Kusatsu – wörtlich: “Gras” und “Hafen”. Es gibt noch ein – wesentlich grösseres Kusatsu in Japan (Präfektur Shiga), aber der Name Kusatsu-Onsen (onsen=heisse Quelle) macht deutlich, welches gemeint ist.
Kusatsu liegt in einem Talkessel am Hang des Shirane-san auf durchschnittlich über 1’000 m Höhe. Bis Nagano im Westen sind es 35 km Luftlinie, bis Tōkyō im Südosten knapp 150 km.
Die Stadt selbst. Die zahllosen heissen Quellen unter freiem Himmel. Der Shirane und die anderen Vulkane inkl. Kraterseen
Kusatsu – Beschreibung
Kusatsu heisst heute eigentlich 草津町 Kusatsu-chō (chō ist eine Verwaltungseinheit innerhalb einer Stadt) und ist ein in Japan landesweit bekannter Erholungsort. Den Grund für den Ruhm findet man in der umliegenden Bergwelt: Direkt hinter Kusatsu befindet sich der 2’160 m hohe 草津白根山 Kusatsu-Shirane-san – siehe weiter unter – sowie weniger als 30 km weiter südlich der 浅間山 Asama-yama. Beides sind ziemlich aktive Vulkane mit in der jüngeren Vergangenheit imposanten Ausbrüchen.
Eine derart geologisch aktive Zone bringt angenehme Nebeneffekte mit sich: 温泉 – onsen – heisse Quellen. Gerade in Kusatsu am Fuss der Berge tritt sehr viel heisses Wasser aus dem Boden und machte so den Ort bereits vor hunderten von Jahren berühmt. Die heissen Quellen von Kusatsu haben dabei zwei Besonderheiten aufzuweisen: Zum einen ist das Wasser vom pH-Wert aus gesehen sehr sauer, zum anderen äusserst heiss – die Austrittstemperatur liegt je nach Quelle bei 45 bis fast 95 Grad Celsius.
湯畑 Yubatake (Heisswasserfeld)
Während in den meisten Kurorten mit heissen Quellen in Japan mehr oder weniger tief im Boden gebaut werden muss, kann man in Kusatsu protzen: Mitten in der Stadt sprudelt das dampfende Wasser nur so aus dem Boden und von dort über ein Geflecht aus Holzgestellen. Das ganze nennt sich 湯畑 Yubatake (Heisswasserfeld) und gibt es durchaus auch anderswo, aber nicht so gross und zentral wie in Kusatsu. Mittels der Gestelle werden die 湯の花 yunohana – “Heisswasserblumen” quasi “angebaut” – diese Kristalle bestehen zu einem grossen Teil aus Schwefel und werden später in anderen Onsen zum Beispiel als Badezusatz verkauft bzw. genutzt. In Kusatsu dreht sich dabei alles rund um das Yubatake – die erste Adresse am Platz befindet sich dort und alle wichtigen Strassen beginnen bzw. enden dort.
光泉寺 Kōsen-ji
Rund 200 m südwestlich des Yubatake “thront” der 光泉寺 Kōsen-ji, ein kleiner Tempel, über dem Geschehen. Jener ist schon sehr alt – möglicherweise wurde er schon um das Jahr 712 u.Z. herum gegründet. Der Tempel ist ansonsten eigentlich nur aufgrund seiner Lage interessant. Interessant ist auch die Strasse, die im Nordosten (dem unteren Teil) von Yubataka beginnt – hier findet man ein schönes Ensemble typischer Onsen-Herbergen. Das ist in der Form relativ selten geworden in Japan: Normalerweise sind selbst die berühmten Onsen-Kurorte in Japan mit modernen Betongebäuden nur so durchsetzt.
Yubatake ist übrigens auch nachts durchaus ansehenswert, da das dampfende Feld und die umliegenden Häuser nett angestrahlt werden. Ebenfalls am Yubatake beginnend verläuft die wichtigste Flaniermeile der Stadt Richtung Westen. Die Strasse ist sehr klein, seltsamerweise nicht für den Verkehr gesperrt (jener ist zur Hauptreisezeit im Stadtzentrum unerträglich – man kann nur davon abraten, mit dem Auto ins Zentrum zu fahren) und wird hauptsächlich von Souvenirläden und Restaurants dominiert. Eine der Besonderheiten von Kusatsu sind die 温泉饅頭 Onsen-Manjū – meist mit Bohnenpaste gefüllte, runde und sehr weiche Teigbällchen, die vor den Häusern im Dampf der heissen Quellen gedünstet werden (in der Regel wird freilich nachgeholfen).
Der Ort selbst war bereits zur Edo-Zeit (17. bis 19. Jahrhundert) für seine heissen Quellen berühmt. In der Mitte des 19. Jahrhunderts gab es bereits ca. 65 Herbergen rund um oben genanntes Yubatake – geschätzte 10 bis 20 Tausend Besucher konnte der Ort alljährlich verzeichnen. Man sprach von 草津千軒江戸構え Kusatsu Senken Edo-gamae – etwa “Kusatsu mit seinen Tausend Häusern, die es wie Edo (jetzt: Tokyo) aussehen lassen”. Aufgrund der hohen Azidität des Wassers in Kusatsu galt ein heisses Bad dort auch schon damals als heilend – wichtig gerade für die oberen Schichten in Edo, bei denen Geschlechtskrankheiten dank häufiger Bordellbesuche verbreitet waren. Das Wasser aus den heissen Quellen war allerdings zum grossen Teil zu heiss zum Baden – deswegen liess man sich das sogenannte 湯もみ Yumomi einfallen. Frauen rühren dabei mit grossen Holzpaddeln im Quellwasser, um es ein bisschen abzukühlen. Das wird heute als Folkloredarstellung angeboten – in einem kleinen Haus am Yubatake. Eintritt zur Show kostet 500 Yen. Kann man sich ansehen, muss man aber nicht.
西の河原公園 Nishi-no-kawara kōen
Läuft man von Yubatake die oben erwähnte Hauptflaniermeile immer weiter Richtung Westen, kommt man erst zu einem kleinen Bach, und weiter oben zu dem 西の河原公園 Nishi-no-kawara kōen (Park am westlichen Flussbett). Dort fliesst vielerorts heisses Quellwasser direkt aus dem Boden – mit Temperaturen, die von heiss bis fast siedend reichen. An einigen (offensichtlich weniger heissen) Stellen kann man auch ein Fussbad nehmen. Dort steht auch ein Gedenkstein mit der Inschrift “Freundschaft zwischen Japan und Deutschland”. Dahinter stehen zwei Büsten – von Julius Karl Scriba und Erwin Bälz. Beide waren Ärzte, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nach Japan gingen, dort an der Universität Tokyo (Tōdai) lehrten und dabei halfen, das Land und sein Lehrwesen zu reformieren. Sie erforschten unter anderem die Heilkraft der heissen Quellen von Kusatsu und werden seitdem dort mit Büsten und Gedenktafeln geehrt.
白根山 Shirane-san (Berg Shirane)
Kusatsu ist nicht nur für seine heissen Quellen berühmt, sondern auch für die umliegende Bergwelt – die Berge halten im Winter für Wintersport her und im Sommer für Wanderungen. Die Infrastruktur ist bestens darauf ausgelegt – es gibt entsprechende Bergstrassen, Seilbahnen, Sessellifte usw. usf. Ohne eigenes Gefährt kann man sowohl mit dem Bus als auch mit der Seilbahn fast bis ganz auf den Gipfel des Shirane-san fahren. Im Winter sind freilich die Strassen für lange Zeit unpassierbar – dort oben liegt selbst im Mai mitunter noch viel Schnee. Wer mit dem Bus fährt, kann dies vom Busbahnhof in Kusatsu-chō aus tun: Die Fahrt bis zur grossen Raststätte (Haltestelle: 白根火山 Shirane-Kazan) unterhalb des eigentlichen Gipfels dauert eine halbe Stunde und kostet 1’100 Yen einfach. Die Route ist sehr schön. Es gibt 12 Busse pro Tag – die Abfahrtszeiten der Busse findet man hier (leider nur Japanisch).
Alternativ kann man mit dem gleichen Bus bis zur Haltestelle 殺生河原 Sesshō-Kawara fahren – dort befindet sich die untere Haltestelle der 2,4 km langen Seilbahn, die bis auf 2’100 m Höhe fährt und 2,4 km lang ist (der Name der Station besteht aus den Wörtern “Leben vernichten – Flussbett” und erinnert an die lebensfeindlichen Charakter der Umgebung). Die Fahrt mit der Seilbahn kostet einfach 900 Yen und hin- und zurück 1’500 Yen. Die Bahn fährt ganzjährig, aber es gibt Wartungsintervalle (so z.B. Ende Oktober bis Mitte November), währenddessen die Bahn nicht fährt. Von der oberen Station fahren Shuttlebusse bis zum Rasthaus am Shirane-san – man kann aber auch laufen (dauert weniger als eine halbe Stunde).
Die Hauptsehenswürdigkeit am Shirane-san ist der 湯釜 yugama (heisses-Wasser-Topf) – ein fast runder, smaragdgrün bis blauer Kratersee mit einem Durchmesser von gerade mal 300 m und einer Wassertiefe von 30 m. Dank der Einspeisung von hauptsächlich Chlorwasserstoff und Schwefeldioxid aus dem Untergrund ist der See mit einem pH-Wert von knapp unter 1 einer der – wenn nicht DER – sauerste natürliche See in der Welt – der See ist saurer als Batteriesäure. Da aus dem Untergrund rund um den See nachwievor viel Schwefelwasserstoff strömt, ist die unmittelbare Umgebung Sperrgebiet und lebensgefährlich – man hält sich auch besser an die Warnschilder (obwohl die nur auf Japanisch sind!) – mit Fumarolen ist nicht zu spassen. Wenn man schon mal dort ist, kann man von der Raststätte auch gleich auf den Hauptgipfel laufen: Der Weg ist leicht erkennbar, gut ausgebaut und der Aufstieg dauert keine Stunde. Von oben hat man – gutes Wetter vorausgesetzt – eine wunderbare Aussicht bis hin zu den japanischen Alpen in der Präfektur Nagano.
Anreise
Früher fuhr sogar eine Eisenbahn bis nach Kusatsu, doch die Linie wurde irgendwann aufgegeben. Wer heute mit der Bahn fährt, kommt maximal bis 長野原草津口 Nagano-hara Kusatsu-guchi. Der schnellste Weg dorthin von Tokyo aus ist der 特急草津 Kusatsu-Express – jener braucht genau 2½ Stunden, die Fahrkarte kostet 4’930 Yen (einfach). Der Zug fährt von Ueno in Tokyo ab. Wer mit normalen Zügen fährt, muss in 高崎 Takazaki umstunden – das dauert dann knapp 3½ Stunden und kostet 2’940 Yen. Von Nagano-Hara Kusatsu-guchi fahren dann mit dem Eisenbahnfahrplan abgestimmte Busse bis zum Busbahnhof von Kusatsu-chō – die einfache Fahrt kostet 670 Yen und dauert keine halbe Stunde.
Von Shinjuku in Tokyo fahren auch Busse durch bis nach Kusatsu. Von Kusatsu bzw. vom oben genannten Bahnhof Nagano-hara Kusatsu-guchi fahren auch Busse ins nahe 軽井沢 Karuizawa sowie bis nach Nagano. Zu den Bussen zum Vulkan Shirane-san und der Seilbahn siehe oben.
Zumindest in der Hauptreisezeit bedeutet die Anreise mit eigenem Auto Stress – das enge Stadtzentrum ist durch den Verkehr hoffnungslos überfordert. In der Stadt selbst kommt man mit dem 町内巡回バス Chōnai Junkai Basu (Stadt-Ringlinienbus) – der fährt rund um die Stadt herum und kostet – egal wie lange man fährt – nur 100 Yen.
Übernachtung
In Kusatsu gibt es unzählige Hotels und Ryokans – viele mit eigenen heissen Quellen. Die im Stadtzentrum sind meistens relativ klein und teilweise nahezu historisch, die ausserhalb sind mitunter echte Bettenburgen. Eine interessante Alternative zu den üblichen Hotels ist die 綿貫ペンション Watanuki-Pension – nach eigenen Angaben die älteste Pension Japans. Die Pension wird im Familienbetrieb unterhalten und hat ein bisschen Jugendherbergscharakter – das erkennt man gleich am Eingangsbereich und dem Speisesaal. Es gibt europäische und japanische Zimmer – bei beiden sollte man jedoch besser anspruchslos sein. Das ist allerdings bei einem Pro-Person-Preis für eine Nacht mit Frühstück von 6,400 Yen auch zu erwarten.
Die Pension Watanuki hat jedoch zwei Besonderheiten aufzuweisen: Zum einen die heisse Quelle im Erdgeschoss – die ist winzig und besteht eigentlich nur aus einem kleinen Bad und Duschen, aber das Wasser im Bad stammt aus der heissen Quelle, und da der Raum sehr klein ist, kann man dort (so allein) wirklich das heisse Quellwasser nebst der Dämpfe voll und ganz geniessen: Sehr entspannend und nicht zu vergleichen mit den grossen, heissen Quellen.
Im Untergeschoss der Pension betreibt eines der Familienmitglieder zudem ein italienisches Restaurant – das Ristorante Al Rododendoro. Der Koch, ein Japaner, hat sein Handwerk drei Jahre lang gelernt – in Italien und Frankreich. In das Restaurant kann man nicht unvorangemeldet rein, und es gibt keine Speisekarte. Zudem ist es winzig – es passen keine 20 Leute rein. Wer essen möchte, muss ein paar Tage im Voraus reservieren. Das Menü ist eine Riesenüberraschung – alle Zutaten, vom Speck über Räucherfisch, diverse Brotsorten, Lasagneteig usw. bis zum Digestif ist alles selbstgemacht. Es wird auch sehr viel Gemüse genutzt – alles stammt aus der unmittelbaren Umgebung und aus biologischem Anbau. Die Kombinationen, der Ideenreichtum und die Qualität der Zutaten sind Michelin-Sterne-verdächtig und definitiv empfehlenswert. Das 5-Gänge-Menü (können auch mehr gewesen sein) kostet mit 7’000 Yen auch überraschend wenig – zumindest im Vergleich zu ähnlich hoher Qualität in Tokyo. Die Weinkarte ist übrigens klein, bietet jedoch auch angemessene Qualität.
Hier die Adresse der Pension:
綿貫ペンション / リストランテ・アル・ロドデンドロ (Watanuki Pension/Al Rododendoro)
〒377-1711 (zip 377-1711)
群馬県吾妻郡草津町大字草津557-11 (Gunma-ken Agatsuma-gun Kusatsuchō Daiji-Kusatsu 557-11)
Tel. Pension: 0279-88-3509
Tel. Restaurant: 0279-88-6150
Web: www.watapen.com
Zu allgemeinen Übernachtungstipps siehe Übernachtungstipps Japan.