schwupps, hat der Zaudernde eine lange Plastiknase und eine blonde Perücke auf.
Sofort hagelte es Proteste – vor allem von Ausländern. Dieser Spot sei verletzend und vorurteilsbeladen. In der Tat denken viele Japaner bei Ausländern aus Europa oder den USA erstmal an 金髪 (kinpatsu = goldenes Haar, sprich „blond“) und 高い鼻 (takai hana – hohe, bzw. lange Nase). Aber urteilt selbst – der Spot dauert keine halbe Minute und beginnt ab ca. 25 Sekunden:

Mal davon abgesehen, dass dieser Werbespot ziemlich sinnfrei ist, verstehe ich den Wirbel nicht so richtig. Wo kämen wir denn hin, wenn man nicht mehr andere Leute ein bisschen durch den Kakao ziehen darf? Und mal ehrlich, das ist doch noch eher vorteilhaft gezeichnet, wenn man bedenkt, wie Japaner und andere ostasiatische Völker im Ausland karikiert werden, aber das Bild hat sicherlich jeder selbst vor Augen. Ein bisschen politische Unkorrektheit darf schon mal sein.
Wie nicht anders erwartet, stürzt sich natürlich Debito genüßlich auf diesen Werbespot, aber interessant sind dabei die anderen Fälle, die eine ähnliche Tonlage haben: ANA ad on Haneda Airport as emerging international Asian hub, talks about changing “the image of Japan” — into White Caucasian!.
Nun, persönlich ist es mir ziemlich egal, ob man mit dem Vorurteil des blonden, langnasigen und blauäugigen Ausländers herumfuchtelt. Was mich eher auf die Palme bringt, ist das, was momentan in der Werbeindustrie schwer angesagt zu sein scheint: Furchtbar schlecht auf japanisch herumstammelnde Ausländer (mit einer sehr akzentuierten, nervtötenden Katakana-Aussprache). Hey, nicht alle Ausländer sind so! Viele sprechen gar kein Japanisch! Und einige sehr gut! Obwohl, Moment… nein, eigentlich stammeln viele wirklich nur so vor sich hin. Ach, vergessen wir das. Ist doch nur Marketing.

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tabibitohttps://japan-almanach.de
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei der Tabibitos Blog empfohlen.

7 Kommentare

  1. Ich finde die Werbung auch nicht weiter schlimm. Ich habe kürzlich in Japan einige Webungen gesehen, die problematischer hätten sein können. Doch auch hier: Ich finde man darf problemlos mit Stereotypen spielen.
    Tragischer ist es dann eher, wenn Leute ihr ganzes Weltbild und ihre Lebenseinstellung danach aufbauen. (Und damit habe ich in meinem Land genug Probleme…)
    Wenn mich mal etwas gestört hat, dann war es (auch) dieser komplett übertriebene Ausländer-Akzent der vom Sprecher (in Zwischensequenzen) einer TV-Sendung über Ausländer in Japan verwendet wurde. Dieser hätte scheinbar eine humorstische Note haben sollen – doch selbst in ernsthafteren Momenten wurde das beinahe unverständliche 大米人-Japanisch immer wieder plump hineingebrüllt. Wie ein Art Hinweis „Wir sind hier beim Thema Gaijin in freier Wildbahn – und nicht bei einem vernünftig handelnden Menschen, dessen Verhalten selbsterklärend sein könnte.“

  2. Man kann sicherlich darüber diskutieren, wie „offensive“ diese Werbung jetzt nun ist.
    Jeder, der aber 2 und 2 zusammen zählen kann, wird zu mindestens auf die Idee kommen, daß eine solche Werbung bei manchem problematisch ankommen _könnte_.
    Die Tatsache aber, daß ein riesiger japanischer Konzern mit internationaler Kundschaft eben nicht auf die Idee kommt, sagt imho schon einiges…

  3. Schon mal die Werbung von „Takada“ gesehen, dem grossen Transportunternehmen? Da kommt eine leichtbekleidete Blondine (Osteuropa??)“zu Worte“ …. mit kleinen Lkws, die von dem einen Nasenloch ins andere fahren. Wenn sich Debito also ueber etwas aufregen will, dann haette er hier einen besseren Grund. Und generell scheinen Blondinen „wanted“ zu sein, siehe auch die Yellow Hat Werbungen.

  4. Hat mich ebenso, wie HamuSumo, nicht geschockt oder ähnliches.Ob es Rassistisch ist oder nicht wird wohl immer fraglich sein, weil sowas im Auge des Betrachters liegt ( Meiner Meinung nach). Einige nehmen sowas sehr ernst und sagen “ nein das geht zu weit“, andere wiederum schmunzeln darüber und nehmen es hin.

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